Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schaunngen einläßt, ist ein Reichthum, und dabei eine Frische und Innigkeit des
Gemäldes vorhanden, die uns in Erstaunen setzen. Wir sind in Deutschland
überreich an Künstlernovellen, von Tieck bis Ernst Wagner herunter, aber keine
derselben läßt sich mit unsrem Maler Rollen vergleichen; wir können also das
Buch als ein wesentliches Glied in unsrer Literatur bezeichnen.




Aus der Pariser Gesellschaft.

Der Frühling schmollt sast eben so sehr als das Kaiserthum, doch wissen wir
leider nicht zu sagen, welche diplomatische Note diese Vertagung der Wieder¬
herstellung der Lenzherrschaft verursacht oder verschuldet hat. Die Pariser Welt
scheint sich, aber über beide Vertagungen zu trösten; denn nie wol, selbst unter
Louis Philipp nicht, haben die Straßen der Stadt der europäischen Mode ein
so reiches, bewegtes Leben aufzuweisen gehabt, als gerade in diesem Augenblicke.
Longchamps strotzt von Equipagen, deren gepuderter und geschminkter, oft auch
junger und reizender Inhalt dem Bonapartismus beweist, daß das Faubourg
Se. Germain nicht so hö,us quartier sein wolle, wie das quartier IMn, Die
sehr höhere und höchste Aristokratie wetteifern im Prunkstaate mit dem allerhöchsten
Hofe in petto, und man mag nun die Promenaden oder unsre fashionablen Theater be¬
suchen, überall begegnen wir der Elite der Gesellschaft, welche sich aus hochtorystischer
Bouderie vor der Republik hinter ihre Paläste und Hotels entre cour se M-am
verkrochen hatte. Zwar hatten weder die provisorische Regierung, noch Cavaignac,
noch auch der vordecemberliche Louis Bonaparte so viel demokratische Anläufe
genommen als die gegenwärtige Regierung, und zwar in Fragen, in denen die
ahnenstolze Aristokratie sonst eben so wenig Spaß versteht, als die Geldsack-
zuversichtliche, nämlich in finanziellen Angelegenheiten. Und doch ist man jetzt der
besten Hoffnung! vielleicht weil die Fusion guter Hoffnung ist, oder weil die
Auguren 'des Faubourg Se. Germain aus dem Fluge der Vögel in Chambord und
Claremont (lies Wien und Petersburg), oder aus den Eingeweiden der dem
Rachegotte der Reaction geschlachteten Opfer die Aussicht auf eine baldige Erb¬
schaft vorherzusagen bemüht waren. Vielleicht tröstet die hohe Gesellschaft, das
Princip der Aristokratie in der Senatorenkammer anerkannt zu sehen. ... Nicht
wüßte ich alle Wahrscheinlichkeitsgründe anzugeben, welche diese merkwürdige
Metamorphose hervorgebracht; ich beschränke mich darauf, das Factum zu bestätigen.
Es ist sonderbar genug, um erwähnt zu werden. Sogar die Bälle, Soireen
und Bananette des Präsidenten, die Tanzunterhaltungen seiner Minister, werden
nachgerade bestürmt von der einladungssüchtigeu Creme der Gesellschaft, und
Louis Bonaparte darf nun mit Recht an eine eheliche Verbindung denken, es


schaunngen einläßt, ist ein Reichthum, und dabei eine Frische und Innigkeit des
Gemäldes vorhanden, die uns in Erstaunen setzen. Wir sind in Deutschland
überreich an Künstlernovellen, von Tieck bis Ernst Wagner herunter, aber keine
derselben läßt sich mit unsrem Maler Rollen vergleichen; wir können also das
Buch als ein wesentliches Glied in unsrer Literatur bezeichnen.




Aus der Pariser Gesellschaft.

