Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsche Frage in der zweiten sächsischen Kammer.



Unter dem noch frischen Eindrucke jener tröst- und resultatlosen Abstimmung
der ersten Kammer, ging die zweite an die Berathung der deutschen Frage. Der
Ausschuß dieser Letztern hatte schon vor den Verhandlungen in der ersten Kam¬
mer Beschlüsse über die Anträge gefaßt, welche er seiner Kanuner empfehlen
wollte; er ließ sich durch den unglücklichen Ausgang jener Verhandlungen in dem
einmal Beschlossenen nicht beirren. Dieser Ausschuß bestand aus sieben Mitgliedern,
von denen zwei (Dieskau und Ziesler) der Linken, eines (Naschig) dem seit
Neujahr entstandenen Centrum, die vier übrigen (Braun, Biedermann,
.Koch, Schwarze) der Rechten angehörten. Die Majorität davon war über¬
wiegend für den Anschluß an deu Bundesstaat. Fünf Mitglieder nahmen die
Carlowitzschen Anträge in Betreff der.Beschickung deö Verwaltungsrathes und
des Reichstags wieder auf, fügten aber einige Garantien im Interesse der Frei¬
heit hinzu, namentlich bezüglich der Ausführung deS Wahlgesetzes, verwendeten
sich endlich für beharrliches Unterhandeln mit Baiern und Würtemberg wegen
ihrer Antheilnahme am Bundesstaat, so wie mit Oestreich wegen der Union. Die
beiden sich Ausschließenden waren Dies kau und Zieöler, von denen der Erstere
ein von Frankfurt her bekannter Parteigänger der äußersten republikanischen Lin¬
ken die Mammenschen Anträge im Wesentlichen wieder aufnahm, Zinsler aber
sich seine Entschließung, wie Joseph, vorbehielt. Außerdem empfahl der Aus¬
schuß der Kammer einen allgemeinen Antrag des Inhalts: "sie möge als ihre feste
Ueberzeugung gegen die Regierung aussprechen, daß sie eine schleunige und
unverzögerte Erledigung der deutschen Verfassungsfrage im Geiste der, schon
von der Nationalversammlung zu Frankfurt angestrebten, Begründung eines B u u -
desstaatö mit parlamentarischer Regierung und einer aus Wahlen
des Volkes hervorgehenden G esammtvertretnn g als unerläßliche Bedin¬
gung nicht allein der Herstellung eines geordneten und dauernden Zustandes der
allgemeinen deutscheu Verhältnisse, sondern insbesondere auch eine gedeihliche
Entwickelung der innern sächsischen Angelegenheiten und einer ersprießlichen Thä¬
tigkeit der sächsischen Volksvertretung betrachte/'' Offenbar war dieser ^Antrag,


GvcnMm. II- I8S0. 1<;
Die deutsche Frage in der zweiten sächsischen Kammer.



Unter dem noch frischen Eindrucke jener tröst- und resultatlosen Abstimmung
der ersten Kammer, ging die zweite an die Berathung der deutschen Frage. Der
Ausschuß dieser Letztern hatte schon vor den Verhandlungen in der ersten Kam¬
mer Beschlüsse über die Anträge gefaßt, welche er seiner Kanuner empfehlen
wollte; er ließ sich durch den unglücklichen Ausgang jener Verhandlungen in dem
einmal Beschlossenen nicht beirren. Dieser Ausschuß bestand aus sieben Mitgliedern,
von denen zwei (Dieskau und Ziesler) der Linken, eines (Naschig) dem seit
Neujahr entstandenen Centrum, die vier übrigen (Braun, Biedermann,
.Koch, Schwarze) der Rechten angehörten. Die Majorität davon war über¬
wiegend für den Anschluß an deu Bundesstaat. Fünf Mitglieder nahmen die
Carlowitzschen Anträge in Betreff der.Beschickung deö Verwaltungsrathes und
des Reichstags wieder auf, fügten aber einige Garantien im Interesse der Frei¬
heit hinzu, namentlich bezüglich der Ausführung deS Wahlgesetzes, verwendeten
sich endlich für beharrliches Unterhandeln mit Baiern und Würtemberg wegen
ihrer Antheilnahme am Bundesstaat, so wie mit Oestreich wegen der Union. Die
beiden sich Ausschließenden waren Dies kau und Zieöler, von denen der Erstere
ein von Frankfurt her bekannter Parteigänger der äußersten republikanischen Lin¬
ken die Mammenschen Anträge im Wesentlichen wieder aufnahm, Zinsler aber
sich seine Entschließung, wie Joseph, vorbehielt. Außerdem empfahl der Aus¬
schuß der Kammer einen allgemeinen Antrag des Inhalts: „sie möge als ihre feste
Ueberzeugung gegen die Regierung aussprechen, daß sie eine schleunige und
unverzögerte Erledigung der deutschen Verfassungsfrage im Geiste der, schon
von der Nationalversammlung zu Frankfurt angestrebten, Begründung eines B u u -
desstaatö mit parlamentarischer Regierung und einer aus Wahlen
des Volkes hervorgehenden G esammtvertretnn g als unerläßliche Bedin¬
gung nicht allein der Herstellung eines geordneten und dauernden Zustandes der
allgemeinen deutscheu Verhältnisse, sondern insbesondere auch eine gedeihliche
Entwickelung der innern sächsischen Angelegenheiten und einer ersprießlichen Thä¬
tigkeit der sächsischen Volksvertretung betrachte/'' Offenbar war dieser ^Antrag,


