Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Charakterbilder aus der deutschen Restanrations literatur. Karl Immermann, geb. -l7Sö, geht. 18i0. Obgleich sich zwischen der jungdeutschen und der Restaurationsliteratur die Die Restaurationsliteratur charakterisirt eine gewisse Unbefangenheit in Ganz anders wird es bei den Jungdeutschen. Der glänzende Erfolg, Grenzboten. II. 26
Charakterbilder aus der deutschen Restanrations literatur. Karl Immermann, geb. -l7Sö, geht. 18i0. Obgleich sich zwischen der jungdeutschen und der Restaurationsliteratur die Die Restaurationsliteratur charakterisirt eine gewisse Unbefangenheit in Ganz anders wird es bei den Jungdeutschen. Der glänzende Erfolg, Grenzboten. II. 26
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94112"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Charakterbilder aus der deutschen Restanrations<lb/> literatur.</head><lb/> <div n="2"> <head> Karl Immermann,<lb/> geb. -l7Sö, geht. 18i0.</head><lb/> <p xml:id="ID_587"> Obgleich sich zwischen der jungdeutschen und der Restaurationsliteratur die<lb/> Grenzscheide der Zeit nach nicht genau ziehen läßt, da Vorläufer der erstem<lb/> schon vor Heine auftauchen, und Epigonen der letztem sich bis in unsre Tage<lb/> hinziehen, so ist der Unterschied im Charakter dieser beiden Literaturen doch<lb/> ziemlich genan festzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_588"> Die Restaurationsliteratur charakterisirt eine gewisse Unbefangenheit in<lb/> der Befangenheit. Sie zehrt von den Errungenschaften der romantischen Periode;<lb/> fast ein jeder Schriftsteller hat seiue eigene fixe Idee, oder seine Manier, oder<lb/> seine eigenthümliche Weltanschauung, die ihm überliefert ist, und in der er sich<lb/> vollkommen zu Hause fühlt. Und zwar gilt das eben so von den Erben der Ro¬<lb/> mantik, den ritterlichen und katholischen Novellisten, den Kunstnovellisten, den<lb/> Shakspeare-Dramatikem, den Calderon-Dramatikem, bis zu der Schiller'scheu<lb/> Schule und den currenten Schriftstellern der Leihbibliotheken, den Spindler,<lb/> Tromlitz und van der Velde, wie auf der andern Seite von den Wortführern<lb/> der Kotzebue-Jffland'schen Richtung, den Clauren, Schilling und wie sie alle heißen.<lb/> Wenn man alles dieses zusammennimmt, so entsteht eine sehr bunte Welt, die in<lb/> sich nicht den geringsten Zusammenhang hat, in der vielmehr jede einzelne Er¬<lb/> scheinung der andern widerspricht; nimmt man aber jeden Dichter für sich, so<lb/> findet man sich in einer ganz harmonischen Weltanschauung, unter den Troubadouren,<lb/> unter den Kuustdilettanten, unter den Raubrittern, unter den Frommen, unter<lb/> den Rationalisten, unter den Zofen, unter den Fischweibern. Jeder Dichter hat<lb/> sein eigenes Publicum und schreibt in seiner Weise weiter, ohne sich um das<lb/> Fortbestehen des Universums irgendwie Sorge zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_589" next="#ID_590"> Ganz anders wird es bei den Jungdeutschen. Der glänzende Erfolg,<lb/> den Heine's Reisebilder davon trugen, hob die kindliche oder kindische Naivetät<lb/> der Restauration vollständig aus. Man gewöhnte sich daran, jede Sache von</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. 26</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
Charakterbilder aus der deutschen Restanrations
literatur.
Karl Immermann,
geb. -l7Sö, geht. 18i0.
Obgleich sich zwischen der jungdeutschen und der Restaurationsliteratur die
Grenzscheide der Zeit nach nicht genau ziehen läßt, da Vorläufer der erstem
schon vor Heine auftauchen, und Epigonen der letztem sich bis in unsre Tage
hinziehen, so ist der Unterschied im Charakter dieser beiden Literaturen doch
ziemlich genan festzustellen.
Die Restaurationsliteratur charakterisirt eine gewisse Unbefangenheit in
der Befangenheit. Sie zehrt von den Errungenschaften der romantischen Periode;
fast ein jeder Schriftsteller hat seiue eigene fixe Idee, oder seine Manier, oder
seine eigenthümliche Weltanschauung, die ihm überliefert ist, und in der er sich
vollkommen zu Hause fühlt. Und zwar gilt das eben so von den Erben der Ro¬
mantik, den ritterlichen und katholischen Novellisten, den Kunstnovellisten, den
Shakspeare-Dramatikem, den Calderon-Dramatikem, bis zu der Schiller'scheu
Schule und den currenten Schriftstellern der Leihbibliotheken, den Spindler,
Tromlitz und van der Velde, wie auf der andern Seite von den Wortführern
der Kotzebue-Jffland'schen Richtung, den Clauren, Schilling und wie sie alle heißen.
Wenn man alles dieses zusammennimmt, so entsteht eine sehr bunte Welt, die in
sich nicht den geringsten Zusammenhang hat, in der vielmehr jede einzelne Er¬
scheinung der andern widerspricht; nimmt man aber jeden Dichter für sich, so
findet man sich in einer ganz harmonischen Weltanschauung, unter den Troubadouren,
unter den Kuustdilettanten, unter den Raubrittern, unter den Frommen, unter
den Rationalisten, unter den Zofen, unter den Fischweibern. Jeder Dichter hat
sein eigenes Publicum und schreibt in seiner Weise weiter, ohne sich um das
Fortbestehen des Universums irgendwie Sorge zu machen.
Ganz anders wird es bei den Jungdeutschen. Der glänzende Erfolg,
den Heine's Reisebilder davon trugen, hob die kindliche oder kindische Naivetät
der Restauration vollständig aus. Man gewöhnte sich daran, jede Sache von
Grenzboten. II. 26
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |