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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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die zur Erhellung des Terrains geworfenen Leuchtkugeln ein erschütterndes, gewal¬
tiges Schauspiel. Dem Nye wurde gleich im ersten Anstürmen ein Pferd er¬
schossen. Seine Adjutanten baten ihn, sich zu schonen, er antwortete heiter und
ruhig: Die Kugeln geniren mich nicht. Darauf wurde ihm das zweite Pferd er¬
schossen. Jetzt ging er zu Fuß vorwärts, hinter der Schlachtln'le seiner Batterie,
seiue Soldaten anfeuernd. Wo sich ein Schwanken im Vorrücke" zeigte, sprang
er voran und rief: "Vorwärts Kameraden! heute darf Niemand zurückbleiben!"
Sein fröhlicher Muth elektrisirte Alle, aber das Feuer von der im sichern Verdeck
der Schanzen arbeitenden feindlichen Südbatterie war furchtbar. Der Tag brach
an. Um an ihre Flanken zu gelangen, war eine Strecke Wald und Feld zu passi-
ren, seine Brigade trat in den offenen Raum und hier wurde Nye durch eiuen
Schuß im Schenkel darniedergestreckt. Im Niederstürzen wird er von einem
Flintenschuß von unten nach oben durch den Unterleib tödtlich verwundet. Man
glaubt, daß er entweder von einem in den Kornfeldern versteckten Marodeur zum
Ziel gewählt wurde, oder durch ein zufällig verkehrt abgefeuertes Gewehr den
Tod gefunden hat. Merkwürdig ist, daß er nicht von den Ambulancen gefunden
und fortgebracht worden ist. Schmerz und Wuth ergriff, als die Kunde sich ver¬
breitete, seine ganze Brigade, und in einem Nu waren die nächsten Schanzen in
den "Kohlen" bestiegen und nach wüthendem Widerstand erobert. Als endlich
die Sonne nach vielen Regen- und Nebeltagen prächtig hervorbrach, bestrahlte sie
die 13 erstürmten Schanzen, die verstummten l68pfündiger Mörser und die vielen
gefallenen Braven. Da fand man auch in einem Kornfeld die Freude des däni¬
schen Heeres, den sterbenden General. Seine Gesichtszüge waren ruhig und hei¬
ter wie immer. Im letzten Augenblicke soll er den Sieg der Seinigen erfahren
und seine hinterlassene Familie, wie seinen Freund Schleppegrell, dem Vaterlande
empfohlen haben.




Die östreichischen Feldherrn in Ungarn und die Juden.



Die östreichischen Obercommandanten in Ungarn haben gewiß eine schwierige
Aufgabe. Wenn dem nicht so wäre, hätte man nicht nöthig gehabt, die Russen
zu Hilfe zu rufen. Und doch haben sie noch freiwillig eine kleine Nebenaufgabe
übernommen und mit dem großen Feldzuge gegen die Ungarn noch einen kleinen
Kreuzzug gegen die ungarischen Juden verbinden zu müssen geglaubt.

Schon Fürst Windischgrätz machte die Juden solidarisch sür einander verbind¬
lich. Wenn ein Jude den Rebellen irgendwie Vorschub leistete, mußte seine Ge¬
meinde dafür zwanzigtausend Gulden Strafe zahlen. Melden, ungeachtet er doch
sonst den ganzen Operationsplan änderte, fand nicht nöthig, diese Verfügung auf-


die zur Erhellung des Terrains geworfenen Leuchtkugeln ein erschütterndes, gewal¬
tiges Schauspiel. Dem Nye wurde gleich im ersten Anstürmen ein Pferd er¬
schossen. Seine Adjutanten baten ihn, sich zu schonen, er antwortete heiter und
ruhig: Die Kugeln geniren mich nicht. Darauf wurde ihm das zweite Pferd er¬
schossen. Jetzt ging er zu Fuß vorwärts, hinter der Schlachtln'le seiner Batterie,
seiue Soldaten anfeuernd. Wo sich ein Schwanken im Vorrücke» zeigte, sprang
er voran und rief: „Vorwärts Kameraden! heute darf Niemand zurückbleiben!"
Sein fröhlicher Muth elektrisirte Alle, aber das Feuer von der im sichern Verdeck
der Schanzen arbeitenden feindlichen Südbatterie war furchtbar. Der Tag brach
an. Um an ihre Flanken zu gelangen, war eine Strecke Wald und Feld zu passi-
ren, seine Brigade trat in den offenen Raum und hier wurde Nye durch eiuen
Schuß im Schenkel darniedergestreckt. Im Niederstürzen wird er von einem
Flintenschuß von unten nach oben durch den Unterleib tödtlich verwundet. Man
glaubt, daß er entweder von einem in den Kornfeldern versteckten Marodeur zum
Ziel gewählt wurde, oder durch ein zufällig verkehrt abgefeuertes Gewehr den
Tod gefunden hat. Merkwürdig ist, daß er nicht von den Ambulancen gefunden
und fortgebracht worden ist. Schmerz und Wuth ergriff, als die Kunde sich ver¬
breitete, seine ganze Brigade, und in einem Nu waren die nächsten Schanzen in
den „Kohlen" bestiegen und nach wüthendem Widerstand erobert. Als endlich
die Sonne nach vielen Regen- und Nebeltagen prächtig hervorbrach, bestrahlte sie
die 13 erstürmten Schanzen, die verstummten l68pfündiger Mörser und die vielen
gefallenen Braven. Da fand man auch in einem Kornfeld die Freude des däni¬
schen Heeres, den sterbenden General. Seine Gesichtszüge waren ruhig und hei¬
ter wie immer. Im letzten Augenblicke soll er den Sieg der Seinigen erfahren
und seine hinterlassene Familie, wie seinen Freund Schleppegrell, dem Vaterlande
empfohlen haben.




Die östreichischen Feldherrn in Ungarn und die Juden.



Die östreichischen Obercommandanten in Ungarn haben gewiß eine schwierige
Aufgabe. Wenn dem nicht so wäre, hätte man nicht nöthig gehabt, die Russen
zu Hilfe zu rufen. Und doch haben sie noch freiwillig eine kleine Nebenaufgabe
übernommen und mit dem großen Feldzuge gegen die Ungarn noch einen kleinen
Kreuzzug gegen die ungarischen Juden verbinden zu müssen geglaubt.

Schon Fürst Windischgrätz machte die Juden solidarisch sür einander verbind¬
lich. Wenn ein Jude den Rebellen irgendwie Vorschub leistete, mußte seine Ge¬
meinde dafür zwanzigtausend Gulden Strafe zahlen. Melden, ungeachtet er doch
sonst den ganzen Operationsplan änderte, fand nicht nöthig, diese Verfügung auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/270>, abgerufen am 05.02.2025.