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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Maria Göttinger noch nicht wieder zur Politik übergehen darf; daß der Zwang der
Censurlosigkeit ihn noch ferner nöthigt, Huldigungsgcdichte an die "erhabene Gemahlin
des Königs von Dänemark" zu verfertigen.


Theater.

-- Die deutsche Theatergesellschaft in London scheint mit ihrer ersten
Aufführung, dem Goethe'sehen Egmont, einen nicht gemeinen Erfolg davon getragen
zu haben, wenigstens sprechen sich die bedeutendsten englischen Blätter sehr günstig
darüber aus. -- > > '

Eugen Scribe hat bei seinem Besuch in Wien das Hosburgtheatcr genauer
'angesehen und sich mit der größten Anerkennung darüber ausgesprochen. --

"Die magnetischen Kuren" von Hackländer haben wir nun auch in Leipzig ge¬
sehen und können dem Urtheil unsres östreichischen Correspondenten mir beipflichten.
Das Stück ist verfehlt. Die Anlage der Intrigue ist der des "geheimen Agenten"
entsprechend, sie ist aber noch ungeschickter ausgeführt. Es ist auch dem Lustspieldichter
nicht erlaubt, gebildeten Menschen eine so grenzenlose Dummheit anzudichten, als es
hier geschieht, blos um die unwahrscheinlichsten Voraussetzungen möglich zu machen.
Außerdem ist es merkwürdig, daß Hackländer, dem an Frische und Lebendigkeit der
Erzählung vielleicht kein deutscher Dichter gleichkommt, und der in seinen Novellen,
wo er es nöthig hat, auch einen sehr seinen ,und interessanten Dialog zu führen ver¬
steht, ,im Drama so trocken in der Sprache und so unklar in der Erzählung sein kann.
In den Erfindungen, obgleich sie über alles Maß hinausgehen, fehlt doch jene
französische Dreistigkeit und liebenswürdige Impertinenz, die uns unter Umständen auch
mit Schwindeleien versöhnen kann. --

Die Gastspiele der Sommersaison im Leipziger Theater sind dnrch das Kinder¬
bälle: der Frau Josephine Weiß eröffnet. Diese Vorstellungen verdiene" in Bezug
arif die Accuratesse, die Sicherheit und Schnelligkeit der Ausführung und den Geschmack
in der Anordnung alles Lob, was ihnen von allen Seiten so reichlich zu Theil geworden
ist. Diese i>8 großen und kleinen Kinder führen ihre Manöver mit einer Präcision
aus,-die alten gedienten Soldaten Ehre machen würde, und die einen lieblichem Anblick
gewährt, weil man sie leichter übersehen kann. -- Mehr aber kann man davon nicht
rühmen. Es ist doch Alles nur Mechanismus, und man wird an ein Puppentheater
erinnert. So viel man mit vollem Recht gegen das moderne Ballet einwenden kann,
dessen Virtuosität sich vorzugsweise in unnatürlichen und häßlichen Stellungen geltend
macht, so kann doch eine wirklich bedeutende Tänzerin durch Feuer, Leidenschaft nnd-
individuelle Anmuth etwas Geistiges hineinbringen. Bei dieser Kindcrmasse ist das
aber unmöglich. , In der niedlichsten unter den drei Vorstellungen, die sie geben, dem
Blumentanz, beruht der eigentliche Effect auf den Blumeureifcn^ die sie schwingen, die
Personen selbst treten in die bescheidene Rolle der Arabesken zurück. Wir müssen auf¬
richtig gestehen, daß uns in der letzten Messe das Manöver, welches Herr 'Nerz mit
neun Reitern ausführte, besser gefallen hat, denn die Gruppirung war eben so geschmack¬
voll und bei der Ueberwältigung des widerstrebenden Pferdes, in dem sich trotz aller
Dressur doch von Zeit zu- Zeit die Bestie regt, hat man doch wenigstens einigermaßen
das Gefühl einer menschlichen individuellen Willensentwickelung.


Bildende Kunst.

