Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.Für Hrn. Dr. Gutzkow und für Hrn. Heinrich Brockhaus, Redacteur der Deutschen Allgem. Zeitung. Der Verfasser der "Wally" und der "Ritter vom Geist" hat in No. 78 der Da aber bei einem Streit mit Hrn. Dr. Gutzkow für unsere Leser nicht viel Für Hrn. Dr. Gutzkow und für Hrn. Heinrich Brockhaus, Redacteur der Deutschen Allgem. Zeitung. Der Verfasser der „Wally" und der „Ritter vom Geist" hat in No. 78 der Da aber bei einem Streit mit Hrn. Dr. Gutzkow für unsere Leser nicht viel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93733"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Für Hrn. Dr. Gutzkow und für Hrn. Heinrich Brockhaus,<lb/> Redacteur der Deutschen Allgem. Zeitung.</head><lb/> <p xml:id="ID_985"> Der Verfasser der „Wally" und der „Ritter vom Geist" hat in No. 78 der<lb/> Deutsch. Allg. Zeitung die Redacteure der Grenzvoten mit großer Lebhaftigkeit ange¬<lb/> griffen, weil diese Wochenschrift seine Leistungen böswillig beurtheile. Sein Angriff<lb/> hat den passenden Inhalt einer Gutzkow'sehen Beschwerde: er beklagt sich bitter, daß er ver¬<lb/> kannt und verleumdet werde, und sucht die Gegner durch kleine Witze zu stören. Es wird<lb/> den Schuldigen der Vorwurf gemacht, daß sie leichtsinnige Dinge treiben, statt über<lb/> die Ritter vom Geist zu sprechen; es wird den Schuldigen bewiesen, daß sie ihn falsch<lb/> verstanden; es wird ihnen ferner bewiesen, daß sie überhaupt incompetent seien, ihn zu<lb/> beurtheilen, es wird ihnen der bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Rath gegeben,<lb/> doch lieber etwas ganz Anderes zu thun, als sich so zu benehmen, wie sie sich beneh¬<lb/> men; und überdem werden sie mit einer hübschen Menge jener kleinen Prädikate belegt,<lb/> deren menschenfreundliche Absicht ist? den Ertheilenden geistreich, den Beschenkten lächer¬<lb/> lich zu zeigen. Dieser Theil des Angriffs besteht aus einer Anzahl von Ausfällen und<lb/> Vorwürfen, wie sie der gereizte Sinn eines eitlen Mannes in der Eile erfindet und<lb/> eine zornig gesträubte Feder hastig niederschreibe. Es sind einige gute Einfälle darun¬<lb/> ter, aber der Dichter stört sich selbst die Wirkung, weil er in seinem Zorn Ungehöriges<lb/> dazwischen bringt und sich widerspricht. Die Red. der Grenzb. sind blasirte, patschouli-<lb/> angedustete, sybaritische Zimmergärtuer, welche kaltblütig über Cigarrenrauch philosophiren,<lb/> während die letzten acht Bände der Ritter vom Geist und die großen Fragen der Menschheit<lb/> unbesprochcn bleiben. Gut, das ist eine schlechte Behandlung der Menschheit, und verdiente<lb/> einen Tadel, wenn auch in etwas besserer Form. Woher dann aber die mühsam unterdrückte<lb/> immer wieder hervorbrechende Scheu vor der nachtheiligen Wirkung, welche eine ungün¬<lb/> stige Besprechung in den Grenzboten auf den Absatz seiner Bücher ausüben konnte?<lb/> Eine Wirkung/ welche der gekränkte Poet offenbar überschätzt. Woher die Mühe, sich<lb/> selbst und den Lesern zu beweisen, daß „die Wirkung der Grenzboten und der in der<lb/> Gegenwart waltende Sinn für Kunst, Wissenschaft, Politik und öffentliches Leben zwei<lb/> ganz verschiedene Dinge sind." Dieser Satz drückt zwar durchaus'nicht aus, was der<lb/> Angreifende durch ihn sagen will, sondern etwas ganz Unschuldiges, sich von selbst<lb/> Verstehendes; und er enthält eine von den zahlreichen logischen Unklarheiten Gutzkows, bei<lb/> denen sein Mangel an Bildung und Styl peinlich zu Tage kommt; er will aber<lb/> wahrscheinlich darin sagen: das Urtheil der Grenzboten und das Urtheil der guten<lb/> und gebildeten Menschen in der Gegenwart seien sehr von einander verschieden. Warum<lb/> will er das so eifrig deduciren?-Wir fürchten sehr, gerade deshalb, weil wir^ uns zu viel<lb/> für seinen Geschmack mit ihm selbst beschäftigt haben, und weil es ihm sehr bitter ist,<lb/> ein ernstes Urtheil von solchen zu hören, deren kritisches Urtheil er — trotz der<lb/> Schwächen und Einseitigkeiten, welche auch ihnen anhängen mögen — gering zu achten<lb/> nicht im Stande ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_986" next="#ID_987"> Da aber bei einem Streit mit Hrn. Dr. Gutzkow für unsere Leser nicht viel<lb/> herauskommen wird, wenn wir in das Einzelne seiner Vorwürfe eingehen, ^so wollen<lb/> wir der Sache auf den Grund gehen. Gutzkow hat Unrecht, wenn er uns der Ge¬<lb/> hässigkeit gegen ihn beschuldigt. Wir haben im.Gegentheil, seit wir die Grenzboten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0368]
Für Hrn. Dr. Gutzkow und für Hrn. Heinrich Brockhaus,
Redacteur der Deutschen Allgem. Zeitung.
