Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.dann leuchtet es auch dein Bauer ein, daß die Kanzel in der Kirche jedenfalls Die östreichische Bureaukratie. Klage eines Beamten aus Steiermark. Man hat von je unter dieser Benennung nicht sowohl den Beamtenstand als dann leuchtet es auch dein Bauer ein, daß die Kanzel in der Kirche jedenfalls Die östreichische Bureaukratie. Klage eines Beamten aus Steiermark. Man hat von je unter dieser Benennung nicht sowohl den Beamtenstand als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279070"/> <p xml:id="ID_113" prev="#ID_112"> dann leuchtet es auch dein Bauer ein, daß die Kanzel in der Kirche jedenfalls<lb/> kein höherer Standpunkt sei, als die improvisirte Rednerbühne in der Kneipe.<lb/> Wenn der Priester im Beichtstuhle das Jnnere der Herzen erforscht und sich auch<lb/> angelegentlich um das politische Glaubensbekenntniß seiner Beichtkinder erkundigt,<lb/> dann wird es anch dem Dorfvcrstande klar, daß er nicht im Namen jenes Reiches,<lb/> das nicht von dieser Welt ist, sondern im Namen des starken Oestreich hier sitze<lb/> und Beichte höre; daß es sich hier, nicht um eine Absolution, sondern um jenes<lb/> „getreue, gewissenhafte Bild" handle, welches der hochw. Seelsorger alle 14<lb/> Tage von seiner Seelsorge-Gemeinde entwerfen und im Vitariatswege l'eim Kon¬<lb/> sistorium vorlegen soll. Der Staat, welcher in den alten Domen des Katholi¬<lb/> cismus ein Asyl vor der Revolution sucht, wird dadurch in den Augen des Volkes<lb/> kaum den Schein der Göttlichkeit bewahren können, und die Kirche wird das Volk<lb/> selbst an dem von den Vätern vererbten Glauben irre machen, indem sie sich zur<lb/> Polizeianstalt profanirt und zu einem Institut des al'soluten Staates einschrumpft.<lb/> Lassen Sie sich folgende Anekdote erzählen: In einem böhmischen Dorfe bewies<lb/> ein Pfarrer kurz nach dem 4. März seinen Bauern von der Kanzel herab die<lb/> Vortrefflichkeit des Octror/s und sandte dem cvnstituircnde» Reichstage, als einer<lb/> Erfindung der Hölle, ein frommes Anathem nach. Die entrüsteten Bauern bega¬<lb/> ben sich nach der Predigt in die Sacristei und sagten zu ihm: „Herr Pfarrer,<lb/> wenn Sie schon durchaus Politik predige» wollen, so lesen Sie uus künftig die<lb/><note type="byline"> I. K.</note> Rarolim room^ vor!" </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die östreichische Bureaukratie.<lb/> Klage eines Beamten aus Steiermark.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_114" next="#ID_115"> Man hat von je unter dieser Benennung nicht sowohl den Beamtenstand als<lb/> vielmehr Beamtenhcrrschaft und noch besser: Beamtenwillkür verstanden. Als<lb/> solche hat ihr freilich die Todtenglockc geläutet, aber in ihren letzten Zuckungen<lb/> besudelt sie noch mit ihrem Geifer Personen, und Sachen. Sie war es, welche<lb/> unzeitig oft im Kriege Frieden gebot und im Frieden Zank bereitete; sie war es,<lb/> welche die Herzensgüte so vieler östreichischer Regenten und deu besten Willen so<lb/> vieler aufgeklärter Staatsmänner paralysirte, die am Lebensmarke aller Einzelnen<lb/> selbst und an der Geduld der Bürger nagte; sie war es endlich mehr, als die<lb/> Vorrechte des Adels, mehr als die Anmaßungen des Militärs, mehr als Hof¬<lb/> staat oder äußere Politik, welche die Schrecknisse der Revolution herbeiführte und<lb/> sie ist es, welche uns wieder jetzt die Schrecken der Reaction bereitet. Ihre Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
dann leuchtet es auch dein Bauer ein, daß die Kanzel in der Kirche jedenfalls
kein höherer Standpunkt sei, als die improvisirte Rednerbühne in der Kneipe.
Wenn der Priester im Beichtstuhle das Jnnere der Herzen erforscht und sich auch
angelegentlich um das politische Glaubensbekenntniß seiner Beichtkinder erkundigt,
dann wird es anch dem Dorfvcrstande klar, daß er nicht im Namen jenes Reiches,
das nicht von dieser Welt ist, sondern im Namen des starken Oestreich hier sitze
und Beichte höre; daß es sich hier, nicht um eine Absolution, sondern um jenes
„getreue, gewissenhafte Bild" handle, welches der hochw. Seelsorger alle 14
Tage von seiner Seelsorge-Gemeinde entwerfen und im Vitariatswege l'eim Kon¬
sistorium vorlegen soll. Der Staat, welcher in den alten Domen des Katholi¬
cismus ein Asyl vor der Revolution sucht, wird dadurch in den Augen des Volkes
kaum den Schein der Göttlichkeit bewahren können, und die Kirche wird das Volk
selbst an dem von den Vätern vererbten Glauben irre machen, indem sie sich zur
Polizeianstalt profanirt und zu einem Institut des al'soluten Staates einschrumpft.
Lassen Sie sich folgende Anekdote erzählen: In einem böhmischen Dorfe bewies
ein Pfarrer kurz nach dem 4. März seinen Bauern von der Kanzel herab die
Vortrefflichkeit des Octror/s und sandte dem cvnstituircnde» Reichstage, als einer
Erfindung der Hölle, ein frommes Anathem nach. Die entrüsteten Bauern bega¬
ben sich nach der Predigt in die Sacristei und sagten zu ihm: „Herr Pfarrer,
wenn Sie schon durchaus Politik predige» wollen, so lesen Sie uus künftig die
I. K. Rarolim room^ vor!"
Die östreichische Bureaukratie.
Klage eines Beamten aus Steiermark.
Man hat von je unter dieser Benennung nicht sowohl den Beamtenstand als
vielmehr Beamtenhcrrschaft und noch besser: Beamtenwillkür verstanden. Als
solche hat ihr freilich die Todtenglockc geläutet, aber in ihren letzten Zuckungen
besudelt sie noch mit ihrem Geifer Personen, und Sachen. Sie war es, welche
unzeitig oft im Kriege Frieden gebot und im Frieden Zank bereitete; sie war es,
welche die Herzensgüte so vieler östreichischer Regenten und deu besten Willen so
vieler aufgeklärter Staatsmänner paralysirte, die am Lebensmarke aller Einzelnen
selbst und an der Geduld der Bürger nagte; sie war es endlich mehr, als die
Vorrechte des Adels, mehr als die Anmaßungen des Militärs, mehr als Hof¬
staat oder äußere Politik, welche die Schrecknisse der Revolution herbeiführte und
sie ist es, welche uns wieder jetzt die Schrecken der Reaction bereitet. Ihre Ver-
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