Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.F. v. Pillersdorf: Rückblicke ). Die Broschüre des ersten Ministers der Revolution hat im Kaiserstaat das Sie enthält auf fünf Bogen zuerst eine faßliche und diskrete Durstellnng der Viel Stoff für ein so kurzes Memorial! Sicher wird der junge Kaiser das Die erste Hälfte der Broschüre, jener Theil, wo er die Thätigkeit seines Mi¬ *) Rückblicke auf die politische Bewegung in Oestreich in den Jahren 1813 und 1849, von F. v. P. Wien, Jasper, Hügel und Manz. , Greiizboten. "l. 1849. 40
F. v. Pillersdorf: Rückblicke ). Die Broschüre des ersten Ministers der Revolution hat im Kaiserstaat das Sie enthält auf fünf Bogen zuerst eine faßliche und diskrete Durstellnng der Viel Stoff für ein so kurzes Memorial! Sicher wird der junge Kaiser das Die erste Hälfte der Broschüre, jener Theil, wo er die Thätigkeit seines Mi¬ *) Rückblicke auf die politische Bewegung in Oestreich in den Jahren 1813 und 1849, von F. v. P. Wien, Jasper, Hügel und Manz. , Greiizboten. »l. 1849. 40
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F. v. Pillersdorf: Rückblicke ).
Die Broschüre des ersten Ministers der Revolution hat im Kaiserstaat das
größte Interesse erregt, sie wird eifrig gelesen, von der unabhängigen Presse
Oestreichs mit Wärme gepriesen, in Wien selbst sehr verschieden beurtheilt.
Sie enthält auf fünf Bogen zuerst eine faßliche und diskrete Durstellnng der
Politischen Situation, in welcher das Ministerium den Staat vorfand, eine An¬
deutung der Schwierigkeiten und Konflikte, mit welchen es zu kämpfen hatte und
eine Motivirung, Vertheidigung und Kritik seiner wichtigsten Maßregeln; zwei¬
tens aber seit der Abdikation Pillersdorfs eine Beurtheilung der Periode des
Reichstags bis zu seiner Auflösung und endlich zum Schluß ein kurzes politisches
Glaubensbekenntniß.
Viel Stoff für ein so kurzes Memorial! Sicher wird der junge Kaiser das
Buch lesen, denn zumeist für ihn ist es geschrieben. Wer, wie wir,
durch das letzte Jahr zu der — nicht organisirten — Partei des Verfassers ge¬
standen hat, erfährt nicht viel Neues aus dem Buch. Und doch ist es für Jeden,
der Oestreich liebt, interessant, einmal, weil es die verhängnißvolle Zeit vom
Standpunkt eines gebildeten Staatsmannes mit Ruhe und Haltung zu erfassen
sucht, ferner aber, weil es dem Volk zu rechter Zeit das Bild des Verfassers
selbst in das Herz leitet; man lernt den Menschen sehr hochachten, auch wo man
das Thun des Ministers nicht loben kann.
Die erste Hälfte der Broschüre, jener Theil, wo er die Thätigkeit seines Mi¬
nisteriums vertheidigt, befriedigt am wenigsten. Ist doch jede Vertheidigung politi¬
scher Maßregeln, welche aus irgend einem Grunde nicht zum Guten ausgeschlagen
sind, mißlich, ja vergeblich. Pillersdorf und die Patrioten, welche mit ihm Mi¬
nister geworden waren, zum Theil ohne vorher darum gefragt zu sein, haben den
Begebenheiten gegenüber das Unrecht, daß sie dieselben nicht zu beherrschen ver¬
standen; dies Unrecht bleibt ihnen nnter allen Umständen, es ist das Produkt
zweier Faktoren, ihrer eigenen Persönlichkeit und der Verhältnisse, welche sie vorfanden.
Aber wohl gemerkt, nicht der Weiseste, der Reinste und Beste ist zu allen Zeiten
der politisch Berechtigte. Es gibt Perioden, und das letzte Jahr gehörte zu diesen,
welche sich nur einem Lenker von ganz bestimmter Persönlichkeit, und nicht grade
der untadlichsten unterwerfen, etwa einem der halb Fanatiker, halb Schauspieler
und außerdem von Eisen ist, wie z. B. Cromwell war. Wer eine solche Indi¬
vidualität nicht hat, dessen Ministerium wird zwar durch den Lauf der Begehen-
*) Rückblicke auf die politische Bewegung in Oestreich in den Jahren 1813 und 1849, von
F. v. P. Wien, Jasper, Hügel und Manz.
, Greiizboten. »l. 1849. 40
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