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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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wird, oder ob die innern Angelegenheiten jeder Nation ihrem Kreistage zuge¬
wiesen werden, hängt es ab, ob das gebrachte Opfer die gewünschten Früchte
tragen wird; ob in fündig Jahren mock) deutsch an den Ufern der Aluta gesprochen
wird; ob der Protestantismus ein unsichtbares, aber festes Band zwischen Deutsch¬
land und der Ostmark Oestreichs knüpft, oder ob das goldne Krenz ans der
griechisch-orientalischen Metropole dem Patriarchen zu Moskau den doppelten Sieg
über Deutschthum und Ketzerglanben verkündet, (ova cien8 bene pereat! --




Korrespondenz aus Wien.
1.

Das östreichische Drama beginnt recht interessant zu werden für das blos zusehende
außeröstrcichische Publicum, obwohl etwas angereifend für diejenigen Mitwirkenden, und
beziehungsweise Mitgewirkteu, welche seit März 18-49 blos als stumme Statisten verwendet
wurden, nämlich für die sogenannten Oestreichs selber. Die merkwürdige Geschichte zu
Kassel, wo sie den Obercommandanten mit gemüthlichem Hausarrest belegten, wird ohne
Zweifel in Oestreich die Armee oder doch ihre Führer bestimmen, einen Contrecoup zu
führen und nächstens nach Prätorianerart einen absoluten Kaiser auszurufen, und dann
wird's endlich gethan sein, was man seit langer Zeit schon spinnt und präparirt in dem
Cabinete des Herrn v. Grünne, in den permanent minirenden Adelscliquen zu Teplitz und
anderwärts. Man wird dann den Soldaten jedes Semester andere Mützen aussetzen,
neue Flitter anhängen, sie werden mit neuen Trommelpauken und neuen Querpfeifer den
Dessauer Marsch aufgespielt bekommen, und dieser wird der Todtenmarsch sein für die
scheintodtgeschlagene Volksfreiheit.

Eine etwas schmerzhafte Operation ist das allerdings, ungeachtet des äthcrisirendcn
seit bald zwei Jahren angewendeten Ausnahmezustandes; aber endlich mag's darum sein,
gibt es kein anderes Heilmittel mehr für Oestreich, nun so versuche man es mit der
Moxa des restaurirten Absolutismus, mit der Wiedereinführung der Hörigkeit, der Robot
und ihren schönen Prügelannexcn, das wird wirken besser als Preßfreiheit, besser als alle
Wühlerei des Jahres 1848. An den heutigen Wühlern der Restauration mögen die
erbärmlichen Mineurs des Jahres 1848 sich ein beschämend Beispiel nehmen, sie sind
geradezu nur Maulwürfe und Hamster, verglichen mit Herrn V. Grünne, seinem litera-
rischen Croupier-Major Barbaczi und dem Ficquelmont'sehen Kongresse zu Teplitz. Gehet
eiues Tages die Mine dieser Herren los, hup! wie fliegt uicht rasch das einige proviso¬
rische Oestreich in definitive Fetzen und begräbt sich in werthlosen Papicrlappen.

Wir wußten'ö lange, daß der Ministerrath eigentlich nur eine gesetzmachende Gesell¬
schaft sei, welche Gesetze erzeugt für eine Zukunft, die niemals kommen soll, während die
thcresianischen Kriegsartikel die eigentliche in Praxi gehandhabte Constitution bilden,
während die Herren Generäle die eigentlichen Minister sind und die executive Macht im
Staate bilden; Letzteres bewiesen und beweisen die vielen Executionen wohl unumstößlich
gcmig.

Nunmehr aber scheint es den Säbelregenten an der Zeit, die sogenannten Minister
ihres Amtes, in welchem man sie bisher wie zu ihrer Privatunterhaltung sich fruchtlos


wird, oder ob die innern Angelegenheiten jeder Nation ihrem Kreistage zuge¬
wiesen werden, hängt es ab, ob das gebrachte Opfer die gewünschten Früchte
tragen wird; ob in fündig Jahren mock) deutsch an den Ufern der Aluta gesprochen
wird; ob der Protestantismus ein unsichtbares, aber festes Band zwischen Deutsch¬
land und der Ostmark Oestreichs knüpft, oder ob das goldne Krenz ans der
griechisch-orientalischen Metropole dem Patriarchen zu Moskau den doppelten Sieg
über Deutschthum und Ketzerglanben verkündet, (ova cien8 bene pereat! —




Korrespondenz aus Wien.
1.

Das östreichische Drama beginnt recht interessant zu werden für das blos zusehende
außeröstrcichische Publicum, obwohl etwas angereifend für diejenigen Mitwirkenden, und
beziehungsweise Mitgewirkteu, welche seit März 18-49 blos als stumme Statisten verwendet
wurden, nämlich für die sogenannten Oestreichs selber. Die merkwürdige Geschichte zu
Kassel, wo sie den Obercommandanten mit gemüthlichem Hausarrest belegten, wird ohne
Zweifel in Oestreich die Armee oder doch ihre Führer bestimmen, einen Contrecoup zu
führen und nächstens nach Prätorianerart einen absoluten Kaiser auszurufen, und dann
wird's endlich gethan sein, was man seit langer Zeit schon spinnt und präparirt in dem
Cabinete des Herrn v. Grünne, in den permanent minirenden Adelscliquen zu Teplitz und
anderwärts. Man wird dann den Soldaten jedes Semester andere Mützen aussetzen,
neue Flitter anhängen, sie werden mit neuen Trommelpauken und neuen Querpfeifer den
Dessauer Marsch aufgespielt bekommen, und dieser wird der Todtenmarsch sein für die
scheintodtgeschlagene Volksfreiheit.

