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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Wir enthalten uns vorläufig einer Kritik dieses Entwurfs, und sägen nur
noch die Bemerkung hinzu, daß es wünschenswerth wäre, wenn sich die preußische
Negierung eben so offen erklären möchte. Diese Ideen sind allerdings etwas
wesentlich Anderes, als unsere Partei in Frankfurt und Gotha erstrebt hat; sie
enthalten aber wenigstens ein faßliches Bild, über welches, wie jetzt die
Sachen liegen, eine Verständigung sowohl mit den Kleindeutscheu, als mit
denjenigen unter deu Großdeutscheu, die noch uicht alle" Verstand verloren haben,
denkbar ist. An einen Uuionskrieg gegen Oestreich denkt unter den gegen¬
wärtigen Umständen wohl kein Einziger unserer Partei.




Der erste Seekampf der Schleswig-Holsteiner.

Nach einer schlaflosen Nacht schreibe ich Ihnen folgende flüchtige Skizzirung
des ersten holsteinisch-dänischen Seeabenteuers. Meine Zeilen sind vielleicht nicht
ganz werthlos, weil ich Angenzeuge des blutigen Nachtstücks war, mit welchem
der Krieg ernsthaft begonnen hat. Reflexionen dürfen Sie nicht erwarten, das
Gemüth des Zuschauers wogt noch wie die See nach dem Sturm. Nur so viel
im Voraus: einen schwarzen Rand verdient meine Meldung nicht. Abergläubische
Kopfhänger werden den Anfang ein böses Omen nennen, muthige Herzen rufen:
Nein, und abermals Nein! Unsere junge Flagge kämpft gegen dänische Uebermacht,
aber Gott Lob! sie kann ihre erste Brandwunde mit Ehren zeigen!

Preußen, sagt man, hat im Frieden vom 2. Juli der russischen Einmischung
einen Riegel vorgeschoben, auch England duldet keine offene Parteinahme Ruß-
lands, aber die Segel des Czaren umflattern drohend die Küsten Schleswigs.
Unser Volk läßt sich auch vom nordischen Popanz nicht einschüchtern; die Russen
"beobachten" ja blos, um ihre Erfahrung zu bereichern, wie Brünnow in London
erklärt haben soll, aber Roth thäte es, daß eine englische Flottille die russischen
Beobachter beobachtete, denn gewiß ist? daß ihre Studien den Dänen zu Gute
kommen; sie stgnalisircu, telegraphireu und spioniren für die Dänen nach Herzenslust
und werden in dieser Dienstfertigkeit von Lübeck und Travemünde ans mit kos¬
mopolitischen Edelmuth unterstützt. Dänemark, sagt man, hat sich verpflichtet,
Holstein nicht anzugreifen, ehe der Bund oder das Bundesplenum oder der Bun-


Wir enthalten uns vorläufig einer Kritik dieses Entwurfs, und sägen nur
noch die Bemerkung hinzu, daß es wünschenswerth wäre, wenn sich die preußische
Negierung eben so offen erklären möchte. Diese Ideen sind allerdings etwas
wesentlich Anderes, als unsere Partei in Frankfurt und Gotha erstrebt hat; sie
enthalten aber wenigstens ein faßliches Bild, über welches, wie jetzt die
Sachen liegen, eine Verständigung sowohl mit den Kleindeutscheu, als mit
denjenigen unter deu Großdeutscheu, die noch uicht alle« Verstand verloren haben,
denkbar ist. An einen Uuionskrieg gegen Oestreich denkt unter den gegen¬
wärtigen Umständen wohl kein Einziger unserer Partei.




Der erste Seekampf der Schleswig-Holsteiner.

Nach einer schlaflosen Nacht schreibe ich Ihnen folgende flüchtige Skizzirung
des ersten holsteinisch-dänischen Seeabenteuers. Meine Zeilen sind vielleicht nicht
ganz werthlos, weil ich Angenzeuge des blutigen Nachtstücks war, mit welchem
der Krieg ernsthaft begonnen hat. Reflexionen dürfen Sie nicht erwarten, das
Gemüth des Zuschauers wogt noch wie die See nach dem Sturm. Nur so viel
im Voraus: einen schwarzen Rand verdient meine Meldung nicht. Abergläubische
Kopfhänger werden den Anfang ein böses Omen nennen, muthige Herzen rufen:
Nein, und abermals Nein! Unsere junge Flagge kämpft gegen dänische Uebermacht,
aber Gott Lob! sie kann ihre erste Brandwunde mit Ehren zeigen!