Der Frühling schmollt sast eben so sehr als das Kaiserthum, doch wissen wir
leider nicht zu sagen, welche diplomatische Note diese Vertagung der Wieder¬
herstellung der Lenzherrschaft verursacht oder verschuldet hat. Die Pariser Welt
scheint sich, aber über beide Vertagungen zu trösten; denn nie wol, selbst unter
Louis Philipp nicht, haben die Straßen der Stadt der europäischen Mode ein
so reiches, bewegtes Leben aufzuweisen gehabt, als gerade in diesem Augenblicke.
Longchamps strotzt von Equipagen, deren gepuderter und geschminkter, oft auch
junger und reizender Inhalt dem Bonapartismus beweist, daß das Faubourg
Se. Germain nicht so hö,us quartier sein wolle, wie das quartier IMn, Die
sehr höhere und höchste Aristokratie wetteifern im Prunkstaate mit dem allerhöchsten
Hofe in petto, und man mag nun die Promenaden oder unsre fashionablen Theater be¬
suchen, überall begegnen wir der Elite der Gesellschaft, welche sich aus hochtorystischer
Bouderie vor der Republik hinter ihre Paläste und Hotels entre cour se M-am
verkrochen hatte. Zwar hatten weder die provisorische Regierung, noch Cavaignac,
noch auch der vordecemberliche Louis Bonaparte so viel demokratische Anläufe
genommen als die gegenwärtige Regierung, und zwar in Fragen, in denen die
ahnenstolze Aristokratie sonst eben so wenig Spaß versteht, als die Geldsack-
zuversichtliche, nämlich in finanziellen Angelegenheiten. Und doch ist man jetzt der
besten Hoffnung! vielleicht weil die Fusion guter Hoffnung ist, oder weil die
Auguren 'des Faubourg Se. Germain aus dem Fluge der Vögel in Chambord und
Claremont (lies Wien und Petersburg), oder aus den Eingeweiden der dem
Rachegotte der Reaction geschlachteten Opfer die Aussicht auf eine baldige Erb¬
schaft vorherzusagen bemüht waren. Vielleicht tröstet die hohe Gesellschaft, das
Princip der Aristokratie in der Senatorenkammer anerkannt zu sehen. ... Nicht
wüßte ich alle Wahrscheinlichkeitsgründe anzugeben, welche diese merkwürdige
Metamorphose hervorgebracht; ich beschränke mich darauf, das Factum zu bestätigen.
Es ist sonderbar genug, um erwähnt zu werden. Sogar die Bälle, Soireen
und Bananette des Präsidenten, die Tanzunterhaltungen seiner Minister, werden
nachgerade bestürmt von der einladungssüchtigeu Creme der Gesellschaft, und
Louis Bonaparte darf nun mit Recht an eine eheliche Verbindung denken, es


