Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Die neue Centralgewalt. Wo sind die Flaggen hin, wo die Ehrenpforten und Lieder, mit denen man Am 13. October sind zu Wien die Ratificationsurkunden eines Vertrages An die Stelle der provisorischen Centralgewalt tritt eine Bundescommission, aus Das ist der kurze Inhalt des wichtigsten Vertrages, welcher dem deutschen Grenzboten. lo. ig4g. 2 >
Die neue Centralgewalt. Wo sind die Flaggen hin, wo die Ehrenpforten und Lieder, mit denen man Am 13. October sind zu Wien die Ratificationsurkunden eines Vertrages An die Stelle der provisorischen Centralgewalt tritt eine Bundescommission, aus Das ist der kurze Inhalt des wichtigsten Vertrages, welcher dem deutschen Grenzboten. lo. ig4g. 2 >
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Die neue Centralgewalt.
Wo sind die Flaggen hin, wo die Ehrenpforten und Lieder, mit denen man
voriges Jahr die Wahl des Erzherzog Johann zum provisorischen Reichsverweser
begrüßte? Es gilt jetzt eine neue provisorische Centralgewalt zu begrüßen, aber
das Volk bleibt still, selbst die Gelegenheitspoeten sehen keine Möglichkeit sich zu
begeistern. Ohne Sang und Klang, ohne jedes gemüthliche Entgegenkommen der
Völker entsteht eine neue Behörde, welche die gemeinsamen Angelegenheiten Deutsch¬
lands und Oestreichs verwalten soll. Es ist keine Poesie bei dieser neusten Schö¬
pfung; hoffen wir, daß sie eben deshalb nützlicher und zweckmäßiger sein möge,
als die bisherige Reichsverwaltung.
Am 13. October sind zu Wien die Ratificationsurkunden eines Vertrages
zwischen Preußen und Oestreich ausgewechselt worden, welcher in 7 Paragraphen
Folgendes enthält: Oestreich und Preußen übernehmen die Ausübung der Central¬
gewalt für den deutschen Bund, es ist ein Interim bis zum 1. Mai 1850. Sie
thun es, um deu deutschen Bund als einen völkerrechtlichen Verein der deutschen
Fürsten zu erhalten; die deutsche Verfassnngs angelegen heit bleibt un-
terdeß der freien Vereinbarung der einzelnen Staaten überlassen.
An die Stelle der provisorischen Centralgewalt tritt eine Bundescommission, aus
vier Mitgliedern, zwei von Preußen, zwei von Oestreichern ernannt, sie sitzt zu Frank¬
furt, die übrigen Regierungen können sich durch Bevollmächtigte bei ihr vertreten lassen.
Im Fall von Differenzen zwischen Oestreich und Preußen, wird ein Schiedsgericht
aus drei Bundesregierungen gewählt, von denen Preußen eine wählt und Oestreich
eine, die Gewählten aber die dritte. Sobald diesem Vertrage die einzelnen Re¬
gierungen zugestimmt haben, wird der Reichsverweser seiner Würde entsagen.
Das ist der kurze Inhalt des wichtigsten Vertrages, welcher dem deutschen
Volke in diesem Jahre gekommen ist. Es ist nicht daraus zu sehn, wie die Ver¬
hältnisse, welche in die Kompetenz des alten Bundes und in den Geschäftskreis
des Reichsverwesers fielen, geordnet werden sollen; weder über die deutsche Ma¬
rine, noch über die Bundesfestnngen, noch über ein andres Object der politischen
Differenz ist ein Beschluß gefaßt worden. Der Vertrag soll nun den Weg be-
Grenzboten. lo. ig4g. 2 >
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