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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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nicht gelänge, in nur einen Funken von Zuneigung für sie zu erwecken, so stände
es mir ja immer noch frei, sie in Trapezunt oder Konstantinopel zu verkaufen.
Mit einigem Selbstgefühl gab sie mir dabei zu verstehen, der Preis für eine
solche Schone werde doch in den genannten Städten kein allzu geringer sein.

Wie sehr mir auch diese materielle Anschauungsweise mißfiel, und wie sehr
überhaupt das Benehmen Nino's meinen Gefühlen widerstrebte, so war ich doch
dergestalt bezaubert von der Schönheit dieses formvollendeten Mädchens, daß ich
wirklich einen Augenblick schwankend wurde in meinem Entschlüsse. Aber der
Kampf war nur ein kurzer.

Und ich muß der Wahrheit die Ehre geben und gestehen, daß, wenn ich mich
hätte entschließen können, eines der beiden lieblichen Wesen mitzunehmen, ich nicht
Nino, souderu Thamar, ihre minder schone Schwester, gewählt haben würde.

So aber blieben sie beide zurück, und ich verließ Osurgethi zwei Tage später,
nachdem ich das Pferd durch Vermittelung des Polen zu einem geringen Preise
verkauft hatte.


2. Das Christenthum in Rußland.

Es war am Vorabend meiner Abreise von Osurgethi. Giorgi packte meine
Sachen ein, während ich Anstalt traf, mir Thee zu bereiten, ein Geschäft, das
ich immer selbst verrichtete, seit es sich einmal ereignet hatte, daß mir Giorgi
auf unserer Wanderung dnrch's Paschalik Achalzich aus Versehen persisches Jn¬
sektenpulver statt des Thee's in deu Topf geschüttet und den schonen Thee dafür
in's Bett gestreut hatte, um das Ungeziefer des Hauses dadurch fern zu halten.

Verfehlte der Thee seine Wirkung ans das Ungeziefer, so wirkte das ur¬
sprünglich für dieses bestimmte Pulver auf mich desto stärker, und geplagt von
Innen und Außen brachte ich eine schreckliche Nacht zu.

Ich hatte natürlich beim Trinken gemerkt, daß etwas Absonderliches mit dem
Thee vorgegangen sein müßte, aber schrieb es Anfangs der starken Beimischung
von Rum zu, bis ich zufällig der Sache auf den Grund kam.

Doch kehren wir von dieser kleinen Abschweifung zurück zu unserer Geschichte!

Giorgi zeigte sich bei dem Einpacken so zerstreut und schnitt so dcmuthsvoll-
verlegene Mienen, wie ich Aehnliches früher nie an ihm bemerkt. Alle Augen¬
blicke machte er sich um meine Person zu schaffe" und sah mich dann immer so
verlegen an, als ob er etwas Schweres auf dein Herzen habe und doch nicht wage,
damit herauszurücken.

Ich hatte die Kanne vom Roste genommen, um mir Thee einzuschenken, wo¬
bei ich mich statt einer Tasse meines großen Neisebechers bediente, und eben
wollte ich den Trank an die Lippen bringen, nachdem ich den überheißen Topf
ans den Tisch gestellt, als Giorgi ans den Kohlenbehälter zustürzte und mit ängst¬
licher Hast die Kanne wieder auf den Rost setzte. "Aga! Aga! was haben Sie


nicht gelänge, in nur einen Funken von Zuneigung für sie zu erwecken, so stände
es mir ja immer noch frei, sie in Trapezunt oder Konstantinopel zu verkaufen.
Mit einigem Selbstgefühl gab sie mir dabei zu verstehen, der Preis für eine
solche Schone werde doch in den genannten Städten kein allzu geringer sein.

Wie sehr mir auch diese materielle Anschauungsweise mißfiel, und wie sehr
überhaupt das Benehmen Nino's meinen Gefühlen widerstrebte, so war ich doch
dergestalt bezaubert von der Schönheit dieses formvollendeten Mädchens, daß ich
wirklich einen Augenblick schwankend wurde in meinem Entschlüsse. Aber der
Kampf war nur ein kurzer.

Und ich muß der Wahrheit die Ehre geben und gestehen, daß, wenn ich mich
hätte entschließen können, eines der beiden lieblichen Wesen mitzunehmen, ich nicht
Nino, souderu Thamar, ihre minder schone Schwester, gewählt haben würde.

So aber blieben sie beide zurück, und ich verließ Osurgethi zwei Tage später,
nachdem ich das Pferd durch Vermittelung des Polen zu einem geringen Preise
verkauft hatte.


2. Das Christenthum in Rußland.

Es war am Vorabend meiner Abreise von Osurgethi. Giorgi packte meine
Sachen ein, während ich Anstalt traf, mir Thee zu bereiten, ein Geschäft, das
ich immer selbst verrichtete, seit es sich einmal ereignet hatte, daß mir Giorgi
auf unserer Wanderung dnrch's Paschalik Achalzich aus Versehen persisches Jn¬
sektenpulver statt des Thee's in deu Topf geschüttet und den schonen Thee dafür
in's Bett gestreut hatte, um das Ungeziefer des Hauses dadurch fern zu halten.

Verfehlte der Thee seine Wirkung ans das Ungeziefer, so wirkte das ur¬
sprünglich für dieses bestimmte Pulver auf mich desto stärker, und geplagt von
Innen und Außen brachte ich eine schreckliche Nacht zu.

Ich hatte natürlich beim Trinken gemerkt, daß etwas Absonderliches mit dem
Thee vorgegangen sein müßte, aber schrieb es Anfangs der starken Beimischung
von Rum zu, bis ich zufällig der Sache auf den Grund kam.

Doch kehren wir von dieser kleinen Abschweifung zurück zu unserer Geschichte!

Giorgi zeigte sich bei dem Einpacken so zerstreut und schnitt so dcmuthsvoll-
verlegene Mienen, wie ich Aehnliches früher nie an ihm bemerkt. Alle Augen¬
blicke machte er sich um meine Person zu schaffe» und sah mich dann immer so
verlegen an, als ob er etwas Schweres auf dein Herzen habe und doch nicht wage,
damit herauszurücken.

Ich hatte die Kanne vom Roste genommen, um mir Thee einzuschenken, wo¬
bei ich mich statt einer Tasse meines großen Neisebechers bediente, und eben
wollte ich den Trank an die Lippen bringen, nachdem ich den überheißen Topf
ans den Tisch gestellt, als Giorgi ans den Kohlenbehälter zustürzte und mit ängst¬
licher Hast die Kanne wieder auf den Rost setzte. „Aga! Aga! was haben Sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/264>, abgerufen am 27.07.2024.