Preußen, sagt man, hat im Frieden vom 2. Juli der russischen Einmischung
einen Riegel vorgeschoben, auch England duldet keine offene Parteinahme Ruß-
lands, aber die Segel des Czaren umflattern drohend die Küsten Schleswigs.
Unser Volk läßt sich auch vom nordischen Popanz nicht einschüchtern; die Russen
„beobachten" ja blos, um ihre Erfahrung zu bereichern, wie Brünnow in London
erklärt haben soll, aber Roth thäte es, daß eine englische Flottille die russischen
Beobachter beobachtete, denn gewiß ist? daß ihre Studien den Dänen zu Gute
kommen; sie stgnalisircu, telegraphireu und spioniren für die Dänen nach Herzenslust
und werden in dieser Dienstfertigkeit von Lübeck und Travemünde ans mit kos¬
mopolitischen Edelmuth unterstützt. Dänemark, sagt man, hat sich verpflichtet,
Holstein nicht anzugreifen, ehe der Bund oder das Bundesplenum oder der Bun-


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[0183] Wir enthalten uns vorläufig einer Kritik dieses Entwurfs, und sägen nur noch die Bemerkung hinzu, daß es wünschenswerth wäre, wenn sich die preußische Negierung eben so offen erklären möchte. Diese Ideen sind allerdings etwas wesentlich Anderes, als unsere Partei in Frankfurt und Gotha erstrebt hat; sie enthalten aber wenigstens ein faßliches Bild, über welches, wie jetzt die Sachen liegen, eine Verständigung sowohl mit den Kleindeutscheu, als mit denjenigen unter deu Großdeutscheu, die noch uicht alle« Verstand verloren haben, denkbar ist. An einen Uuionskrieg gegen Oestreich denkt unter den gegen¬ wärtigen Umständen wohl kein Einziger unserer Partei. Der erste Seekampf der Schleswig-Holsteiner. Nach einer schlaflosen Nacht schreibe ich Ihnen folgende flüchtige Skizzirung des ersten holsteinisch-dänischen Seeabenteuers. Meine Zeilen sind vielleicht nicht ganz werthlos, weil ich Angenzeuge des blutigen Nachtstücks war, mit welchem der Krieg ernsthaft begonnen hat. Reflexionen dürfen Sie nicht erwarten, das Gemüth des Zuschauers wogt noch wie die See nach dem Sturm. Nur so viel im Voraus: einen schwarzen Rand verdient meine Meldung nicht. Abergläubische Kopfhänger werden den Anfang ein böses Omen nennen, muthige Herzen rufen: Nein, und abermals Nein! Unsere junge Flagge kämpft gegen dänische Uebermacht, aber Gott Lob! sie kann ihre erste Brandwunde mit Ehren zeigen! Preußen, sagt man, hat im Frieden vom 2. Juli der russischen Einmischung einen Riegel vorgeschoben, auch England duldet keine offene Parteinahme Ruß- lands, aber die Segel des Czaren umflattern drohend die Küsten Schleswigs. Unser Volk läßt sich auch vom nordischen Popanz nicht einschüchtern; die Russen „beobachten" ja blos, um ihre Erfahrung zu bereichern, wie Brünnow in London erklärt haben soll, aber Roth thäte es, daß eine englische Flottille die russischen Beobachter beobachtete, denn gewiß ist? daß ihre Studien den Dänen zu Gute kommen; sie stgnalisircu, telegraphireu und spioniren für die Dänen nach Herzenslust und werden in dieser Dienstfertigkeit von Lübeck und Travemünde ans mit kos¬ mopolitischen Edelmuth unterstützt. Dänemark, sagt man, hat sich verpflichtet, Holstein nicht anzugreifen, ehe der Bund oder das Bundesplenum oder der Bun-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/183>, abgerufen am 27.07.2024.