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94217"/>
            <p xml:id="ID_859" prev="#ID_858"> schaunngen einläßt, ist ein Reichthum, und dabei eine Frische und Innigkeit des<lb/>
Gemäldes vorhanden, die uns in Erstaunen setzen. Wir sind in Deutschland<lb/>
überreich an Künstlernovellen, von Tieck bis Ernst Wagner herunter, aber keine<lb/>
derselben läßt sich mit unsrem Maler Rollen vergleichen; wir können also das<lb/>
Buch als ein wesentliches Glied in unsrer Literatur bezeichnen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus der Pariser Gesellschaft.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_860" next="#ID_861"> Der Frühling schmollt sast eben so sehr als das Kaiserthum, doch wissen wir<lb/>
leider nicht zu sagen, welche diplomatische Note diese Vertagung der Wieder¬<lb/>
herstellung der Lenzherrschaft verursacht oder verschuldet hat. Die Pariser Welt<lb/>
scheint sich, aber über beide Vertagungen zu trösten; denn nie wol, selbst unter<lb/>
Louis Philipp nicht, haben die Straßen der Stadt der europäischen Mode ein<lb/>
so reiches, bewegtes Leben aufzuweisen gehabt, als gerade in diesem Augenblicke.<lb/>
Longchamps strotzt von Equipagen, deren gepuderter und geschminkter, oft auch<lb/>
junger und reizender Inhalt dem Bonapartismus beweist, daß das Faubourg<lb/>
Se. Germain nicht so hö,us quartier sein wolle, wie das quartier IMn, Die<lb/>
sehr höhere und höchste Aristokratie wetteifern im Prunkstaate mit dem allerhöchsten<lb/>
Hofe in petto, und man mag nun die Promenaden oder unsre fashionablen Theater be¬<lb/>
suchen, überall begegnen wir der Elite der Gesellschaft, welche sich aus hochtorystischer<lb/>
Bouderie vor der Republik hinter ihre Paläste und Hotels entre cour se M-am<lb/>
verkrochen hatte. Zwar hatten weder die provisorische Regierung, noch Cavaignac,<lb/>
noch auch der vordecemberliche Louis Bonaparte so viel demokratische Anläufe<lb/>
genommen als die gegenwärtige Regierung, und zwar in Fragen, in denen die<lb/>
ahnenstolze Aristokratie sonst eben so wenig Spaß versteht, als die Geldsack-<lb/>
zuversichtliche, nämlich in finanziellen Angelegenheiten. Und doch ist man jetzt der<lb/>
besten Hoffnung! vielleicht weil die Fusion guter Hoffnung ist, oder weil die<lb/>
Auguren 'des Faubourg Se. Germain aus dem Fluge der Vögel in Chambord und<lb/>
Claremont (lies Wien und Petersburg), oder aus den Eingeweiden der dem<lb/>
Rachegotte der Reaction geschlachteten Opfer die Aussicht auf eine baldige Erb¬<lb/>
schaft vorherzusagen bemüht waren. Vielleicht tröstet die hohe Gesellschaft, das<lb/>
Princip der Aristokratie in der Senatorenkammer anerkannt zu sehen. ... Nicht<lb/>
wüßte ich alle Wahrscheinlichkeitsgründe anzugeben, welche diese merkwürdige<lb/>
Metamorphose hervorgebracht; ich beschränke mich darauf, das Factum zu bestätigen.<lb/>
Es ist sonderbar genug, um erwähnt zu werden. Sogar die Bälle, Soireen<lb/>
und Bananette des Präsidenten, die Tanzunterhaltungen seiner Minister, werden<lb/>
nachgerade bestürmt von der einladungssüchtigeu Creme der Gesellschaft, und<lb/>
Louis Bonaparte darf nun mit Recht an eine eheliche Verbindung denken, es</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0316] schaunngen einläßt, ist ein Reichthum, und dabei eine Frische und Innigkeit des Gemäldes vorhanden, die uns in Erstaunen setzen. Wir sind in Deutschland überreich an Künstlernovellen, von Tieck bis Ernst Wagner herunter, aber keine derselben läßt sich mit unsrem Maler Rollen vergleichen; wir können also das Buch als ein wesentliches Glied in unsrer Literatur bezeichnen. Aus der Pariser Gesellschaft. Der Frühling schmollt sast eben so sehr als das Kaiserthum, doch wissen wir leider nicht zu sagen, welche diplomatische Note diese Vertagung der Wieder¬ herstellung der Lenzherrschaft verursacht oder verschuldet hat. Die Pariser Welt scheint sich, aber über beide Vertagungen zu trösten; denn nie wol, selbst unter Louis Philipp nicht, haben die Straßen der Stadt der europäischen Mode ein so reiches, bewegtes Leben aufzuweisen gehabt, als gerade in diesem Augenblicke. Longchamps strotzt von Equipagen, deren gepuderter und geschminkter, oft auch junger und reizender Inhalt dem Bonapartismus beweist, daß das Faubourg Se. Germain nicht so hö,us quartier sein wolle, wie das quartier IMn, Die sehr höhere und höchste Aristokratie wetteifern im Prunkstaate mit dem allerhöchsten Hofe in petto, und man mag nun die Promenaden oder unsre fashionablen Theater be¬ suchen, überall begegnen wir der Elite der Gesellschaft, welche sich aus hochtorystischer Bouderie vor der Republik hinter ihre Paläste und Hotels entre cour se M-am verkrochen hatte. Zwar hatten weder die provisorische Regierung, noch Cavaignac, noch auch der vordecemberliche Louis Bonaparte so viel demokratische Anläufe genommen als die gegenwärtige Regierung, und zwar in Fragen, in denen die ahnenstolze Aristokratie sonst eben so wenig Spaß versteht, als die Geldsack- zuversichtliche, nämlich in finanziellen Angelegenheiten. Und doch ist man jetzt der besten Hoffnung! vielleicht weil die Fusion guter Hoffnung ist, oder weil die Auguren 'des Faubourg Se. Germain aus dem Fluge der Vögel in Chambord und Claremont (lies Wien und Petersburg), oder aus den Eingeweiden der dem Rachegotte der Reaction geschlachteten Opfer die Aussicht auf eine baldige Erb¬ schaft vorherzusagen bemüht waren. Vielleicht tröstet die hohe Gesellschaft, das Princip der Aristokratie in der Senatorenkammer anerkannt zu sehen. ... Nicht wüßte ich alle Wahrscheinlichkeitsgründe anzugeben, welche diese merkwürdige Metamorphose hervorgebracht; ich beschränke mich darauf, das Factum zu bestätigen. Es ist sonderbar genug, um erwähnt zu werden. Sogar die Bälle, Soireen und Bananette des Präsidenten, die Tanzunterhaltungen seiner Minister, werden nachgerade bestürmt von der einladungssüchtigeu Creme der Gesellschaft, und Louis Bonaparte darf nun mit Recht an eine eheliche Verbindung denken, es

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/316
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/316>, abgerufen am 04.07.2024.