Der Verfasser der „Wally" und der „Ritter vom Geist" hat in No. 78 der
Deutsch. Allg. Zeitung die Redacteure der Grenzvoten mit großer Lebhaftigkeit ange¬
griffen, weil diese Wochenschrift seine Leistungen böswillig beurtheile. Sein Angriff
hat den passenden Inhalt einer Gutzkow'sehen Beschwerde: er beklagt sich bitter, daß er ver¬
kannt und verleumdet werde, und sucht die Gegner durch kleine Witze zu stören. Es wird
den Schuldigen der Vorwurf gemacht, daß sie leichtsinnige Dinge treiben, statt über
die Ritter vom Geist zu sprechen; es wird den Schuldigen bewiesen, daß sie ihn falsch
verstanden; es wird ihnen ferner bewiesen, daß sie überhaupt incompetent seien, ihn zu
beurtheilen, es wird ihnen der bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Rath gegeben,
doch lieber etwas ganz Anderes zu thun, als sich so zu benehmen, wie sie sich beneh¬
men; und überdem werden sie mit einer hübschen Menge jener kleinen Prädikate belegt,
deren menschenfreundliche Absicht ist? den Ertheilenden geistreich, den Beschenkten lächer¬
lich zu zeigen. Dieser Theil des Angriffs besteht aus einer Anzahl von Ausfällen und
Vorwürfen, wie sie der gereizte Sinn eines eitlen Mannes in der Eile erfindet und
eine zornig gesträubte Feder hastig niederschreibe. Es sind einige gute Einfälle darun¬
ter, aber der Dichter stört sich selbst die Wirkung, weil er in seinem Zorn Ungehöriges
dazwischen bringt und sich widerspricht. Die Red. der Grenzb. sind blasirte, patschouli-
angedustete, sybaritische Zimmergärtuer, welche kaltblütig über Cigarrenrauch philosophiren,
während die letzten acht Bände der Ritter vom Geist und die großen Fragen der Menschheit
unbesprochcn bleiben. Gut, das ist eine schlechte Behandlung der Menschheit, und verdiente
einen Tadel, wenn auch in etwas besserer Form. Woher dann aber die mühsam unterdrückte
immer wieder hervorbrechende Scheu vor der nachtheiligen Wirkung, welche eine ungün¬
stige Besprechung in den Grenzboten auf den Absatz seiner Bücher ausüben konnte?
Eine Wirkung/ welche der gekränkte Poet offenbar überschätzt. Woher die Mühe, sich
selbst und den Lesern zu beweisen, daß „die Wirkung der Grenzboten und der in der
Gegenwart waltende Sinn für Kunst, Wissenschaft, Politik und öffentliches Leben zwei
ganz verschiedene Dinge sind." Dieser Satz drückt zwar durchaus'nicht aus, was der
Angreifende durch ihn sagen will, sondern etwas ganz Unschuldiges, sich von selbst
Verstehendes; und er enthält eine von den zahlreichen logischen Unklarheiten Gutzkows, bei
denen sein Mangel an Bildung und Styl peinlich zu Tage kommt; er will aber
wahrscheinlich darin sagen: das Urtheil der Grenzboten und das Urtheil der guten
und gebildeten Menschen in der Gegenwart seien sehr von einander verschieden. Warum
will er das so eifrig deduciren?-Wir fürchten sehr, gerade deshalb, weil wir^ uns zu viel
für seinen Geschmack mit ihm selbst beschäftigt haben, und weil es ihm sehr bitter ist,
ein ernstes Urtheil von solchen zu hören, deren kritisches Urtheil er — trotz der
Schwächen und Einseitigkeiten, welche auch ihnen anhängen mögen — gering zu achten
nicht im Stande ist.
Da aber bei einem Streit mit Hrn. Dr. Gutzkow für unsere Leser nicht viel
herauskommen wird, wenn wir in das Einzelne seiner Vorwürfe eingehen, ^so wollen
wir der Sache auf den Grund gehen. Gutzkow hat Unrecht, wenn er uns der Ge¬
hässigkeit gegen ihn beschuldigt. Wir haben im.Gegentheil, seit wir die Grenzboten
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