Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.die Gefahr des Untergangs übernimmt, bei einem günstigen Erfolg wenigstens ein Zudem steigert die jetzige Wendung der Dinge die Zuversicht, daß das Ende Kleine Correspondenzen. Es darf nicht Wunder nehmen, daß das Ministerium Hassenpflug in der Presse durch¬ die Gefahr des Untergangs übernimmt, bei einem günstigen Erfolg wenigstens ein Zudem steigert die jetzige Wendung der Dinge die Zuversicht, daß das Ende Kleine Correspondenzen. Es darf nicht Wunder nehmen, daß das Ministerium Hassenpflug in der Presse durch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92607"/> <p xml:id="ID_1000" prev="#ID_999"> die Gefahr des Untergangs übernimmt, bei einem günstigen Erfolg wenigstens ein<lb/> bleibender Gewinn zu erwarten ist. So standen die Sachen nicht. Schon war<lb/> die Grundlage der preußischen Macht, das Vertrauen, wenigstens theilweise unter¬<lb/> graben, wenn auch Preußen ans seiner Situation ewig neue Hilfsquellen schöpfen<lb/> wird. Das zweideutige Verfahren seiner Lenker hatte die Stärke und den Muth<lb/> seiner Gegner gekräftigt. Unsere Lage bot wenig Hoffnung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1001"> Zudem steigert die jetzige Wendung der Dinge die Zuversicht, daß das Ende<lb/> des gegenwärtig in Preußen herrschenden Systems nahe bevorsteht. Wir haben<lb/> einen mächtigen Bundesgenossen zu erwarten, der früher gegen uns war, das<lb/> gekränkte Ehrgefühl der preußischen Armee. Die Aufforderung am Schluß<lb/> meines vorigen Briefes an die Kammern, die Novembermänncr um jeden Preis<lb/> zu stürzen, bleibt in voller Kraft. Sie dürfen nicht säumig sein, denn daß jene<lb/> einmal fallen, ist außer Frage, bei der Schnelligkeit aber, in der jetzt die Krisen<lb/> auf einander folgen, handelt eS sich darum, was früher eintritt: ihr Fall oder<lb/> Preußens Untergang.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kleine Correspondenzen.</head><lb/> <div n="2"> <head> </head><lb/> <p xml:id="ID_1002" next="#ID_1003"> Es darf nicht Wunder nehmen, daß das Ministerium Hassenpflug in der Presse durch¬<lb/> weg mit dem Minister Hans Daniel Hassenpflug identificirt worden ist. In der That gingen<lb/> alle ministeriellen Gedanken, Worte und Handlungen von Hassenpflug aus. Auch die<lb/> wichtigsten Angelegenheiten, welche überall sonst nur nach einer Plenarsitzung und in<lb/> Folge eines Collectivvotums zur Vollziehung gebracht werden, wurden von Hassenpflug<lb/> allein beschlossen und ausgeführt. Um nur etwas zu erwähnen, so kam, nachdem<lb/> Hassenpflug die Ständeversammlung hatte auflösen lassen und damit den sslto mortale '<lb/> auch aus dem Schein der Verfassungsmäßigkeit in den unverhüllten Vcrfassnngsbnuh<lb/> vorbereitet oder vielmehr herbeigezwungen hatte, noch etwa eine Stunde später Herr<lb/> Duysing als Commissarius des Finanzministers Lometsch an, um den Ständen ander¬<lb/> weitige Propositionen zu machen, von denen sich Lometsch doch noch ein befriedigendes<lb/> Arrangement mit dem Landtag in der Budgetfrage versprach; so dictirte gradezu Hasscupflug<lb/> die nächtliche „Abreise" des Ministeriums mit dem Kurfürsten, nachdem er diesem —<lb/> was noch nicht widerlegt worden ist — allerhand sonderbare Lügen, wie die von einer<lb/> in den Kasernen ausgebrochenen oder nahe bevorstehenden militärischen Meuterei, vorgemacht<lb/> haben soll. Gerade diese beiden Thatsachen aber sind die entscheidendsten Wendepunkte<lb/> in dem ganzen Verlauf der Dinge, wie wir sie erlebt haben. Die übrigen Minister haben<lb/> um so weniger auch nur einen ernsthaften Versuch gemacht, sich von dem Schulmeistcrscepter<lb/> Hassenpflug's zu emancipiren, als sie im Ansehen bei dem Kurfürsten weit hinter jenem<lb/> zurückstanden, von Haus aus untergeordnete Köpfe waren und uur so viel Courage<lb/> besaßen, um auf dem Wege ,der Staatsverbrechen einem voranschreitenden Führer zu<lb/> folgen, nicht aber, um in eine Linie mit ihm zu treten oder gar ihm voran zu schreiten.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
die Gefahr des Untergangs übernimmt, bei einem günstigen Erfolg wenigstens ein
bleibender Gewinn zu erwarten ist. So standen die Sachen nicht. Schon war
die Grundlage der preußischen Macht, das Vertrauen, wenigstens theilweise unter¬
graben, wenn auch Preußen ans seiner Situation ewig neue Hilfsquellen schöpfen
wird. Das zweideutige Verfahren seiner Lenker hatte die Stärke und den Muth
seiner Gegner gekräftigt. Unsere Lage bot wenig Hoffnung.
