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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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wir suchen uns unsrer Haut zu wehren, nicht durch Apostel des Friedens, sondern
mit dem Schwert, und wenn einmal die Nothwendigkeit des Kriegs da ist, die
man allerdings nicht provociren darf, so können mannichfache Vortheile daraus
entspringen: es können Verhältnisse geschlichtet werden, die ans dein Wege ruhiger
Entwickelung kaum eine Gestaltung zulassen, wie z. B. die Dcnrsche Verfassung;
es wird jenes ick'endige Nationalgefühl erregt, welches man nicht schwächen darf,
das vielmehr ein sittliches Moment ist, und durch welches der Einzelne sich jenes
edle Gefühl, einem großen Ganzen anzugehören, vermittelt, den eigentlichen
AdelSl'rief der menschlichen Natur; es wird endlich jene Gewohnheit der Selbst-
sucht, die den irdischen Gewinn zum Mittelpunkt der menschlichen Bestrel'ungen
macht, und der feigen Gedankenlosigkeit, die jede Idee einer Aufopferung ver¬
löre" hat, gewaltsam unterbrochen. Und man wird uns zugestehen, daß zuweilen
die Atmosphäre wirklich so schwer ist, daß auch ein furchtbares Gewitter seine
Berechtigung hat.

Das soll aber im Allgemeinen die Bestrebungen der Friedensfreunde nicht
irren, denn wenn es auch nothwendige und heilsame Kriege giebt, so giebt es
doch noch viel mehr schädliche und uunüjzc, und diese abzuwenden, oder zu ihrer
Abwendung beizutragen, ist eine heilige Aufgabe.




Dramaturgische Miscellen.

Egmont von Goethe. -- Wir fahren fort, bei Gelegenheit der ans dem
Leipziger Theater aufgeführten älteren und neuern Stücke an dieselben einzelne
Bemerkungen anzuknüpfen, theils in Beziehung auf die Dichtung selbst, theils
und hauptsächlich in Beziehung ans die Darstellung. -- Wir beginnen mit Goethe'S
Egmont. Er wird jetzt ziemlich allgemein halb melodramatisch ausgeführt, mit
der Beethovenschc" Musik, und zwar so, daß das ganze Kunstwerk als eine Con-
tinuität erscheint, die Zwischenacte werden völlig durch die Musik ausgefüllt, die
eingestreuten Lieder als Opernarien mit vollständigem Orchester vorgetragen, und
eine ziemliche Reihe der lyrischen Stimmungen, die in dem Stück hervorgerufen
werden solle", durch die Musik vermittelt. -- Obgleich wir nicht läugnen können,
daß eine solche Ausführung wirklich in der Intention des Dichters gelegen hat,
da das ganze Stück, wie die meisten von Goethe, in Nichts weiter besteht, als
in einer Reihe von Stimmungen, die wohl oder übel mit einander in Rapport
gehest werden, so müssen wir doch die Zweckmäßigkeit dieser Methode bestreite".
Zunächst el" ganz äußerlicher Grund. Die Zwischeuacte sind für das Publicum
el" unentbehrliches Bedürfniß. Nicht allein, daß es einige Momente der Samm-
luug braucht, um den eben empfangenen Eindruck kurz zu recapitulire" und da-


wir suchen uns unsrer Haut zu wehren, nicht durch Apostel des Friedens, sondern
mit dem Schwert, und wenn einmal die Nothwendigkeit des Kriegs da ist, die
man allerdings nicht provociren darf, so können mannichfache Vortheile daraus
entspringen: es können Verhältnisse geschlichtet werden, die ans dein Wege ruhiger
Entwickelung kaum eine Gestaltung zulassen, wie z. B. die Dcnrsche Verfassung;
es wird jenes ick'endige Nationalgefühl erregt, welches man nicht schwächen darf,
das vielmehr ein sittliches Moment ist, und durch welches der Einzelne sich jenes
edle Gefühl, einem großen Ganzen anzugehören, vermittelt, den eigentlichen
AdelSl'rief der menschlichen Natur; es wird endlich jene Gewohnheit der Selbst-
sucht, die den irdischen Gewinn zum Mittelpunkt der menschlichen Bestrel'ungen
macht, und der feigen Gedankenlosigkeit, die jede Idee einer Aufopferung ver¬
löre» hat, gewaltsam unterbrochen. Und man wird uns zugestehen, daß zuweilen
die Atmosphäre wirklich so schwer ist, daß auch ein furchtbares Gewitter seine
Berechtigung hat.

Das soll aber im Allgemeinen die Bestrebungen der Friedensfreunde nicht
irren, denn wenn es auch nothwendige und heilsame Kriege giebt, so giebt es
doch noch viel mehr schädliche und uunüjzc, und diese abzuwenden, oder zu ihrer
Abwendung beizutragen, ist eine heilige Aufgabe.




