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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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stand von Merkwürdigkeit ist. Die "östreichische Correspondenz" dagegen wäre
wegen ihrer Verbreitung in der ganzen Monarchie und des Einflusses, den sie so
auf die politisch Ungebildeten gewinnen könnte, sehr zu furchten, wenn das Mini¬
sterium in den Reihen seiner Freunde irgend einen Mann zu diesem Zwecke oder
irgend einen weniger verrufenen und verachteten Renegaten hätte finden können.


7.


Reisetagebuch aus dem östreichischen Oberland.



8. Nach dem Schafberg.

Mitten im Walde, durch den wir hinausliegen, um auf den Schafberg zu
kommen, war ein trauliches Plätzchen, duftend von Thymian und umstimmt von
botanisirenden Bienen. Wir rasteten einen Augenblick, uns wie unserem Führer
zu Liebe, der hier einem Kameraden aus alter Zeit begegnete. Zwei Holzfäller
sägten den Stamm einer riesigen Tanne durch und unterbrachen ihre Arbeit, als
wir herankamen. I, grüß Gott, Gustl, rief der Eine unserem Führer zu, indem
er sich den Schweiß von der Stirn wischte; ich hab Dich lang nit g'sehen. Wie
laug ist's? -- Ostern sind's fünfzehn Jahr, daß ich Rekrut wurde. Seit Licht¬
meß bin ich wieder heim. Wie geht's Ent (euch)? -- Es geht noch, erwiederte
der Holzfäller und zuckte die Achsel. -- Aber grau seid Ihr worden! sagte der
Führer und reichte ihm seine Branntweinflasche. Mich freute die sichtliche Be¬
friedigung, die in dem breiten knochigen Antlitz unsers Führers glänzte, als der
erschöpfte Holzfäller sein spärliches graues Haar aus dem Gesichte schob u?!d den
ganzen Rest der Flasche austrank. -- Vergelt's Gott! -- Na, thuts Ent nit
weh! sagte der Führer und weiter ging es. Mehr Worte wurden bei diesen"
Wiedersehen nach fünfzehnjähriger Trennung nicht gewechselt, aber die gegenseitige
Theilnahme verrieth der herzliche Klang ihrer Stimmen.

Der Führer gab uus auch die Geschichte seines alten Kameraden in wenigen
Worten. Vor zwanzig Jahren war der Holzfäller ein hoffnungsvoller Bursche;
er hatte ein kleines Haus und zwei Kühe geerbt, die schmucke Johanna in Schärsliu
war so gut wie seine Braut. Eine Feuersbrunst, entstanden durch eine Ladung Butter¬
krapfen, die er zu Johanna's Namenstag bei sich backen ließ, nahm ihm binnen
einer Stunde die Kühe sammt dem Häuschen, die Krapfen sammt der Heirath.
Er ward und blieb seit jener Zeit Tagelöhner. Diese Alpengegenden, die den
fremden Wanderer entzücken, belohnen den ländlichen Fleiß des Eingeborenen laug-
'


Grenzboten. >V. 184".

stand von Merkwürdigkeit ist. Die „östreichische Correspondenz" dagegen wäre
wegen ihrer Verbreitung in der ganzen Monarchie und des Einflusses, den sie so
auf die politisch Ungebildeten gewinnen könnte, sehr zu furchten, wenn das Mini¬
sterium in den Reihen seiner Freunde irgend einen Mann zu diesem Zwecke oder
irgend einen weniger verrufenen und verachteten Renegaten hätte finden können.


7.


Reisetagebuch aus dem östreichischen Oberland.



8. Nach dem Schafberg.

Mitten im Walde, durch den wir hinausliegen, um auf den Schafberg zu
kommen, war ein trauliches Plätzchen, duftend von Thymian und umstimmt von
botanisirenden Bienen. Wir rasteten einen Augenblick, uns wie unserem Führer
zu Liebe, der hier einem Kameraden aus alter Zeit begegnete. Zwei Holzfäller
sägten den Stamm einer riesigen Tanne durch und unterbrachen ihre Arbeit, als
wir herankamen. I, grüß Gott, Gustl, rief der Eine unserem Führer zu, indem
er sich den Schweiß von der Stirn wischte; ich hab Dich lang nit g'sehen. Wie
laug ist's? — Ostern sind's fünfzehn Jahr, daß ich Rekrut wurde. Seit Licht¬
meß bin ich wieder heim. Wie geht's Ent (euch)? — Es geht noch, erwiederte
der Holzfäller und zuckte die Achsel. — Aber grau seid Ihr worden! sagte der
Führer und reichte ihm seine Branntweinflasche. Mich freute die sichtliche Be¬
friedigung, die in dem breiten knochigen Antlitz unsers Führers glänzte, als der
erschöpfte Holzfäller sein spärliches graues Haar aus dem Gesichte schob u?!d den
ganzen Rest der Flasche austrank. — Vergelt's Gott! — Na, thuts Ent nit
weh! sagte der Führer und weiter ging es. Mehr Worte wurden bei diesen«
Wiedersehen nach fünfzehnjähriger Trennung nicht gewechselt, aber die gegenseitige
Theilnahme verrieth der herzliche Klang ihrer Stimmen.

Der Führer gab uus auch die Geschichte seines alten Kameraden in wenigen
Worten. Vor zwanzig Jahren war der Holzfäller ein hoffnungsvoller Bursche;
er hatte ein kleines Haus und zwei Kühe geerbt, die schmucke Johanna in Schärsliu
war so gut wie seine Braut. Eine Feuersbrunst, entstanden durch eine Ladung Butter¬
krapfen, die er zu Johanna's Namenstag bei sich backen ließ, nahm ihm binnen
einer Stunde die Kühe sammt dem Häuschen, die Krapfen sammt der Heirath.
Er ward und blieb seit jener Zeit Tagelöhner. Diese Alpengegenden, die den
fremden Wanderer entzücken, belohnen den ländlichen Fleiß des Eingeborenen laug-
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Grenzboten. >V. 184».
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/516>, abgerufen am 15.01.2025.