Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bewegung schlägt in demselben Augenblicke, als die Ursache derselben aufhört, in die
Erscheinung der Ruhe oder der fortgesetzten Anstrengung um. Und so sind Herrn
Kellers fliegende Figuren mir auf unsichtbarer Basis räthselhafter Weise gemächlich
liegende Körper, die' herabstürzenden sind unbequem hängende, , die springenden und
schwimmenden mit Anstrengung balancircnde Personen, wobei die Gewandung,
die dro'ez der rasch bewegt sein sollenden Erscheinung schlaff und trag herab¬
hängt, alle noch mögliche Illusion vollständig zerstört und das Unverständige
des ganzen Unternehmens recht deutlich beweist. ' Rechnet man nun hierzu noch
eine, selbst bei den Stellungen, die die natürlichsten und einfachsten Handlungen
darstellen sollen, affectirte Tänzergrazie, das nachhelfen bei unzulänglicher Körper-
form durch Ausstopfen, die unangenehmen Falten und Bauschungen des Tricot, die
bei starken Körperbiegungcn das Muskelspiel, um deswillen ja nur die Nacktheit zur
Darstellung gewählt sein kann, verdecken, so sollte man meinen, es ließen sich nickt
leicht mehr Eigenschaften zusammenbringen, die einem Werke die Berechtigung einer
künstlerischen Geltung entschiedener absprachen; aber Herr Kr. weiß doch noch weiter
zu gehen und giebt uns durch seine mimischen Vorstellungen iKain und Abel, das letzte
Stück Brod) eine Reihe von Bildern der durch ein abscheuliches Motiv bedingten rasend¬
sten Leidenschaften, die noch mehr als den ästhetischen Sinn verletzen. Er mordet vor
unseren Augen, geht dann alle Gradationen von Reue und Verzweiflung durch, ver¬
zerrt im Entsetzen die Gesichtszüge, verrenkt aus schaudererregende Art die Glieder, zer¬
rauft sich das Haar, stürzt zusammen, verhungert oder verkümmert aus andere Weise,
kurz führt eine solche Fülle von Abscheulichkeiten vor, daß sich das Auge eines gebil¬
deten Menschen mit wahrhaftem Widerwillen wegwenden muß. Nun ist zwar natürlich,
wenn ungebildete Naturen gern Alles das mit Beifall begrüße", was mit rohen Mit¬
teln einen derben Schauder oder einen gemeinen Sinnenkitzel hervorbringt, es ist ferner
bei der Tageskritik Alles natürlich, auch das Unglaubliche und Unmögliche, aber es ist
dach nothwendig, von Zeit zu Zeit dergleichen Leistungen und dergleichen Beurtheilun¬
gen an den Ort zu verweisen, wo sie hingehören.


Theater.

-- Bei der großen Theilnahme, welche die Erscheinung der Rachel
in Deutschland hervorgerufen hat, wird der Bericht eines Kunstfreundes, der sie in
Brüssel zuerst im Polycucte und im 2. Act der Athalie gesehen, von Interesse sein. --
"Ich war höchst gespannt, ob es der Rachel gelingen würde, die Widersprüche in dem
Charakter ihrer Rolle zu vermitteln, das Unmögliche möglich erscheinen zu, lassen. Pau-
line hat ihre NeigMg zu einem armen Römischen Ritter dem Ehrgeiz ihres Vaters
geopfert und ist vor vierzehn Tagen die Gattin eines angesehenen Armenischen Edeln
Polyeuct geworden: ja ihr Pflichtgefühl ist so stark, daß es sogar eine lebhafte Zunei¬
gung zu Polyeuct in ihrer Seele hervorgebracht hat. Nun erscheint ihr früherer Lieb¬
haber, der sich unterdeß zum Günstling des Kaisers aufgeschwungen hat, um sie zu
heirathen; der egoistische Vater zwingt die arme Pauline, ihn zu sehen, und nun wird
