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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Bundesstaat Kraft und Bedeutung gewinnen soll. Wenn die extremen Parteien,
welche unsere Revolution heraufgewüblt hat, in ihrer Nichtigkeit allgemein alter?
kennt sein werden, dann werden die kleinern Staaten der neuen Union mit ihren
"gemäßigten" Deputirten den größten Theil der linken Seite in unsern Reichs¬
tagen bilden, die preußischen und mecklenburgischen Deputirten die Rechte. Es
ist klar, daß bet solcher Zusammensetzung ein Ministerium der Centren anders¬
wohin zu stehen kommt, als bei der gegenwärtigen Kammer in Preußen. Schon
der nächste Reichstag wird dies aufweise", und es ist dringend zu wünschen, daß
die Logik dieser Thatsachen allgemein erkannt werde.

Man soll, was hier gesagt ist, nicht ein Träumen in unsichere Zukunft schel¬
ten, grade jetzt kommt es darauf an, sich klar zu machen, in welchen Formen
unsere Vereinigung vor sich gehen muß, wenn sie überhaupt segensreich werden
soll. Alle aber haben wir jetzt vorwärts zu sehn ohne Wanken und Zweifel, und
klar zu erkennen, was wir fordern müssen und erwarten dürfen.




Die ministeriellen Zeitungen.
Brief an den Frcigärtner Michael Mros im Kreise Groß-Strehlitz.



Wenn es das größte Vergnügen ans Erden ist, mit einem Menschen zu plau¬
dern, von dem man ganz verstanden wird, so kommt gleich dahinter das andre
Vergnügen, sich mit Einem zu unterhalten, von dem man unter keinen Um¬
ständen verstanden werden kann. In diesem gemüthlichen Verhältniß stehn wir
beide zu einander, ich und Ihr, mein alter Kauz Michael Mros, Wasserpollak.
Deun deutsch geschriebene Briefe lest Ihr grundsätzlich nicht, und selbst wenn Euch
der Krämer, bei dem Ihr Euren auffallenden Knastertabak kauft, einen polnischen
Brief vorliest, so fallen seine Worte in Euer Ohr, wie Haferkörner in kalten
Märzbvden, sie müssen lange Tage in der arbeitenden Tiefe Eures Hirns liegen,
ehe sie in Euch aufgehen und lebendig werden. Ihr habt gar keine Ahnung da¬
von, wie sehr ich Euren treuherzigen, dicken Kopf liebe. Als Ihr im vorigen
Sommer 48 in der berüchtigten Berliner Nationalversammlung saßet und harmlos
Eure Butterstolle auf der Sitzuugsbauk verzehrtet, während draußen die Basser-
mcmnschen Gestalten wütheten, da hat sich das stille Band zwischen uns gewoben;
und als Ihr im November in Eure Heimatl) kamt, in der Tasche 200 Thaler
ersparte Diäten und auf dem Leibe einen alten städtischen Rock, den Euch ein
Mitglied der Linken für Euer radikales Stimmengebcn geschenkt hatte, und als
Ihr wegen des städtischen Rocks und wegen der 200 Thaler, die ihr als Steuer


Bundesstaat Kraft und Bedeutung gewinnen soll. Wenn die extremen Parteien,
welche unsere Revolution heraufgewüblt hat, in ihrer Nichtigkeit allgemein alter?
kennt sein werden, dann werden die kleinern Staaten der neuen Union mit ihren
„gemäßigten" Deputirten den größten Theil der linken Seite in unsern Reichs¬
tagen bilden, die preußischen und mecklenburgischen Deputirten die Rechte. Es
ist klar, daß bet solcher Zusammensetzung ein Ministerium der Centren anders¬
wohin zu stehen kommt, als bei der gegenwärtigen Kammer in Preußen. Schon
der nächste Reichstag wird dies aufweise», und es ist dringend zu wünschen, daß
die Logik dieser Thatsachen allgemein erkannt werde.

Man soll, was hier gesagt ist, nicht ein Träumen in unsichere Zukunft schel¬
ten, grade jetzt kommt es darauf an, sich klar zu machen, in welchen Formen
unsere Vereinigung vor sich gehen muß, wenn sie überhaupt segensreich werden
soll. Alle aber haben wir jetzt vorwärts zu sehn ohne Wanken und Zweifel, und
klar zu erkennen, was wir fordern müssen und erwarten dürfen.




Die ministeriellen Zeitungen.
Brief an den Frcigärtner Michael Mros im Kreise Groß-Strehlitz.



Wenn es das größte Vergnügen ans Erden ist, mit einem Menschen zu plau¬
dern, von dem man ganz verstanden wird, so kommt gleich dahinter das andre
Vergnügen, sich mit Einem zu unterhalten, von dem man unter keinen Um¬
ständen verstanden werden kann. In diesem gemüthlichen Verhältniß stehn wir
beide zu einander, ich und Ihr, mein alter Kauz Michael Mros, Wasserpollak.
Deun deutsch geschriebene Briefe lest Ihr grundsätzlich nicht, und selbst wenn Euch
der Krämer, bei dem Ihr Euren auffallenden Knastertabak kauft, einen polnischen
Brief vorliest, so fallen seine Worte in Euer Ohr, wie Haferkörner in kalten
Märzbvden, sie müssen lange Tage in der arbeitenden Tiefe Eures Hirns liegen,
ehe sie in Euch aufgehen und lebendig werden. Ihr habt gar keine Ahnung da¬
von, wie sehr ich Euren treuherzigen, dicken Kopf liebe. Als Ihr im vorigen
Sommer 48 in der berüchtigten Berliner Nationalversammlung saßet und harmlos
Eure Butterstolle auf der Sitzuugsbauk verzehrtet, während draußen die Basser-
mcmnschen Gestalten wütheten, da hat sich das stille Band zwischen uns gewoben;
und als Ihr im November in Eure Heimatl) kamt, in der Tasche 200 Thaler
ersparte Diäten und auf dem Leibe einen alten städtischen Rock, den Euch ein
Mitglied der Linken für Euer radikales Stimmengebcn geschenkt hatte, und als
Ihr wegen des städtischen Rocks und wegen der 200 Thaler, die ihr als Steuer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/212>, abgerufen am 15.01.2025.