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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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die Intrigue, die Ausführung der Charaktere, so wie die Verse und einzelne
Redewendungen siud ganz spanisch. Es ist zierlich und elegant ausgeführt. Aber
was ein solches Stück mit seinen Beziehungen auf Sitten nud Gewohnheiten,
die uns vollständig fremd sind, ans dem deutschen Theater soll, kann man nicht
recht begreifen. Kavaliere, die sich in verschleierte Damen verlieben, und auch
ohne Weiteres um ihre Hand anhalten, verschleierte Damen, die ihren Kava¬
lieren Jahre lang ans Schritt und Tritt nachgehen, ferner die Sprache der extrem¬
sten Galanterie, in welcher der Liebhaber der Höflichkeit wegen zuweilen so thun
muß, als wäre er ein treuer Hund, den seine Göttin von Zeit zu Zeit nach
Belieben mit Füßen treten könne, das Alles will zu unsren Sitten und Gewohn¬
heiten nicht stimmen. -- Etwas Aehnliches gilt von dem Trauerspiele: "Zwei
Nächte zu Valladolid" (1823). Spanische Eifersucht, spanische Treue, spa¬
nische Rache, spanische Justiz -- es gehört ein katholisches Land dazu, um das
wenigstens einigermaßen nachzuempfinden. -- Auch in diesem Stücke zeigt sich
theatralische Geschicklichkeit, weniger in einem andern Drama: "Der Königin
Ehre" .(1828), eine dialogistrtc Bearbeitung deö bekannten Romans: MsloriÄ
äollcrs Kaerras oivilsg, mit der Geschichte der Abenceragen und Zegris. --
Zedlitz hat auch die Kühnheit gehabt, das berühmteste Stück von Lope de
Vega, ,,der Stern von Sevilla", sehr geschmackvoll sür das Wiener Hofburg¬
theater zu überarbeiten (1829). Das Stück ist der "Andacht zum Kreuz"
von Calderon an die Seite zu setzen. Wie in diesem die katholische Bi¬
gotterie in allen ihren schrecklichen Folgen von einem hochpoetischen Geiste ver¬
klärt ist, so in dem "Stern von Sevilla" der Absolutismus. In unsrer Zeit,
wo über das Elend der Revolutionen so lebhafte Klagelieder angestimmt werden,
sollte man dieses Stück wieder allgemein bekannt machen. Man würde daraus
lernen, daß die absolute Monarchie in den Begriffen von Sittlichkeit und Ehre eine
noch gräulichere Verwüstung anrichtet, als der revolutionaire Geist. Der poetische
Uebersetzer scheint von dieser Erkenntniß nicht durchdrungen zu sein, er verhält
sich seinem Stoff gegenüber naiv, und hat noch in den letzten Jahren Soldaten¬
lieder veröffentlicht, die für jenen spanisch monarchischen Geist Propaganda
machen, den das Hans Oestreich als Vermächtnis) jahrhnndertlanger Erbweisheit
zu bewahren scheint.




W o es e n b c r i es t.
Die auswärtige Politik Frankreichs.

Vor dem Staatsstreich vom 2. December 18k>1 sahe" die Staatsmänner Europa'S
mit banger Erwartung dem Frühjahr entgegen, wo, behauptete" sie, el" socialistisch-
revvlurwilaircr Sturm ihre mühsam erbaute" u"d doch so gebrechlichen Kartenhäuser


die Intrigue, die Ausführung der Charaktere, so wie die Verse und einzelne
Redewendungen siud ganz spanisch. Es ist zierlich und elegant ausgeführt. Aber
was ein solches Stück mit seinen Beziehungen auf Sitten nud Gewohnheiten,
die uns vollständig fremd sind, ans dem deutschen Theater soll, kann man nicht
recht begreifen. Kavaliere, die sich in verschleierte Damen verlieben, und auch
ohne Weiteres um ihre Hand anhalten, verschleierte Damen, die ihren Kava¬
lieren Jahre lang ans Schritt und Tritt nachgehen, ferner die Sprache der extrem¬
sten Galanterie, in welcher der Liebhaber der Höflichkeit wegen zuweilen so thun
muß, als wäre er ein treuer Hund, den seine Göttin von Zeit zu Zeit nach
Belieben mit Füßen treten könne, das Alles will zu unsren Sitten und Gewohn¬
heiten nicht stimmen. — Etwas Aehnliches gilt von dem Trauerspiele: „Zwei
Nächte zu Valladolid" (1823). Spanische Eifersucht, spanische Treue, spa¬
nische Rache, spanische Justiz — es gehört ein katholisches Land dazu, um das
wenigstens einigermaßen nachzuempfinden. — Auch in diesem Stücke zeigt sich
theatralische Geschicklichkeit, weniger in einem andern Drama: „Der Königin
Ehre" .(1828), eine dialogistrtc Bearbeitung deö bekannten Romans: MsloriÄ
äollcrs Kaerras oivilsg, mit der Geschichte der Abenceragen und Zegris. —
Zedlitz hat auch die Kühnheit gehabt, das berühmteste Stück von Lope de
Vega, ,,der Stern von Sevilla", sehr geschmackvoll sür das Wiener Hofburg¬
theater zu überarbeiten (1829). Das Stück ist der „Andacht zum Kreuz"
von Calderon an die Seite zu setzen. Wie in diesem die katholische Bi¬
gotterie in allen ihren schrecklichen Folgen von einem hochpoetischen Geiste ver¬
klärt ist, so in dem „Stern von Sevilla" der Absolutismus. In unsrer Zeit,
wo über das Elend der Revolutionen so lebhafte Klagelieder angestimmt werden,
sollte man dieses Stück wieder allgemein bekannt machen. Man würde daraus
lernen, daß die absolute Monarchie in den Begriffen von Sittlichkeit und Ehre eine
noch gräulichere Verwüstung anrichtet, als der revolutionaire Geist. Der poetische
Uebersetzer scheint von dieser Erkenntniß nicht durchdrungen zu sein, er verhält
sich seinem Stoff gegenüber naiv, und hat noch in den letzten Jahren Soldaten¬
lieder veröffentlicht, die für jenen spanisch monarchischen Geist Propaganda
machen, den das Hans Oestreich als Vermächtnis) jahrhnndertlanger Erbweisheit
zu bewahren scheint.




W o es e n b c r i es t.
Die auswärtige Politik Frankreichs.

Vor dem Staatsstreich vom 2. December 18k>1 sahe» die Staatsmänner Europa'S
mit banger Erwartung dem Frühjahr entgegen, wo, behauptete» sie, el» socialistisch-
revvlurwilaircr Sturm ihre mühsam erbaute» u»d doch so gebrechlichen Kartenhäuser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/360>, abgerufen am 05.12.2024.