Eine etwas schmerzhafte Operation ist das allerdings, ungeachtet des äthcrisirendcn
seit bald zwei Jahren angewendeten Ausnahmezustandes; aber endlich mag's darum sein,
gibt es kein anderes Heilmittel mehr für Oestreich, nun so versuche man es mit der
Moxa des restaurirten Absolutismus, mit der Wiedereinführung der Hörigkeit, der Robot
und ihren schönen Prügelannexcn, das wird wirken besser als Preßfreiheit, besser als alle
Wühlerei des Jahres 1848. An den heutigen Wühlern der Restauration mögen die
erbärmlichen Mineurs des Jahres 1848 sich ein beschämend Beispiel nehmen, sie sind
geradezu nur Maulwürfe und Hamster, verglichen mit Herrn V. Grünne, seinem litera-
rischen Croupier-Major Barbaczi und dem Ficquelmont'sehen Kongresse zu Teplitz. Gehet
eiues Tages die Mine dieser Herren los, hup! wie fliegt uicht rasch das einige proviso¬
rische Oestreich in definitive Fetzen und begräbt sich in werthlosen Papicrlappen.

Wir wußten'ö lange, daß der Ministerrath eigentlich nur eine gesetzmachende Gesell¬
schaft sei, welche Gesetze erzeugt für eine Zukunft, die niemals kommen soll, während die
thcresianischen Kriegsartikel die eigentliche in Praxi gehandhabte Constitution bilden,
während die Herren Generäle die eigentlichen Minister sind und die executive Macht im
Staate bilden; Letzteres bewiesen und beweisen die vielen Executionen wohl unumstößlich
gcmig.

Nunmehr aber scheint es den Säbelregenten an der Zeit, die sogenannten Minister
ihres Amtes, in welchem man sie bisher wie zu ihrer Privatunterhaltung sich fruchtlos


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[0154] wird, oder ob die innern Angelegenheiten jeder Nation ihrem Kreistage zuge¬ wiesen werden, hängt es ab, ob das gebrachte Opfer die gewünschten Früchte tragen wird; ob in fündig Jahren mock) deutsch an den Ufern der Aluta gesprochen wird; ob der Protestantismus ein unsichtbares, aber festes Band zwischen Deutsch¬ land und der Ostmark Oestreichs knüpft, oder ob das goldne Krenz ans der griechisch-orientalischen Metropole dem Patriarchen zu Moskau den doppelten Sieg über Deutschthum und Ketzerglanben verkündet, (ova cien8 bene pereat! — Korrespondenz aus Wien. 1. Das östreichische Drama beginnt recht interessant zu werden für das blos zusehende außeröstrcichische Publicum, obwohl etwas angereifend für diejenigen Mitwirkenden, und beziehungsweise Mitgewirkteu, welche seit März 18-49 blos als stumme Statisten verwendet wurden, nämlich für die sogenannten Oestreichs selber. Die merkwürdige Geschichte zu Kassel, wo sie den Obercommandanten mit gemüthlichem Hausarrest belegten, wird ohne Zweifel in Oestreich die Armee oder doch ihre Führer bestimmen, einen Contrecoup zu führen und nächstens nach Prätorianerart einen absoluten Kaiser auszurufen, und dann wird's endlich gethan sein, was man seit langer Zeit schon spinnt und präparirt in dem Cabinete des Herrn v. Grünne, in den permanent minirenden Adelscliquen zu Teplitz und anderwärts. Man wird dann den Soldaten jedes Semester andere Mützen aussetzen, neue Flitter anhängen, sie werden mit neuen Trommelpauken und neuen Querpfeifer den Dessauer Marsch aufgespielt bekommen, und dieser wird der Todtenmarsch sein für die scheintodtgeschlagene Volksfreiheit. Eine etwas schmerzhafte Operation ist das allerdings, ungeachtet des äthcrisirendcn seit bald zwei Jahren angewendeten Ausnahmezustandes; aber endlich mag's darum sein, gibt es kein anderes Heilmittel mehr für Oestreich, nun so versuche man es mit der Moxa des restaurirten Absolutismus, mit der Wiedereinführung der Hörigkeit, der Robot und ihren schönen Prügelannexcn, das wird wirken besser als Preßfreiheit, besser als alle Wühlerei des Jahres 1848. An den heutigen Wühlern der Restauration mögen die erbärmlichen Mineurs des Jahres 1848 sich ein beschämend Beispiel nehmen, sie sind geradezu nur Maulwürfe und Hamster, verglichen mit Herrn V. Grünne, seinem litera- rischen Croupier-Major Barbaczi und dem Ficquelmont'sehen Kongresse zu Teplitz. Gehet eiues Tages die Mine dieser Herren los, hup! wie fliegt uicht rasch das einige proviso¬ rische Oestreich in definitive Fetzen und begräbt sich in werthlosen Papicrlappen. Wir wußten'ö lange, daß der Ministerrath eigentlich nur eine gesetzmachende Gesell¬ schaft sei, welche Gesetze erzeugt für eine Zukunft, die niemals kommen soll, während die thcresianischen Kriegsartikel die eigentliche in Praxi gehandhabte Constitution bilden, während die Herren Generäle die eigentlichen Minister sind und die executive Macht im Staate bilden; Letzteres bewiesen und beweisen die vielen Executionen wohl unumstößlich gcmig. Nunmehr aber scheint es den Säbelregenten an der Zeit, die sogenannten Minister ihres Amtes, in welchem man sie bisher wie zu ihrer Privatunterhaltung sich fruchtlos

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/154>, abgerufen am 24.08.2024.