sie zwischen ihren Grundsätzen und ihrer Neigung hin und hergezerrt wie eine Mario¬
nette, abwechselnd an dem einen'und dem andern Drath. Mir schien es nicht, daß es
der Rachel gelang, die Kluft zwischen den grellen Contrasten in diesem Charakter zu
füllen, dem widersinnigen Abwechseln der Empfindungen einen Sinn zu geben: aber
das beweist nur, daß es überhaupt nicht möglich ist. Erst vom dritten Acte an, wo
ihre Neigung zu Sever in ihrer Sorge und Angst um Polyeuct untergeht , der als
Christ den Tod erleiden soll, wo ihr Spiel nicht mehr durch die Absurdität ihrer Rolle
beeinträchtigt war, erst da konnte es seine vollständige Wirkung thun. Eben so ma߬
voll als ausdrucksvoll steigerte es sich bis zur vorletzte" Scene, wo sie ihrem Gatten
zum Schaffet folgt. Als sie dann wieder auf der Bühne erschien, todtenblaß, im bloßen
Unterkleide, ohne Haarschmuck, da war sie eine völlig andere, man sah, ehe'sie den


Bewegung schlägt in demselben Augenblicke, als die Ursache derselben aufhört, in die
Erscheinung der Ruhe oder der fortgesetzten Anstrengung um. Und so sind Herrn
Kellers fliegende Figuren mir auf unsichtbarer Basis räthselhafter Weise gemächlich
liegende Körper, die' herabstürzenden sind unbequem hängende, , die springenden und
schwimmenden mit Anstrengung balancircnde Personen, wobei die Gewandung,
die dro'ez der rasch bewegt sein sollenden Erscheinung schlaff und trag herab¬
hängt, alle noch mögliche Illusion vollständig zerstört und das Unverständige
des ganzen Unternehmens recht deutlich beweist. ' Rechnet man nun hierzu noch
eine, selbst bei den Stellungen, die die natürlichsten und einfachsten Handlungen
darstellen sollen, affectirte Tänzergrazie, das nachhelfen bei unzulänglicher Körper-
form durch Ausstopfen, die unangenehmen Falten und Bauschungen des Tricot, die
bei starken Körperbiegungcn das Muskelspiel, um deswillen ja nur die Nacktheit zur
Darstellung gewählt sein kann, verdecken, so sollte man meinen, es ließen sich nickt
leicht mehr Eigenschaften zusammenbringen, die einem Werke die Berechtigung einer
künstlerischen Geltung entschiedener absprachen; aber Herr Kr. weiß doch noch weiter
zu gehen und giebt uns durch seine mimischen Vorstellungen iKain und Abel, das letzte
Stück Brod) eine Reihe von Bildern der durch ein abscheuliches Motiv bedingten rasend¬
sten Leidenschaften, die noch mehr als den ästhetischen Sinn verletzen. Er mordet vor
unseren Augen, geht dann alle Gradationen von Reue und Verzweiflung durch, ver¬
zerrt im Entsetzen die Gesichtszüge, verrenkt aus schaudererregende Art die Glieder, zer¬
rauft sich das Haar, stürzt zusammen, verhungert oder verkümmert aus andere Weise,
kurz führt eine solche Fülle von Abscheulichkeiten vor, daß sich das Auge eines gebil¬
deten Menschen mit wahrhaftem Widerwillen wegwenden muß. Nun ist zwar natürlich,
wenn ungebildete Naturen gern Alles das mit Beifall begrüße», was mit rohen Mit¬
teln einen derben Schauder oder einen gemeinen Sinnenkitzel hervorbringt, es ist ferner
bei der Tageskritik Alles natürlich, auch das Unglaubliche und Unmögliche, aber es ist
dach nothwendig, von Zeit zu Zeit dergleichen Leistungen und dergleichen Beurtheilun¬
gen an den Ort zu verweisen, wo sie hingehören.


Theater.