^ In der Werkstatt Burgschmidt's in Nürnberg wird
an der Statue des Ministers Winter, die für Karlsruhe, und an der Luther's, die


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Maria Göttinger noch nicht wieder zur Politik übergehen darf; daß der Zwang der
Censurlosigkeit ihn noch ferner nöthigt, Huldigungsgcdichte an die „erhabene Gemahlin
des Königs von Dänemark" zu verfertigen.


Theater.

— Die deutsche Theatergesellschaft in London scheint mit ihrer ersten
Aufführung, dem Goethe'sehen Egmont, einen nicht gemeinen Erfolg davon getragen
zu haben, wenigstens sprechen sich die bedeutendsten englischen Blätter sehr günstig
darüber aus. — > > '

Eugen Scribe hat bei seinem Besuch in Wien das Hosburgtheatcr genauer
'angesehen und sich mit der größten Anerkennung darüber ausgesprochen. —

„Die magnetischen Kuren" von Hackländer haben wir nun auch in Leipzig ge¬
sehen und können dem Urtheil unsres östreichischen Correspondenten mir beipflichten.
Das Stück ist verfehlt. Die Anlage der Intrigue ist der des „geheimen Agenten"
entsprechend, sie ist aber noch ungeschickter ausgeführt. Es ist auch dem Lustspieldichter
nicht erlaubt, gebildeten Menschen eine so grenzenlose Dummheit anzudichten, als es
hier geschieht, blos um die unwahrscheinlichsten Voraussetzungen möglich zu machen.
Außerdem ist es merkwürdig, daß Hackländer, dem an Frische und Lebendigkeit der
Erzählung vielleicht kein deutscher Dichter gleichkommt, und der in seinen Novellen,
wo er es nöthig hat, auch einen sehr seinen ,und interessanten Dialog zu führen ver¬
steht, ,im Drama so trocken in der Sprache und so unklar in der Erzählung sein kann.
In den Erfindungen, obgleich sie über alles Maß hinausgehen, fehlt doch jene
französische Dreistigkeit und liebenswürdige Impertinenz, die uns unter Umständen auch
mit Schwindeleien versöhnen kann. —

Die Gastspiele der Sommersaison im Leipziger Theater sind dnrch das Kinder¬
bälle: der Frau Josephine Weiß eröffnet. Diese Vorstellungen verdiene» in Bezug
arif die Accuratesse, die Sicherheit und Schnelligkeit der Ausführung und den Geschmack
in der Anordnung alles Lob, was ihnen von allen Seiten so reichlich zu Theil geworden
ist. Diese i>8 großen und kleinen Kinder führen ihre Manöver mit einer Präcision
aus,-die alten gedienten Soldaten Ehre machen würde, und die einen lieblichem Anblick
gewährt, weil man sie leichter übersehen kann. — Mehr aber kann man davon nicht
rühmen. Es ist doch Alles nur Mechanismus, und man wird an ein Puppentheater
erinnert. So viel man mit vollem Recht gegen das moderne Ballet einwenden kann,
dessen Virtuosität sich vorzugsweise in unnatürlichen und häßlichen Stellungen geltend
macht, so kann doch eine wirklich bedeutende Tänzerin durch Feuer, Leidenschaft nnd-
individuelle Anmuth etwas Geistiges hineinbringen. Bei dieser Kindcrmasse ist das
aber unmöglich. , In der niedlichsten unter den drei Vorstellungen, die sie geben, dem
Blumentanz, beruht der eigentliche Effect auf den Blumeureifcn^ die sie schwingen, die
Personen selbst treten in die bescheidene Rolle der Arabesken zurück. Wir müssen auf¬
richtig gestehen, daß uns in der letzten Messe das Manöver, welches Herr 'Nerz mit
neun Reitern ausführte, besser gefallen hat, denn die Gruppirung war eben so geschmack¬
voll und bei der Ueberwältigung des widerstrebenden Pferdes, in dem sich trotz aller
Dressur doch von Zeit zu- Zeit die Bestie regt, hat man doch wenigstens einigermaßen
das Gefühl einer menschlichen individuellen Willensentwickelung.


Bildende Kunst.

