Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.
Ungarische Zustände. Ungarn schwärmt. In diesem Worte liegt das vollständige Bild unsers
Ungarische Zustände. Ungarn schwärmt. In diesem Worte liegt das vollständige Bild unsers <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92787"/> <quote> <lg xml:id="POEMID_27" type="poem"> <l> Sulch' a' Buch, was wievcl hundert Jahre<lb/> Uf'ein Puckel hat, aus fremden Landen<lb/> Und ans fremden Zungen stammt, das is' nich',<lb/> Daß ma' drinne ki'se, wie in dan'n Büchern,<lb/> Die-s-d'der aus der Leihbibliaptheke<lb/> Hüten t'use. Do ha'n der Schriftgelehrten,<lb/> Wenn se uf'in Predigtstuhle papern<lb/> Manchesmal zwee Stunden lang zu nähren,<lb/> Eh-b-se a' klee' numpcrnes Gesetze!<lb/> Vult zwee Zcideln ock vunsammen klauben?<lb/> Uf de Letzte, wenn ber nich' meh' türmen,<lb/> Wir pun hieren blußig, sie pun raten,<lb/> Sey' ber su gescheidt als wie zuvor.</l> <l> Unterdessen Hot fisch rufe Julchen<lb/> Aus 'em Hanse uf a' Hof geschlichen;<lb/> Do begegent' i'r der Schneider-Fritze,<lb/> Dar summt juste ans der Kinderlehre.<lb/> Dän befragt se ooch. — Gerechter Struhsack!<lb/> Wik' fisch dar nich' etwan schäckigt lachen?<lb/> „Pünklich kunnt' ma' drüber war'n," su schreit a';<lb/> „Hot ma' su was Schund d'erhiert, ihr Gänse?!<lb/> Wißt i'r nich', was 'Farr bedeut't? A' Achse<lb/> Is' a' Farr! Und Achsen ausß ma' schlachten."</l> <l> Und de Julchen stellt fisch, wie de Henne<lb/> Wenn se gaarert. „Was? A' 'Farr a' Achse?<lb/> Nee' uf su was, war' isch mei' Läbtage<lb/> Nich' gerathen! — Seyn de 'Farren Achsen?!<lb/> Dcsthalb thun se manchesmal su prnllcn!"</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ungarische Zustände.</head><lb/> <p xml:id="ID_1593" next="#ID_1594"> Ungarn schwärmt. In diesem Worte liegt das vollständige Bild unsers<lb/> unsäglichen Jammers. Sechzehn Monden sind bereits verflossen seit dem ver¬<lb/> hängnisvollen Tage von Vilugos; wir lebten während dieser Zeit in einem Zu¬<lb/> stande, den man gewöhnlich „Frieden" nennt; der Belagerungszustand machte<lb/> jede politische Agitation, ja selbst die Besprechung der untergeordnetsten Regie-<lb/> rungsangelegenheiten unmöglich; das große Heer von Beamten, und die ins<lb/> Unendliche gehenden Negiernngserlasse mahnen uns täglich an die neuen Zustände,<lb/> in die wir gedrängt worden sind, und dennoch wissen wir uns nicht in die ge¬<lb/> gebenen Verhältnisse zu fügen, und unser Volk lebt in einem Zustande der trau-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
Sulch' a' Buch, was wievcl hundert Jahre
Uf'ein Puckel hat, aus fremden Landen
Und ans fremden Zungen stammt, das is' nich',
Daß ma' drinne ki'se, wie in dan'n Büchern,
Die-s-d'der aus der Leihbibliaptheke
Hüten t'use. Do ha'n der Schriftgelehrten,
Wenn se uf'in Predigtstuhle papern
Manchesmal zwee Stunden lang zu nähren,
Eh-b-se a' klee' numpcrnes Gesetze!
Vult zwee Zcideln ock vunsammen klauben?
Uf de Letzte, wenn ber nich' meh' türmen,
Wir pun hieren blußig, sie pun raten,
Sey' ber su gescheidt als wie zuvor. Unterdessen Hot fisch rufe Julchen
Aus 'em Hanse uf a' Hof geschlichen;
Do begegent' i'r der Schneider-Fritze,
Dar summt juste ans der Kinderlehre.
Dän befragt se ooch. — Gerechter Struhsack!
Wik' fisch dar nich' etwan schäckigt lachen?
„Pünklich kunnt' ma' drüber war'n," su schreit a';
„Hot ma' su was Schund d'erhiert, ihr Gänse?!
Wißt i'r nich', was 'Farr bedeut't? A' Achse
Is' a' Farr! Und Achsen ausß ma' schlachten." Und de Julchen stellt fisch, wie de Henne
Wenn se gaarert. „Was? A' 'Farr a' Achse?
Nee' uf su was, war' isch mei' Läbtage
Nich' gerathen! — Seyn de 'Farren Achsen?!
Dcsthalb thun se manchesmal su prnllcn!"
Ungarische Zustände.
Ungarn schwärmt. In diesem Worte liegt das vollständige Bild unsers
unsäglichen Jammers. Sechzehn Monden sind bereits verflossen seit dem ver¬
hängnisvollen Tage von Vilugos; wir lebten während dieser Zeit in einem Zu¬
stande, den man gewöhnlich „Frieden" nennt; der Belagerungszustand machte
jede politische Agitation, ja selbst die Besprechung der untergeordnetsten Regie-
rungsangelegenheiten unmöglich; das große Heer von Beamten, und die ins
Unendliche gehenden Negiernngserlasse mahnen uns täglich an die neuen Zustände,
in die wir gedrängt worden sind, und dennoch wissen wir uns nicht in die ge¬
gebenen Verhältnisse zu fügen, und unser Volk lebt in einem Zustande der trau-
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