— Bei der großen Theilnahme, welche die Erscheinung der Rachel
in Deutschland hervorgerufen hat, wird der Bericht eines Kunstfreundes, der sie in
Brüssel zuerst im Polycucte und im 2. Act der Athalie gesehen, von Interesse sein. —
„Ich war höchst gespannt, ob es der Rachel gelingen würde, die Widersprüche in dem
Charakter ihrer Rolle zu vermitteln, das Unmögliche möglich erscheinen zu, lassen. Pau-
line hat ihre NeigMg zu einem armen Römischen Ritter dem Ehrgeiz ihres Vaters
geopfert und ist vor vierzehn Tagen die Gattin eines angesehenen Armenischen Edeln
Polyeuct geworden: ja ihr Pflichtgefühl ist so stark, daß es sogar eine lebhafte Zunei¬
gung zu Polyeuct in ihrer Seele hervorgebracht hat. Nun erscheint ihr früherer Lieb¬
haber, der sich unterdeß zum Günstling des Kaisers aufgeschwungen hat, um sie zu
heirathen; der egoistische Vater zwingt die arme Pauline, ihn zu sehen, und nun wird
sie zwischen ihren Grundsätzen und ihrer Neigung hin und hergezerrt wie eine Mario¬
nette, abwechselnd an dem einen'und dem andern Drath. Mir schien es nicht, daß es
der Rachel gelang, die Kluft zwischen den grellen Contrasten in diesem Charakter zu
füllen, dem widersinnigen Abwechseln der Empfindungen einen Sinn zu geben: aber
das beweist nur, daß es überhaupt nicht möglich ist. Erst vom dritten Acte an, wo
ihre Neigung zu Sever in ihrer Sorge und Angst um Polyeuct untergeht , der als
Christ den Tod erleiden soll, wo ihr Spiel nicht mehr durch die Absurdität ihrer Rolle
beeinträchtigt war, erst da konnte es seine vollständige Wirkung thun. Eben so ma߬
voll als ausdrucksvoll steigerte es sich bis zur vorletzte» Scene, wo sie ihrem Gatten
zum Schaffet folgt. Als sie dann wieder auf der Bühne erschien, todtenblaß, im bloßen
Unterkleide, ohne Haarschmuck, da war sie eine völlig andere, man sah, ehe'sie den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94731"/>
            <p xml:id="ID_904" prev="#ID_903"> Bewegung schlägt in demselben Augenblicke, als die Ursache derselben aufhört, in die<lb/>
Erscheinung der Ruhe oder der fortgesetzten Anstrengung um. Und so sind Herrn<lb/>
Kellers fliegende Figuren mir auf unsichtbarer Basis räthselhafter Weise gemächlich<lb/>
liegende Körper, die' herabstürzenden sind unbequem hängende, , die springenden und<lb/>
schwimmenden mit Anstrengung balancircnde Personen, wobei die Gewandung,<lb/>
die dro'ez der rasch bewegt sein sollenden Erscheinung schlaff und trag herab¬<lb/>
hängt, alle noch mögliche Illusion vollständig zerstört und das Unverständige<lb/>
des ganzen Unternehmens recht deutlich beweist. ' Rechnet man nun hierzu noch<lb/>
eine, selbst bei den Stellungen, die die natürlichsten und einfachsten Handlungen<lb/>
darstellen sollen, affectirte Tänzergrazie, das nachhelfen bei unzulänglicher Körper-<lb/>
form durch Ausstopfen, die unangenehmen Falten und Bauschungen des Tricot, die<lb/>
bei starken Körperbiegungcn das Muskelspiel, um deswillen ja nur die Nacktheit zur<lb/>
Darstellung gewählt sein kann, verdecken, so sollte man meinen, es ließen sich nickt<lb/>
leicht mehr Eigenschaften zusammenbringen, die einem Werke die Berechtigung einer<lb/>
künstlerischen Geltung entschiedener absprachen; aber Herr Kr. weiß doch noch weiter<lb/>
zu gehen und giebt uns durch seine mimischen Vorstellungen iKain und Abel, das letzte<lb/>
Stück Brod) eine Reihe von Bildern der durch ein abscheuliches Motiv bedingten rasend¬<lb/>
sten Leidenschaften, die noch mehr als den ästhetischen Sinn verletzen. Er mordet vor<lb/>
unseren Augen, geht dann alle Gradationen von Reue und Verzweiflung durch, ver¬<lb/>