Zudem steigert die jetzige Wendung der Dinge die Zuversicht, daß das Ende
des gegenwärtig in Preußen herrschenden Systems nahe bevorsteht. Wir haben
einen mächtigen Bundesgenossen zu erwarten, der früher gegen uns war, das
gekränkte Ehrgefühl der preußischen Armee. Die Aufforderung am Schluß
meines vorigen Briefes an die Kammern, die Novembermänncr um jeden Preis
zu stürzen, bleibt in voller Kraft. Sie dürfen nicht säumig sein, denn daß jene
einmal fallen, ist außer Frage, bei der Schnelligkeit aber, in der jetzt die Krisen
auf einander folgen, handelt eS sich darum, was früher eintritt: ihr Fall oder
Preußens Untergang.
Kleine Correspondenzen.
Es darf nicht Wunder nehmen, daß das Ministerium Hassenpflug in der Presse durch¬
weg mit dem Minister Hans Daniel Hassenpflug identificirt worden ist. In der That gingen
alle ministeriellen Gedanken, Worte und Handlungen von Hassenpflug aus. Auch die
wichtigsten Angelegenheiten, welche überall sonst nur nach einer Plenarsitzung und in
Folge eines Collectivvotums zur Vollziehung gebracht werden, wurden von Hassenpflug
allein beschlossen und ausgeführt. Um nur etwas zu erwähnen, so kam, nachdem
Hassenpflug die Ständeversammlung hatte auflösen lassen und damit den sslto mortale '
auch aus dem Schein der Verfassungsmäßigkeit in den unverhüllten Vcrfassnngsbnuh
vorbereitet oder vielmehr herbeigezwungen hatte, noch etwa eine Stunde später Herr
Duysing als Commissarius des Finanzministers Lometsch an, um den Ständen ander¬
weitige Propositionen zu machen, von denen sich Lometsch doch noch ein befriedigendes
Arrangement mit dem Landtag in der Budgetfrage versprach; so dictirte gradezu Hasscupflug
die nächtliche „Abreise" des Ministeriums mit dem Kurfürsten, nachdem er diesem —
was noch nicht widerlegt worden ist — allerhand sonderbare Lügen, wie die von einer
in den Kasernen ausgebrochenen oder nahe bevorstehenden militärischen Meuterei, vorgemacht
haben soll. Gerade diese beiden Thatsachen aber sind die entscheidendsten Wendepunkte
in dem ganzen Verlauf der Dinge, wie wir sie erlebt haben. Die übrigen Minister haben
um so weniger auch nur einen ernsthaften Versuch gemacht, sich von dem Schulmeistcrscepter
Hassenpflug's zu emancipiren, als sie im Ansehen bei dem Kurfürsten weit hinter jenem
zurückstanden, von Haus aus untergeordnete Köpfe waren und uur so viel Courage
besaßen, um auf dem Wege ,der Staatsverbrechen einem voranschreitenden Führer zu
folgen, nicht aber, um in eine Linie mit ihm zu treten oder gar ihm voran zu schreiten.
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