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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Kaiserliche königliche Anarchie.



Würden diese Zeilen blos von Oestreichern gelesen, so könnten viele Buch¬
staben der Aufschrift erspart werden, denn diese verstehen die volle Bedeutung des
"k. k." Als Geßler seinen Hut auf die Stange steckte, wagte es doch ein Schwei¬
zer, die Reverenz zu verweigern, aber noch ist der Oestreicher nicht geboren, der
dem Ka ka seinen Respekt vorenthalten möchte. Den Demokraten und Umstürzlern
ist freilich nichts heilig, aber die sind Ausländer, Fremde, wie es die östreichische
Regierung vielfältig behauptete; selbst die revolutionären Oestreicher wagten es
niemals, ein Pünktchen vom k. k. wegzustreichen.

Als Kaiser Franz durch die Erfolge des cvrsischen Generals gezwungen wurde,
die deutsche Krone abzulegen, erhob er Oestreich ans eigener Machtvollkommenheit
zu einem Kaiserstaate; es war und blieb ein leerer Name, der einen Ersatz geben
sollte für die verlorene Herrlichkeit. Man impfte aber diesen Namen auf jedes
Zweigchen des neuen Staatslebens, und mit polizeilicher Sorgfalt wurde es in
Kirche, Amt, Schule und Privatverkehr vorgebracht und wiederholt. Wohin das
Auge des Oestreichers blickte, sah ihm k. k. entgegen; der k. k. Staatsminister
und k. k. Tabakverschleißer, k. k. Schulrath und k. k. Hosschwanzrührer

Man muß das Beamtenleben der vormärzlichen Zeit mitgemacht haben, um
die ganze Glorie zu erfassen, welche dieses k. k. einem Angestellten verlieh. Der
Praktikant, der 10 und 20 Jahre ohne Gehalt dienen mußte, um endlich ein
Adjutum von 300 Fi. oder eine ähnliche Bedienstung durch Protectionen zu er¬
langen, sah doch mit Stolz und Hochmuth auf alle Beamten der Herrschaften herab,
denen das k. k. vor dem Titel fehlte. Die Patrimonialgerichtsbarkeit gab fette
Pfründen für manchen Jnstizamtmann oder Herrschaftsverwalter, und die beim re¬
gierenden Fürsten Lichtenstein Angestellten thaten sich nicht wenig auf ihre Uniform
zu Gute; aber vor einem k. k. Concipisten oder Secretär traten sie voll Scheu und
Ehrfurcht zurück. Selbst die Angesehensten strebten mit Eifer darnach, dieses k. k.
zu erlangen, das heißt in kaiserlichen Dienst zu komme", womit natürlich die ewige
Versorgung, Aussicht auf Beförderung, Pension und dergl. verbunden blieb. Ein
k. k. Beamter, selbst vom untergeordnetsten Rang, war stets ein unumschränkter



*) Authentisch und offiziell. Die Todtenliste der Wiener Zeitung brachte diesen Titel. An
den Wasserfässern nämlich, welche zur Bespritzung der Hofeüume in der Burg in. gebraucht
werden, sind Lederschläuche angebracht, deren Oessnung mit einem Siebe versehen ist. Diese
Schläuche werden mittelst eines Strickchens, während das Faß auf dem Wagen vorwärts ge¬
fahren wird, nach rechts und links geschwenkt, und der Angestellte dieser Beschäftigung erhält
den obgenannten Titel.
Kaiserliche königliche Anarchie.



Würden diese Zeilen blos von Oestreichern gelesen, so könnten viele Buch¬
staben der Aufschrift erspart werden, denn diese verstehen die volle Bedeutung des
„k. k." Als Geßler seinen Hut auf die Stange steckte, wagte es doch ein Schwei¬
zer, die Reverenz zu verweigern, aber noch ist der Oestreicher nicht geboren, der
dem Ka ka seinen Respekt vorenthalten möchte. Den Demokraten und Umstürzlern
ist freilich nichts heilig, aber die sind Ausländer, Fremde, wie es die östreichische
Regierung vielfältig behauptete; selbst die revolutionären Oestreicher wagten es
niemals, ein Pünktchen vom k. k. wegzustreichen.

Als Kaiser Franz durch die Erfolge des cvrsischen Generals gezwungen wurde,
die deutsche Krone abzulegen, erhob er Oestreich ans eigener Machtvollkommenheit
zu einem Kaiserstaate; es war und blieb ein leerer Name, der einen Ersatz geben
sollte für die verlorene Herrlichkeit. Man impfte aber diesen Namen auf jedes
Zweigchen des neuen Staatslebens, und mit polizeilicher Sorgfalt wurde es in
Kirche, Amt, Schule und Privatverkehr vorgebracht und wiederholt. Wohin das
Auge des Oestreichers blickte, sah ihm k. k. entgegen; der k. k. Staatsminister
und k. k. Tabakverschleißer, k. k. Schulrath und k. k. Hosschwanzrührer