zerrt im Entsetzen die Gesichtszüge, verrenkt aus schaudererregende Art die Glieder, zer¬<lb/>
rauft sich das Haar, stürzt zusammen, verhungert oder verkümmert aus andere Weise,<lb/>
kurz führt eine solche Fülle von Abscheulichkeiten vor, daß sich das Auge eines gebil¬<lb/>
deten Menschen mit wahrhaftem Widerwillen wegwenden muß. Nun ist zwar natürlich,<lb/>
wenn ungebildete Naturen gern Alles das mit Beifall begrüße», was mit rohen Mit¬<lb/>
teln einen derben Schauder oder einen gemeinen Sinnenkitzel hervorbringt, es ist ferner<lb/>
bei der Tageskritik Alles natürlich, auch das Unglaubliche und Unmögliche, aber es ist<lb/>
dach nothwendig, von Zeit zu Zeit dergleichen Leistungen und dergleichen Beurtheilun¬<lb/>
gen an den Ort zu verweisen, wo sie hingehören.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Theater. </head>
            <p xml:id="ID_905" next="#ID_906"> &#x2014; Bei der großen Theilnahme, welche die Erscheinung der Rachel<lb/>
in Deutschland hervorgerufen hat, wird der Bericht eines Kunstfreundes, der sie in<lb/>
Brüssel zuerst im Polycucte und im 2. Act der Athalie gesehen, von Interesse sein. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ich war höchst gespannt, ob es der Rachel gelingen würde, die Widersprüche in dem<lb/>
Charakter ihrer Rolle zu vermitteln, das Unmögliche möglich erscheinen zu, lassen. Pau-<lb/>
line hat ihre NeigMg zu einem armen Römischen Ritter dem Ehrgeiz ihres Vaters<lb/>
geopfert und ist vor vierzehn Tagen die Gattin eines angesehenen Armenischen Edeln<lb/>
Polyeuct geworden: ja ihr Pflichtgefühl ist so stark, daß es sogar eine lebhafte Zunei¬<lb/>
gung zu Polyeuct in ihrer Seele hervorgebracht hat. Nun erscheint ihr früherer Lieb¬<lb/>
haber, der sich unterdeß zum Günstling des Kaisers aufgeschwungen hat, um sie zu<lb/>
heirathen; der egoistische Vater zwingt die arme Pauline, ihn zu sehen, und nun wird<lb/>
sie zwischen ihren Grundsätzen und ihrer Neigung hin und hergezerrt wie eine Mario¬<lb/>
nette, abwechselnd an dem einen'und dem andern Drath. Mir schien es nicht, daß es<lb/>
der Rachel gelang, die Kluft zwischen den grellen Contrasten in diesem Charakter zu<lb/>
füllen, dem widersinnigen Abwechseln der Empfindungen einen Sinn zu geben: aber<lb/>
das beweist nur, daß es überhaupt nicht möglich ist. Erst vom dritten Acte an, wo<lb/>
ihre Neigung zu Sever in ihrer Sorge und Angst um Polyeuct untergeht , der als<lb/>
Christ den Tod erleiden soll, wo ihr Spiel nicht mehr durch die Absurdität ihrer Rolle<lb/>
beeinträchtigt war, erst da konnte es seine vollständige Wirkung thun. Eben so ma߬<lb/>
voll als ausdrucksvoll steigerte es sich bis zur vorletzte» Scene, wo sie ihrem Gatten<lb/>
zum Schaffet folgt. Als sie dann wieder auf der Bühne erschien, todtenblaß, im bloßen<lb/>
Unterkleide, ohne Haarschmuck, da war sie eine völlig andere, man sah, ehe'sie den</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0290] Bewegung schlägt in demselben Augenblicke, als die Ursache derselben aufhört, in die Erscheinung der Ruhe oder der fortgesetzten Anstrengung um. Und so sind Herrn Kellers fliegende Figuren mir auf unsichtbarer Basis räthselhafter Weise gemächlich liegende Körper, die' herabstürzenden sind unbequem hängende, , die springenden und schwimmenden mit Anstrengung balancircnde Personen, wobei die Gewandung, die dro'ez der rasch bewegt sein sollenden Erscheinung schlaff und trag herab¬ hängt, alle noch mögliche Illusion vollständig zerstört und das Unverständige des ganzen Unternehmens recht deutlich beweist. ' Rechnet man nun hierzu noch eine, selbst bei den Stellungen, die