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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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gene Zeit eine solche war, in der die gewöhnlichen Begriffe eines Verbrechens
nicht mehr ausreichen. Dieses Pfand der Versöhnung wird aber unmöglich, wenn
man damit anfängt, sämmtliche Gegner niederzumetzeln.

Es kommt noch dazu, daß durch solche Strafen in der Negel nicht die Haupt¬
schuldigen getroffen werden. In unserm Falle häuft sich alles Gehässige auf Einen
Punkt zusammen. Max Dorrn war ein ganz junger Mensch, ein feuriger Idealist,
und er nahm an dem Aufstand erst Theil, als er bereits ausgebrochen war. Wenn
man Alle hinrichten will, die in diese Kategorie fallen, so wird daraus eine
Fleischerei, wie in den Tagen des Convents.

Wird man denn nicht endlich zu der Ueberzeugung kommen, daß vergossenes
Blut nicht der rechte. Kitt ist, der die Fundamente der Staaten zusammenhält!
Hier sollte doch einmal die Presse, die bald diese bald jene Verkehrtheit denuncirt,
einmüthig zusammenstehn und gegen Gewaltthaten Protest einlegen, vor denen
selbst Robespierres Trabanten schauderten.




Die Thronrede in Preußen.



In der Rede, mit welcher der Ministerpräsident Graf Brandenburg die nen-
znsammenberufenen torystischen Kammern eröffnet hat, finde ich dreierlei zu bemerken.

Einmal ist, der jüngsten Vergangenheit gegenüber, derselbe belehrende Ton
angenommen, den Bodelschwingh und seine Kollegen gegen den alten Landtag ge¬
brauchten. Aus die wunderbare Fülle von reitenden Thaten wird ohne alle Be-
sorgniß, daß ihr ungewöhnliche Form Bedenken über ihre rechtliche Natur her¬
vorrufen könnten, mit einem gewissen Wohlgefallen zurückgeblickt, und die Stände
werden darauf hingewiesen, den tieferen Zusammenhang dieser vollendeten Thatsachen
zu studiren, und nicht etwa den gewöhnlichen Maßstab des Rechts daran zu legen.
Von dieser Seite ist also eine erhebliche Achtung vor dem Urtheil der angeblichen
Volksvertreter nicht zu bemerken.

Aber in einer andern Beziehung spricht sich eine gewisse Scheu vor ihnen
aus, in dem, was nicht gesagt wird. Die Negierung erwähnt im Allgemeinen
den geordneten Zustand der Finanzen, und spricht von ihrem Project der Ein¬
kommensteuer kein Wort. Sie scheint diesen Plan also bereits aufgegeben zu ha¬
ben, bevor sie noch mit der Kammer einen Versuch gemacht. Der Erfolg eines
solchen Versuchs war freilich vorher zu sehn! Es war ein sonderbarer Zirkel:
man setzt zuerst theoretisch die Steuerqnote als den Maßstab politischer Befähi¬
gung fest, läßt danach wählen, und findet dann, daß sie es eigentlich in ihrer
jetzigen Beschaffenheit doch nicht ist, daß man daher das Steuersystem verändern
müsse, und diesen Vorschlag will man einer Corporation vorlegen, die aus jenem.


gene Zeit eine solche war, in der die gewöhnlichen Begriffe eines Verbrechens
nicht mehr ausreichen. Dieses Pfand der Versöhnung wird aber unmöglich, wenn
man damit anfängt, sämmtliche Gegner niederzumetzeln.

Es kommt noch dazu, daß durch solche Strafen in der Negel nicht die Haupt¬
schuldigen getroffen werden. In unserm Falle häuft sich alles Gehässige auf Einen
Punkt zusammen. Max Dorrn war ein ganz junger Mensch, ein feuriger Idealist,
und er nahm an dem Aufstand erst Theil, als er bereits ausgebrochen war. Wenn
man Alle hinrichten will, die in diese Kategorie fallen, so wird daraus eine
Fleischerei, wie in den Tagen des Convents.

Wird man denn nicht endlich zu der Ueberzeugung kommen, daß vergossenes
Blut nicht der rechte. Kitt ist, der die Fundamente der Staaten zusammenhält!
Hier sollte doch einmal die Presse, die bald diese bald jene Verkehrtheit denuncirt,
einmüthig zusammenstehn und gegen Gewaltthaten Protest einlegen, vor denen
selbst Robespierres Trabanten schauderten.




Die Thronrede in Preußen.



In der Rede, mit welcher der Ministerpräsident Graf Brandenburg die nen-
znsammenberufenen torystischen Kammern eröffnet hat, finde ich dreierlei zu bemerken.

Einmal ist, der jüngsten Vergangenheit gegenüber, derselbe belehrende Ton
angenommen, den Bodelschwingh und seine Kollegen gegen den alten Landtag ge¬
brauchten. Aus die wunderbare Fülle von reitenden Thaten wird ohne alle Be-
sorgniß, daß ihr ungewöhnliche Form Bedenken über ihre rechtliche Natur her¬
vorrufen könnten, mit einem gewissen Wohlgefallen zurückgeblickt, und die Stände
werden darauf hingewiesen, den tieferen Zusammenhang dieser vollendeten Thatsachen
zu studiren, und nicht etwa den gewöhnlichen Maßstab des Rechts daran zu legen.
Von dieser Seite ist also eine erhebliche Achtung vor dem Urtheil der angeblichen
Volksvertreter nicht zu bemerken.

Aber in einer andern Beziehung spricht sich eine gewisse Scheu vor ihnen
aus, in dem, was nicht gesagt wird. Die Negierung erwähnt im Allgemeinen
den geordneten Zustand der Finanzen, und spricht von ihrem Project der Ein¬
kommensteuer kein Wort. Sie scheint diesen Plan also bereits aufgegeben zu ha¬
ben, bevor sie noch mit der Kammer einen Versuch gemacht. Der Erfolg eines
solchen Versuchs war freilich vorher zu sehn! Es war ein sonderbarer Zirkel:
man setzt zuerst theoretisch die Steuerqnote als den Maßstab politischer Befähi¬
gung fest, läßt danach wählen, und findet dann, daß sie es eigentlich in ihrer
jetzigen Beschaffenheit doch nicht ist, daß man daher das Steuersystem verändern
müsse, und diesen Vorschlag will man einer Corporation vorlegen, die aus jenem.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/276>, abgerufen am 05.02.2025.