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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Münsterland im Auge gehabt. Mancherlei Variationen und Neuerungen kommen
natürlich hier, wie in anderen Dingen, vor; besonders weicht 5le Marsch, die
überhaupt vornehmer und hoffärtiger als die Geest ist, von dem aufgestellten
Typus ab, und natürlich wird die Modernistrung, besonders in soweit sie Ver¬
besserung ist, noch weiter greifen. In der Marsch erheben sich die,Mauern, die
das Pinke Rieddach tragen, schon höher, nich sind immer massiv ans Ziegelsteinen
erbaut, die niemals verputzt, sondern nur in den Fugen mit weißen, sorgfältig ,
gezogenen Mörtelstreifen ausgefüllt sind, was sich recht gut ausnimmt. Die an¬
stoßenden Schwein- und SchassMe möchten manchem armen Teufel, der, aus
Schwaben durch Hunger vertrieben, an diesen Marschen vorüber auf dem Dampf¬
schiffe die Weser hinabschwimmt, um sich in Bremerhaven nach Amerika einzu¬
schiffen, eine sehr schone, einladende Wohnung dünken. Das Holzwerk des Dachs
ist meist mit grüner Oelfarbe bemalt, die, wie auch aller Anstrich und "Verputz
in der Stadt, sehr oft erneuert wird. Die Fenster sind größer, und ihre Scheiben
glänzen rein und nen. Ost läuft eine Breterwand quer durch's Haus, um den
Wind von der Feuerstelle abzuhalten. Sind Stallung und Scheune gar neben
das Wohnhaus gestellt, wie das der größere Vorrat!), der hier aufzuspeichern ist,
oft gebietet, und nur etwa durch ein gebrochenes Dach mit ihm vereinigt, so ist
der uralte Charakter dieser Wohnungen zerstört. -- Mehrere Häuser in den Mar¬
schen sind, wie Burgen, ganz mit Wassergräben umgeben, worüber niedliche
Brücken führen.

(Fortsetzung folgt.)




Wochenbericht.
Pariser Botschaften.

Wir haben es längst gefühlt, Louis Bonaparte und seine.Getreuen lassen uns
Nichts mehr zu erfinden übrig. Die Regierung hat es über sich genommen, alle Un¬
möglichkeiten zu Wirklichkeiten zu machen, und es gehört jetzt schon ungewöhnliche
Naivetät dazu, noch über Etwas überrascht zu sein. Wie mag man in Deutschland
nicht die Nase gerümpft haben, wie mitleidig mochte nicht manche Achsel gezuckt wor¬
den sein, als vor geraumer Zeit die Nachricht über den Rhein geschleudert wurde, die
Regierung werde das Tragen von Bärten von Amtswegen verbieten?! Herr Fortoul,
der Unterrichtsminister des zweiten Decembers, hat gezeigt, daß man im Elysüc wirklich
an Aehnliches gedacht habe. Das Kleid macht nicht den Mönch, ist ein Sprich¬
wort, an das Ludwig Napoleon nicht glaubt; er hat es bei seinen Versuchen von
Straßburg und Boulogne bewiesen, so wie er auch seine Dictatur damit einweihte,
ganz Frankreich in Uniformen zu stecken. Die Professoren dürfen nun keine Bärte
mehr tragen; die anderen Beamten werden nächstens eine ähnliche Weisung bekommen,
und falls die von oben ausgehende Mode nicht Wirksamkeit genug besitzen sollte, dem


Münsterland im Auge gehabt. Mancherlei Variationen und Neuerungen kommen
natürlich hier, wie in anderen Dingen, vor; besonders weicht 5le Marsch, die
überhaupt vornehmer und hoffärtiger als die Geest ist, von dem aufgestellten
Typus ab, und natürlich wird die Modernistrung, besonders in soweit sie Ver¬
besserung ist, noch weiter greifen. In der Marsch erheben sich die,Mauern, die
das Pinke Rieddach tragen, schon höher, nich sind immer massiv ans Ziegelsteinen
erbaut, die niemals verputzt, sondern nur in den Fugen mit weißen, sorgfältig ,
gezogenen Mörtelstreifen ausgefüllt sind, was sich recht gut ausnimmt. Die an¬
stoßenden Schwein- und SchassMe möchten manchem armen Teufel, der, aus
Schwaben durch Hunger vertrieben, an diesen Marschen vorüber auf dem Dampf¬
schiffe die Weser hinabschwimmt, um sich in Bremerhaven nach Amerika einzu¬
schiffen, eine sehr schone, einladende Wohnung dünken. Das Holzwerk des Dachs
ist meist mit grüner Oelfarbe bemalt, die, wie auch aller Anstrich und "Verputz
in der Stadt, sehr oft erneuert wird. Die Fenster sind größer, und ihre Scheiben
glänzen rein und nen. Ost läuft eine Breterwand quer durch's Haus, um den
Wind von der Feuerstelle abzuhalten. Sind Stallung und Scheune gar neben
das Wohnhaus gestellt, wie das der größere Vorrat!), der hier aufzuspeichern ist,
oft gebietet, und nur etwa durch ein gebrochenes Dach mit ihm vereinigt, so ist
der uralte Charakter dieser Wohnungen zerstört. — Mehrere Häuser in den Mar¬
schen sind, wie Burgen, ganz mit Wassergräben umgeben, worüber niedliche
Brücken führen.

(Fortsetzung folgt.)




Wochenbericht.
Pariser Botschaften.

Wir haben es längst gefühlt, Louis Bonaparte und seine.Getreuen lassen uns
Nichts mehr zu erfinden übrig. Die Regierung hat es über sich genommen, alle Un¬
möglichkeiten zu Wirklichkeiten zu machen, und es gehört jetzt schon ungewöhnliche
Naivetät dazu, noch über Etwas überrascht zu sein. Wie mag man in Deutschland
nicht die Nase gerümpft haben, wie mitleidig mochte nicht manche Achsel gezuckt wor¬
den sein, als vor geraumer Zeit die Nachricht über den Rhein geschleudert wurde, die
Regierung werde das Tragen von Bärten von Amtswegen verbieten?! Herr Fortoul,
der Unterrichtsminister des zweiten Decembers, hat gezeigt, daß man im Elysüc wirklich
an Aehnliches gedacht habe. Das Kleid macht nicht den Mönch, ist ein Sprich¬
wort, an das Ludwig Napoleon nicht glaubt; er hat es bei seinen Versuchen von
Straßburg und Boulogne bewiesen, so wie er auch seine Dictatur damit einweihte,
ganz Frankreich in Uniformen zu stecken. Die Professoren dürfen nun keine Bärte
mehr tragen; die anderen Beamten werden nächstens eine ähnliche Weisung bekommen,
und falls die von oben ausgehende Mode nicht Wirksamkeit genug besitzen sollte, dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/201>, abgerufen am 24.07.2024.