die natürlichsten und einfachsten Handlungen darstellen sollen, affectirte Tänzergrazie, das nachhelfen bei unzulänglicher Körper- form durch Ausstopfen, die unangenehmen Falten und Bauschungen des Tricot, die bei starken Körperbiegungcn das Muskelspiel, um deswillen ja nur die Nacktheit zur Darstellung gewählt sein kann, verdecken, so sollte man meinen, es ließen sich nickt leicht mehr Eigenschaften zusammenbringen, die einem Werke die Berechtigung einer künstlerischen Geltung entschiedener absprachen; aber Herr Kr. weiß doch noch weiter zu gehen und giebt uns durch seine mimischen Vorstellungen iKain und Abel, das letzte Stück Brod) eine Reihe von Bildern der durch ein abscheuliches Motiv bedingten rasend¬ sten Leidenschaften, die noch mehr als den ästhetischen Sinn verletzen. Er mordet vor unseren Augen, geht dann alle Gradationen von Reue und Verzweiflung durch, ver¬ zerrt im Entsetzen die Gesichtszüge, verrenkt aus schaudererregende Art die Glieder, zer¬ rauft sich das Haar, stürzt zusammen, verhungert oder verkümmert aus andere Weise, kurz führt eine solche Fülle von Abscheulichkeiten vor, daß sich das Auge eines gebil¬ deten Menschen mit wahrhaftem Widerwillen wegwenden muß. Nun ist zwar natürlich, wenn ungebildete Naturen gern Alles das mit Beifall begrüße», was mit rohen Mit¬ teln einen derben Schauder oder einen gemeinen Sinnenkitzel hervorbringt, es ist ferner bei der Tageskritik Alles natürlich, auch das Unglaubliche und Unmögliche, aber es ist dach nothwendig, von Zeit zu Zeit dergleichen Leistungen und dergleichen Beurtheilun¬ gen an den Ort zu verweisen, wo sie hingehören. Theater. — Bei der großen Theilnahme, welche die Erscheinung der Rachel in Deutschland hervorgerufen hat, wird der Bericht eines Kunstfreundes, der sie in Brüssel zuerst im Polycucte und im 2. Act der Athalie gesehen, von Interesse sein. — „Ich war höchst gespannt, ob es der Rachel gelingen würde, die Widersprüche in dem Charakter ihrer Rolle zu vermitteln, das Unmögliche möglich erscheinen zu, lassen. Pau- line hat ihre NeigMg zu einem armen Römischen Ritter dem Ehrgeiz ihres Vaters geopfert und ist vor vierzehn Tagen die Gattin eines angesehenen Armenischen Edeln Polyeuct geworden: ja ihr Pflichtgefühl ist so stark, daß es sogar eine lebhafte Zunei¬ gung zu Polyeuct in ihrer Seele hervorgebracht hat. Nun erscheint ihr früherer Lieb¬ haber, der sich unterdeß zum Günstling des Kaisers aufgeschwungen hat, um sie zu heirathen; der egoistische Vater zwingt die arme Pauline, ihn zu sehen, und nun wird sie zwischen ihren Grundsätzen und ihrer Neigung hin und hergezerrt wie eine Mario¬ nette, abwechselnd an dem einen'und dem andern Drath. Mir schien es nicht, daß es der Rachel gelang, die Kluft zwischen den grellen Contrasten in diesem Charakter zu füllen, dem widersinnigen Abwechseln der Empfindungen einen Sinn zu geben: aber das beweist nur, daß es überhaupt nicht möglich ist. Erst vom dritten Acte an, wo ihre Neigung zu Sever in ihrer Sorge und Angst um Polyeuct untergeht , der als Christ den Tod erleiden soll, wo ihr Spiel nicht mehr durch die Absurdität ihrer Rolle beeinträchtigt war, erst da konnte es seine vollständige Wirkung thun. Eben so ma߬ voll als ausdrucksvoll steigerte es sich bis zur vorletzte» Scene, wo sie ihrem Gatten zum Schaffet folgt. Als sie dann wieder auf der Bühne erschien, todtenblaß, im bloßen Unterkleide, ohne Haarschmuck, da war sie eine völlig andere, man sah, ehe'sie den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/290
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/290>, abgerufen am 21.12.2024.