^ In der Werkstatt Burgschmidt's in Nürnberg wird
an der Statue des Ministers Winter, die für Karlsruhe, und an der Luther's, die


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[0487] Maria Göttinger noch nicht wieder zur Politik übergehen darf; daß der Zwang der Censurlosigkeit ihn noch ferner nöthigt, Huldigungsgcdichte an die „erhabene Gemahlin des Königs von Dänemark" zu verfertigen. Theater. — Die deutsche Theatergesellschaft in London scheint mit ihrer ersten Aufführung, dem Goethe'sehen Egmont, einen nicht gemeinen Erfolg davon getragen zu haben, wenigstens sprechen sich die bedeutendsten englischen Blätter sehr günstig darüber aus. — > > ' Eugen Scribe hat bei seinem Besuch in Wien das Hosburgtheatcr genauer 'angesehen und sich mit der größten Anerkennung darüber ausgesprochen. — „Die magnetischen Kuren" von Hackländer haben wir nun auch in Leipzig ge¬ sehen und können dem Urtheil unsres östreichischen Correspondenten mir beipflichten. Das Stück ist verfehlt. Die Anlage der Intrigue ist der des „geheimen Agenten" entsprechend, sie ist aber noch ungeschickter ausgeführt. Es ist auch dem Lustspieldichter nicht erlaubt, gebildeten Menschen eine so grenzenlose Dummheit anzudichten, als es hier geschieht, blos um die unwahrscheinlichsten Voraussetzungen möglich zu machen. Außerdem ist es merkwürdig, daß Hackländer, dem an Frische und Lebendigkeit der Erzählung vielleicht kein deutscher Dichter gleichkommt, und der in seinen Novellen, wo er es nöthig hat, auch einen sehr seinen ,und interessanten Dialog zu führen ver¬ steht, ,im Drama so trocken in der Sprache und so unklar in der Erzählung sein kann. In den Erfindungen, obgleich sie über alles Maß hinausgehen, fehlt doch jene französische Dreistigkeit und liebenswürdige Impertinenz, die uns unter Umständen auch mit Schwindeleien versöhnen kann. — Die Gastspiele der Sommersaison im Leipziger Theater sind dnrch das Kinder¬ bälle: der Frau Josephine Weiß eröffnet. Diese Vorstellungen verdiene» in Bezug arif die Accuratesse, die Sicherheit und Schnelligkeit der Ausführung und den Geschmack in der Anordnung alles Lob, was ihnen von allen Seiten so reichlich zu Theil geworden ist. Diese i>8 großen und kleinen Kinder führen ihre Manöver mit einer Präcision aus,-die alten gedienten Soldaten Ehre machen würde, und die einen lieblichem Anblick gewährt, weil man sie leichter übersehen kann. — Mehr aber kann man davon nicht rühmen. Es ist doch Alles nur Mechanismus, und man wird an ein Puppentheater erinnert. So viel man mit vollem Recht gegen das moderne Ballet einwenden kann, dessen Virtuosität sich vorzugsweise in unnatürlichen und häßlichen Stellungen geltend macht, so kann doch eine wirklich bedeutende Tänzerin durch Feuer, Leidenschaft nnd- individuelle Anmuth etwas Geistiges hineinbringen. Bei dieser Kindcrmasse ist das aber unmöglich. , In der niedlichsten unter den drei Vorstellungen, die sie geben, dem Blumentanz, beruht der eigentliche Effect auf den Blumeureifcn^ die sie schwingen, die Personen selbst treten in die bescheidene Rolle der Arabesken zurück. Wir müssen auf¬ richtig gestehen, daß uns in der letzten Messe das Manöver, welches Herr 'Nerz mit neun Reitern ausführte, besser gefallen hat, denn die Gruppirung war eben so geschmack¬ voll und bei der Ueberwältigung des widerstrebenden Pferdes, in dem sich trotz aller Dressur doch von Zeit zu- Zeit die Bestie regt, hat man doch wenigstens einigermaßen das Gefühl einer menschlichen individuellen Willensentwickelung. Bildende Kunst. ^ In der Werkstatt Burgschmidt's in Nürnberg wird an der Statue des Ministers Winter, die für Karlsruhe, und an der Luther's, die 60*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/487>, abgerufen am 05.12.2024.