Man muß das Beamtenleben der vormärzlichen Zeit mitgemacht haben, um
die ganze Glorie zu erfassen, welche dieses k. k. einem Angestellten verlieh. Der
Praktikant, der 10 und 20 Jahre ohne Gehalt dienen mußte, um endlich ein
Adjutum von 300 Fi. oder eine ähnliche Bedienstung durch Protectionen zu er¬
langen, sah doch mit Stolz und Hochmuth auf alle Beamten der Herrschaften herab,
denen das k. k. vor dem Titel fehlte. Die Patrimonialgerichtsbarkeit gab fette
Pfründen für manchen Jnstizamtmann oder Herrschaftsverwalter, und die beim re¬
gierenden Fürsten Lichtenstein Angestellten thaten sich nicht wenig auf ihre Uniform
zu Gute; aber vor einem k. k. Concipisten oder Secretär traten sie voll Scheu und
Ehrfurcht zurück. Selbst die Angesehensten strebten mit Eifer darnach, dieses k. k.
zu erlangen, das heißt in kaiserlichen Dienst zu komme», womit natürlich die ewige
Versorgung, Aussicht auf Beförderung, Pension und dergl. verbunden blieb. Ein
k. k. Beamter, selbst vom untergeordnetsten Rang, war stets ein unumschränkter



*) Authentisch und offiziell. Die Todtenliste der Wiener Zeitung brachte diesen Titel. An
den Wasserfässern nämlich, welche zur Bespritzung der Hofeüume in der Burg in. gebraucht
werden, sind Lederschläuche angebracht, deren Oessnung mit einem Siebe versehen ist. Diese
Schläuche werden mittelst eines Strickchens, während das Faß auf dem Wagen vorwärts ge¬
fahren wird, nach rechts und links geschwenkt, und der Angestellte dieser Beschäftigung erhält
den obgenannten Titel.
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[0155] Kaiserliche königliche Anarchie. Würden diese Zeilen blos von Oestreichern gelesen, so könnten viele Buch¬ staben der Aufschrift erspart werden, denn diese verstehen die volle Bedeutung des „k. k." Als Geßler seinen Hut auf die Stange steckte, wagte es doch ein Schwei¬ zer, die Reverenz zu verweigern, aber noch ist der Oestreicher nicht geboren, der dem Ka ka seinen Respekt vorenthalten möchte. Den Demokraten und Umstürzlern ist freilich nichts heilig, aber die sind Ausländer, Fremde, wie es die östreichische Regierung vielfältig behauptete; selbst die revolutionären Oestreicher wagten es niemals, ein Pünktchen vom k. k. wegzustreichen. Als Kaiser Franz durch die Erfolge des cvrsischen Generals gezwungen wurde, die deutsche Krone abzulegen, erhob er Oestreich ans eigener Machtvollkommenheit zu einem Kaiserstaate; es war und blieb ein leerer Name, der einen Ersatz geben sollte für die verlorene Herrlichkeit. Man impfte aber diesen Namen auf jedes Zweigchen des neuen Staatslebens, und mit polizeilicher Sorgfalt wurde es in Kirche, Amt, Schule und Privatverkehr vorgebracht und wiederholt. Wohin das Auge des Oestreichers blickte, sah ihm k. k. entgegen; der k. k. Staatsminister und k. k. Tabakverschleißer, k. k. Schulrath und k. k. Hosschwanzrührer Man muß das Beamtenleben der vormärzlichen Zeit mitgemacht haben, um die ganze Glorie zu erfassen, welche dieses k. k. einem Angestellten verlieh. Der Praktikant, der 10 und 20 Jahre ohne Gehalt dienen mußte, um endlich ein Adjutum von 300 Fi. oder eine ähnliche Bedienstung durch Protectionen zu er¬ langen, sah doch mit Stolz und Hochmuth auf alle Beamten der Herrschaften herab, denen das k. k. vor dem Titel fehlte. Die Patrimonialgerichtsbarkeit gab fette Pfründen für manchen Jnstizamtmann oder Herrschaftsverwalter, und die beim re¬ gierenden Fürsten Lichtenstein Angestellten thaten sich nicht wenig auf ihre Uniform zu Gute; aber vor einem k. k. Concipisten oder Secretär traten sie voll Scheu und Ehrfurcht zurück. Selbst die Angesehensten strebten mit Eifer darnach, dieses k. k. zu erlangen, das heißt in kaiserlichen Dienst zu komme», womit natürlich die ewige Versorgung, Aussicht auf Beförderung, Pension und dergl. verbunden blieb. Ein k. k. Beamter, selbst vom untergeordnetsten Rang, war stets ein unumschränkter *) Authentisch und offiziell. Die Todtenliste der Wiener Zeitung brachte diesen Titel. An den Wasserfässern nämlich, welche zur Bespritzung der Hofeüume in der Burg in. gebraucht werden, sind Lederschläuche angebracht, deren Oessnung mit einem Siebe versehen ist. Diese Schläuche werden mittelst eines Strickchens, während das Faß auf dem Wagen vorwärts ge¬ fahren wird, nach rechts und links geschwenkt, und der Angestellte dieser Beschäftigung erhält den obgenannten Titel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/155>, abgerufen am 15.01.2025.