Dramaturgische Miscellen.

Egmont von Goethe. — Wir fahren fort, bei Gelegenheit der ans dem
Leipziger Theater aufgeführten älteren und neuern Stücke an dieselben einzelne
Bemerkungen anzuknüpfen, theils in Beziehung auf die Dichtung selbst, theils
und hauptsächlich in Beziehung ans die Darstellung. — Wir beginnen mit Goethe'S
Egmont. Er wird jetzt ziemlich allgemein halb melodramatisch ausgeführt, mit
der Beethovenschc» Musik, und zwar so, daß das ganze Kunstwerk als eine Con-
tinuität erscheint, die Zwischenacte werden völlig durch die Musik ausgefüllt, die
eingestreuten Lieder als Opernarien mit vollständigem Orchester vorgetragen, und
eine ziemliche Reihe der lyrischen Stimmungen, die in dem Stück hervorgerufen
werden solle», durch die Musik vermittelt. — Obgleich wir nicht läugnen können,
daß eine solche Ausführung wirklich in der Intention des Dichters gelegen hat,
da das ganze Stück, wie die meisten von Goethe, in Nichts weiter besteht, als
in einer Reihe von Stimmungen, die wohl oder übel mit einander in Rapport
gehest werden, so müssen wir doch die Zweckmäßigkeit dieser Methode bestreite».
Zunächst el» ganz äußerlicher Grund. Die Zwischeuacte sind für das Publicum
el» unentbehrliches Bedürfniß. Nicht allein, daß es einige Momente der Samm-
luug braucht, um den eben empfangenen Eindruck kurz zu recapitulire» und da-


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[0277] wir suchen uns unsrer Haut zu wehren, nicht durch Apostel des Friedens, sondern mit dem Schwert, und wenn einmal die Nothwendigkeit des Kriegs da ist, die man allerdings nicht provociren darf, so können mannichfache Vortheile daraus entspringen: es können Verhältnisse geschlichtet werden, die ans dein Wege ruhiger Entwickelung kaum eine Gestaltung zulassen, wie z. B. die Dcnrsche Verfassung; es wird jenes ick'endige Nationalgefühl erregt, welches man nicht schwächen darf, das vielmehr ein sittliches Moment ist, und durch welches der Einzelne sich jenes edle Gefühl, einem großen Ganzen anzugehören, vermittelt, den eigentlichen AdelSl'rief der menschlichen Natur; es wird endlich jene Gewohnheit der Selbst- sucht, die den irdischen Gewinn zum Mittelpunkt der menschlichen Bestrel'ungen macht, und der feigen Gedankenlosigkeit, die jede Idee einer Aufopferung ver¬ löre» hat, gewaltsam unterbrochen. Und man wird uns zugestehen, daß zuweilen die Atmosphäre wirklich so schwer ist, daß auch ein furchtbares Gewitter seine Berechtigung hat. Das soll aber im Allgemeinen die Bestrebungen der Friedensfreunde nicht irren, denn wenn es auch nothwendige und heilsame Kriege giebt, so giebt es doch noch viel mehr schädliche und uunüjzc, und diese abzuwenden, oder zu ihrer Abwendung beizutragen, ist eine heilige Aufgabe. Dramaturgische Miscellen. Egmont von Goethe. — Wir fahren fort, bei Gelegenheit der ans dem Leipziger Theater aufgeführten älteren und neuern Stücke an dieselben einzelne Bemerkungen anzuknüpfen, theils in Beziehung auf die Dichtung selbst, theils und hauptsächlich in Beziehung ans die Darstellung. — Wir beginnen mit Goethe'S Egmont. Er wird jetzt ziemlich allgemein halb melodramatisch ausgeführt, mit der Beethovenschc» Musik, und zwar so, daß das ganze Kunstwerk als eine Con- tinuität erscheint, die Zwischenacte werden völlig durch die Musik ausgefüllt, die eingestreuten Lieder als Opernarien mit vollständigem Orchester vorgetragen, und eine ziemliche Reihe der lyrischen Stimmungen, die in dem Stück hervorgerufen werden solle», durch die Musik vermittelt. — Obgleich wir nicht läugnen können, daß eine solche Ausführung wirklich in der Intention des Dichters gelegen hat, da das ganze Stück, wie die meisten von Goethe, in Nichts weiter besteht, als in einer Reihe von Stimmungen, die wohl oder übel mit einander in Rapport gehest werden, so müssen wir doch die Zweckmäßigkeit dieser Methode bestreite». Zunächst el» ganz äußerlicher Grund. Die Zwischeuacte sind für das Publicum el» unentbehrliches Bedürfniß. Nicht allein, daß es einige Momente der Samm- luug braucht, um den eben empfangenen Eindruck kurz zu recapitulire» und da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/277>, abgerufen am 27.06.2024.