GvcnMm. II- I8S0. 1<;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185465"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die deutsche Frage in der zweiten sächsischen Kammer.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_363" next="#ID_364"> Unter dem noch frischen Eindrucke jener tröst- und resultatlosen Abstimmung<lb/>
der ersten Kammer, ging die zweite an die Berathung der deutschen Frage. Der<lb/>
Ausschuß dieser Letztern hatte schon vor den Verhandlungen in der ersten Kam¬<lb/>
mer Beschlüsse über die Anträge gefaßt, welche er seiner Kanuner empfehlen<lb/>
wollte; er ließ sich durch den unglücklichen Ausgang jener Verhandlungen in dem<lb/>
einmal Beschlossenen nicht beirren. Dieser Ausschuß bestand aus sieben Mitgliedern,<lb/>
von denen zwei (Dieskau und Ziesler) der Linken, eines (Naschig) dem seit<lb/>
Neujahr entstandenen Centrum, die vier übrigen (Braun, Biedermann,<lb/>
.Koch, Schwarze) der Rechten angehörten. Die Majorität davon war über¬<lb/>
wiegend für den Anschluß an deu Bundesstaat. Fünf Mitglieder nahmen die<lb/>
Carlowitzschen Anträge in Betreff der.Beschickung deö Verwaltungsrathes und<lb/>
des Reichstags wieder auf, fügten aber einige Garantien im Interesse der Frei¬<lb/>
heit hinzu, namentlich bezüglich der Ausführung deS Wahlgesetzes, verwendeten<lb/>
sich endlich für beharrliches Unterhandeln mit Baiern und Würtemberg wegen<lb/>
ihrer Antheilnahme am Bundesstaat, so wie mit Oestreich wegen der Union. Die<lb/>
beiden sich Ausschließenden waren Dies kau und Zieöler, von denen der Erstere<lb/>
ein von Frankfurt her bekannter Parteigänger der äußersten republikanischen Lin¬<lb/>
ken die Mammenschen Anträge im Wesentlichen wieder aufnahm, Zinsler aber<lb/>
sich seine Entschließung, wie Joseph, vorbehielt. Außerdem empfahl der Aus¬<lb/>
schuß der Kammer einen allgemeinen Antrag des Inhalts: &#x201E;sie möge als ihre feste<lb/>
Ueberzeugung gegen die Regierung aussprechen, daß sie eine schleunige und<lb/>
unverzögerte Erledigung der deutschen Verfassungsfrage im Geiste der, schon<lb/>
von der Nationalversammlung zu Frankfurt angestrebten, Begründung eines B u u -<lb/>
desstaatö mit parlamentarischer Regierung und einer aus Wahlen<lb/>
des Volkes hervorgehenden G esammtvertretnn g als unerläßliche Bedin¬<lb/>
gung nicht allein der Herstellung eines geordneten und dauernden Zustandes der<lb/>
allgemeinen deutscheu Verhältnisse, sondern insbesondere auch eine gedeihliche<lb/>
Entwickelung der innern sächsischen Angelegenheiten und einer ersprießlichen Thä¬<lb/>
tigkeit der sächsischen Volksvertretung betrachte/'' Offenbar war dieser ^Antrag,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GvcnMm. II- I8S0. 1&lt;;</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0129] Die deutsche Frage in der zweiten sächsischen Kammer. Unter dem noch frischen Eindrucke jener tröst- und resultatlosen Abstimmung der ersten Kammer, ging die zweite an die Berathung der deutschen Frage. Der Ausschuß dieser Letztern hatte schon vor den Verhandlungen in der ersten Kam¬ mer Beschlüsse über die Anträge gefaßt, welche er seiner Kanuner empfehlen wollte; er ließ sich durch den unglücklichen Ausgang jener Verhandlungen in dem einmal Beschlossenen nicht beirren. Dieser Ausschuß bestand aus sieben Mitgliedern, von denen zwei (Dieskau und Ziesler) der Linken, eines (Naschig) dem seit Neujahr entstandenen Centrum, die vier übrigen (Braun, Biedermann, .Koch, Schwarze) der Rechten angehörten. Die Majorität davon war über¬ wiegend für den Anschluß an deu Bundesstaat. Fünf Mitglieder nahmen die Carlowitzschen Anträge in Betreff der.Beschickung deö Verwaltungsrathes und des Reichstags wieder auf, fügten aber einige Garantien im Interesse der Frei¬ heit hinzu, namentlich bezüglich der Ausführung deS Wahlgesetzes, verwendeten sich endlich für beharrliches Unterhandeln mit Baiern und Würtemberg wegen ihrer Antheilnahme am Bundesstaat, so wie mit Oestreich wegen der Union. Die beiden sich Ausschließenden waren Dies kau und Zieöler, von denen der Erstere ein von Frankfurt her bekannter Parteigänger der äußersten republikanischen Lin¬ ken die Mammenschen Anträge im Wesentlichen wieder aufnahm, Zinsler aber sich seine Entschließung, wie Joseph, vorbehielt. Außerdem empfahl der Aus¬ schuß der Kammer einen allgemeinen Antrag des Inhalts: „sie möge als ihre feste Ueberzeugung gegen die Regierung aussprechen, daß sie eine schleunige und unverzögerte Erledigung der deutschen Verfassungsfrage im Geiste der, schon von der Nationalversammlung zu Frankfurt angestrebten, Begründung eines B u u - desstaatö mit parlamentarischer Regierung und einer aus Wahlen des Volkes hervorgehenden G esammtvertretnn g als unerläßliche Bedin¬ gung nicht allein der Herstellung eines geordneten und dauernden Zustandes der allgemeinen deutscheu Verhältnisse, sondern insbesondere auch eine gedeihliche Entwickelung der innern sächsischen Angelegenheiten und einer ersprießlichen Thä¬ tigkeit der sächsischen Volksvertretung betrachte/'' Offenbar war dieser ^Antrag, GvcnMm. II- I8S0. 1<;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/129
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/129>, abgerufen am 29.06.2024.