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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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bringen wird. Der zum Mehlhändler avancirte Reiter-Unteroffizier hätte die
bettelnde Zigeunerin vielleicht später mit harten Worten von seiner Thür gewiesen.
Die Reiter aber werden noch lange in ihrer Heimat!) von dem "schwarzbraunen
Zigeuner-Mägdlein" dort oben ans der jütländischen Haide zu erzählen wissen.
Sie war ein guter Stoss zu einem Volks- oder Soldatcnliede. --




Qestreichische Finanzen.
2.
Die neue Anleihe in Italien.

Das erste Halbjahr des neuen Verwaltungsjahres geht zu Ende und der
Minister ist uoch im Rückstände mit der Rechnungsablegung für das letzte Quartal
des alten Verwaltungsjahreö. Trotz wiederholter ministerieller Zusage, monat¬
lich den NnSwciö über Staats-Nnsgaben und Einnahmen zu liefern, und un¬
geachtet Se. Majestät selbst die Veröffentlichung desselben geboten, bleibt seit
9 Monaten das Budget ein Geheimniß.

Das Deficit ist trotzdem im Allgemeinen bekannt; allein zu den Schwindeleien,
welche der Finanzminister anzuwenden genöthigt ist, braucht er dieses Dunkel.
Er will p. v. uicht wissen lassen, daß die sardinische Entschädigung längst an der
Pariser Börse verwerthet, und uicht, wie stipulirt und vom Kaiser sanctionirt,
an die Bank abgegeben, sondern für Militärbcdarf verwendet wurde. Der Baar-
schätz der Bank konnte sich daher nicht namhaft vermehren, sondern es verminderte
sich blos die Anzahl der Banknoten.

Die Finanzcommissivn, welche der Minister nach seiner Wahl berief, hüllt
ihre Berathungen in ziemlich dichte Schleier. Wenn man diesen Vertranens-
mänueru auch zutrauen wollte, sie würde" selbstständig und energisch ihre An¬
sichten gegen das sie berufende Ministerium vor den Thron bringen, so muß mau
doch eingestehen, daß diese eben so wenig wie irgend ein Privatmann den Finanz¬
übeln abzuhelfen vermögen. Nach fast Zjähriger unumschränkter Verwaltung des
Finanzdepartements steht Herr Baron Kraus ans derselben Stufe mäklerischer Ge-
bahrung wie vordem; vom Tag auf den Tag zehrend haben alle seine Anstalten
das Gepräge bettelhafter Fristenö. Das Vertrauen und der Credit lassen sich
nicht durch kümmerliche Ordonnanzen und trughaste Darstellungen gewinnen, und
ohne Credit und Vertrauen ist dem finanziell so schwer heimgesuchten Oestreich
keine Abhilfe zu verschaffen. Der Reichstag könnte, wenn ihm die Regierung
uicht von vornherein Macht und Ansehen raubt und ihn blos zur Puppe macht,
eine großartige Maßregel, z. B. die Ausgabe von Reichsscheinen gutheißen,


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bringen wird. Der zum Mehlhändler avancirte Reiter-Unteroffizier hätte die
bettelnde Zigeunerin vielleicht später mit harten Worten von seiner Thür gewiesen.
Die Reiter aber werden noch lange in ihrer Heimat!) von dem „schwarzbraunen
Zigeuner-Mägdlein" dort oben ans der jütländischen Haide zu erzählen wissen.
Sie war ein guter Stoss zu einem Volks- oder Soldatcnliede. —




Qestreichische Finanzen.
2.
Die neue Anleihe in Italien.

Das erste Halbjahr des neuen Verwaltungsjahres geht zu Ende und der
Minister ist uoch im Rückstände mit der Rechnungsablegung für das letzte Quartal
des alten Verwaltungsjahreö. Trotz wiederholter ministerieller Zusage, monat¬
lich den NnSwciö über Staats-Nnsgaben und Einnahmen zu liefern, und un¬
geachtet Se. Majestät selbst die Veröffentlichung desselben geboten, bleibt seit
9 Monaten das Budget ein Geheimniß.

Das Deficit ist trotzdem im Allgemeinen bekannt; allein zu den Schwindeleien,
welche der Finanzminister anzuwenden genöthigt ist, braucht er dieses Dunkel.
Er will p. v. uicht wissen lassen, daß die sardinische Entschädigung längst an der
Pariser Börse verwerthet, und uicht, wie stipulirt und vom Kaiser sanctionirt,
an die Bank abgegeben, sondern für Militärbcdarf verwendet wurde. Der Baar-
schätz der Bank konnte sich daher nicht namhaft vermehren, sondern es verminderte
sich blos die Anzahl der Banknoten.

Die Finanzcommissivn, welche der Minister nach seiner Wahl berief, hüllt
ihre Berathungen in ziemlich dichte Schleier. Wenn man diesen Vertranens-
mänueru auch zutrauen wollte, sie würde» selbstständig und energisch ihre An¬
sichten gegen das sie berufende Ministerium vor den Thron bringen, so muß mau
doch eingestehen, daß diese eben so wenig wie irgend ein Privatmann den Finanz¬
übeln abzuhelfen vermögen. Nach fast Zjähriger unumschränkter Verwaltung des
Finanzdepartements steht Herr Baron Kraus ans derselben Stufe mäklerischer Ge-
bahrung wie vordem; vom Tag auf den Tag zehrend haben alle seine Anstalten
das Gepräge bettelhafter Fristenö. Das Vertrauen und der Credit lassen sich
nicht durch kümmerliche Ordonnanzen und trughaste Darstellungen gewinnen, und
ohne Credit und Vertrauen ist dem finanziell so schwer heimgesuchten Oestreich
keine Abhilfe zu verschaffen. Der Reichstag könnte, wenn ihm die Regierung
uicht von vornherein Macht und Ansehen raubt und ihn blos zur Puppe macht,
eine großartige Maßregel, z. B. die Ausgabe von Reichsscheinen gutheißen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/267>, abgerufen am 22.07.2024.