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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Ehrgeizes, seiner Wünsche, seines Ruhms. Seit dem Ende des Mittelalters zieht
sich mit der Bewegung der Civilisation auch die Kraft des deutschen Staatswesens
nach dem Norden. Es ist Preußen, welches bestimmt ist, für den Geist der nor¬
dischen Bildung das Organ und das Werkzeug zu werde"."




Das Parlament in Erfurt.



Kaum hatte die glänzende Rede des Herrn v. Nadowitz ihre Wirkuug aus
das deutsche Volk ausgeübt, so trat wieder ein, was seit länger als den letzten
zwei Jahren das Unglück Preußens und Deutschlands ist, ein kraftloses, launisches
Schwanken der preußischen Politik in deu höchstem Kreise", ttumittelbar mich
seinen heroischen und vielversprechenden Worten zeigte der preußische Vorsitzende
des Verwaltungsraths das Bestreben, in den Versammlungen des Ausschusses die
Rechte und Competenzen der Union mit noch engeren Grenzen zu umgeben als
nach der Verfassung und Additionalakte, welche dieselbe preußische Negierung ge¬
schaffen hatte, möglich war; der weitere Bund mit den nicht unirten Staaten sollte
größere Macht gewinnen -- ein Bund, dessen Gnmdzüge und Construction noch
gar nicht erfunden sind --, das Recht des Kriegs und des Friedens auch gegen
fremde Staaten, die nicht im alten deutschen Bund waren, sollte der Union ge¬
nommen und dem großen Bund übertrage" werde". Das hieß das Parlament,
die Union, die letzten Hoffnungen der Nation erwürgen. Nichts war so dringend
für Preußens Ehre und Selbstgefühl, als in gerader Linie "treu und redlich" vor¬
zugehen, nichts so unmännlich, kläglich und schimpflich, als auf dem betretenen
Wege, in den der Wille Preußens uns alle gezwängt hat, grade im Augenblicke
der That still zu stehen, und nach rückwärts zu blicken. Aber es ruht ein Fluch auf
Allem, was vou dieser Regierung Preußens in der deutschen Sache geschieht; der
Fluch der Halbheit und Schwäche. Geistreich ohne Willenskraft, Alles übersehend
und durch jeden schlechte" Einfluß bestimmt, schnell i" Wallung und noch schneller
abgespannt, so vielseitig und ebenso unsicher, glaubt die preußische Politik weise,
mäßig, tugendhaft zu sein, und wird thöricht, arrogant und unsittlich. Keine Partei
traut ihr, keine glaubt an sie, zuletzt werde" alle sie verachten. Fragt die Oest-
reicher in Frankfurt, die Kübeck und Schönhals, sie nennen Preußen in ihren Kreisen
perfid und seine Politik phantastisch; fragt die Männer des Cabinets in Wien,
sie bleiben argwöhnisch trotz aller Concessionen, welche Preußen ihnen zu machen
so beflissen ist; fragt deu Czaren, dein man um Alles in der Welt eine gute
Meinung von dem conservativen Beruf Preußens beibringen möchte, er mißtraut
allen Worten und Thaten, und dentet sortwähend falsch; fragt in Kopenhagen,


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Ehrgeizes, seiner Wünsche, seines Ruhms. Seit dem Ende des Mittelalters zieht
sich mit der Bewegung der Civilisation auch die Kraft des deutschen Staatswesens
nach dem Norden. Es ist Preußen, welches bestimmt ist, für den Geist der nor¬
dischen Bildung das Organ und das Werkzeug zu werde»."




Das Parlament in Erfurt.



Kaum hatte die glänzende Rede des Herrn v. Nadowitz ihre Wirkuug aus
das deutsche Volk ausgeübt, so trat wieder ein, was seit länger als den letzten
zwei Jahren das Unglück Preußens und Deutschlands ist, ein kraftloses, launisches
Schwanken der preußischen Politik in deu höchstem Kreise«, ttumittelbar mich
seinen heroischen und vielversprechenden Worten zeigte der preußische Vorsitzende
des Verwaltungsraths das Bestreben, in den Versammlungen des Ausschusses die
Rechte und Competenzen der Union mit noch engeren Grenzen zu umgeben als
nach der Verfassung und Additionalakte, welche dieselbe preußische Negierung ge¬
schaffen hatte, möglich war; der weitere Bund mit den nicht unirten Staaten sollte
größere Macht gewinnen — ein Bund, dessen Gnmdzüge und Construction noch
gar nicht erfunden sind —, das Recht des Kriegs und des Friedens auch gegen
fremde Staaten, die nicht im alten deutschen Bund waren, sollte der Union ge¬
nommen und dem großen Bund übertrage» werde». Das hieß das Parlament,
die Union, die letzten Hoffnungen der Nation erwürgen. Nichts war so dringend
für Preußens Ehre und Selbstgefühl, als in gerader Linie „treu und redlich" vor¬
zugehen, nichts so unmännlich, kläglich und schimpflich, als auf dem betretenen
Wege, in den der Wille Preußens uns alle gezwängt hat, grade im Augenblicke
der That still zu stehen, und nach rückwärts zu blicken. Aber es ruht ein Fluch auf
Allem, was vou dieser Regierung Preußens in der deutschen Sache geschieht; der
Fluch der Halbheit und Schwäche. Geistreich ohne Willenskraft, Alles übersehend
und durch jeden schlechte» Einfluß bestimmt, schnell i» Wallung und noch schneller
abgespannt, so vielseitig und ebenso unsicher, glaubt die preußische Politik weise,
mäßig, tugendhaft zu sein, und wird thöricht, arrogant und unsittlich. Keine Partei
traut ihr, keine glaubt an sie, zuletzt werde» alle sie verachten. Fragt die Oest-
reicher in Frankfurt, die Kübeck und Schönhals, sie nennen Preußen in ihren Kreisen
perfid und seine Politik phantastisch; fragt die Männer des Cabinets in Wien,
sie bleiben argwöhnisch trotz aller Concessionen, welche Preußen ihnen zu machen
so beflissen ist; fragt deu Czaren, dein man um Alles in der Welt eine gute
Meinung von dem conservativen Beruf Preußens beibringen möchte, er mißtraut
allen Worten und Thaten, und dentet sortwähend falsch; fragt in Kopenhagen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/107>, abgerufen am 22.07.2024.