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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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ftituante im November, durch die eigenmächtige Veränderung des Wahlgesetzes im
Mai), hat dadurch dem Anschein des augenblicklichen Erfolgs die Garantie
einer gesetzlich fortschreitenden Entwicklung geopfert. Und auf der andern Seite
scheinen nun die Demokraten in denselben Fehler zu verfallen, in dem sie sich von
der Wahl ausschließen, weil sie dadurch deu einzigen Kampfplatz aufgeben, in
welchem mit Bewußtsein operirt werden kann. Freilich ist es sehr möglich, daß
wir in nicht langer Zeit eine zweite Revolution erleben, aber die Demokraten
täuschen sich sehr, wenn sie als das Ziel derselben die Reichsverfassung vom 28.
März, oder die Republik, oder meinetwegen den Communismus annehmen, viel
wahrscheinlicher ist es vielmehr, daß wir dem Schicksal Spaniens verfallen, wel¬
ches, nachdem das Fieber der Anarchie und. des Bürgerkriegs 15 Jahre hindurch
das Mark des Landes verzehrt hat, nun mit dem ersten besten Soldatenregiment
zufrieden ist, weil es doch wenigstens Ordnung schafft.




Kleine Porträts.



Von der Tann.

Als das Volk von Schleswig-Holstein sich erhob, seine Rechte gegen die
Eingriffe des dänischen Herrschers mit gewaffneter Hand geltend zu machen, da
erwachte die Sympathie, welche schon lange in ganz Deutschland für den nordi¬
schen Bruderstamm glühte, zu Heller Flamme. Nicht bei Worten allein blieb die
Begeisterung stehen, sie riß auch zu thätiger Hilfe hin. Zum ersten Male orga-
nistrten sich in großartigem Maaße Freischaaren, eine Erscheinung, welche in dieser
Weise im Vaterland noch niemals aufgetreten war und welche seither eine ganz
eigenthümliche welthistorische Bedeutung gewonnen hat; sie zogen mit mehr und
minder gutem Willen und Muth den Bedrängten zu Hilfe. Das Gleiche thaten
ans das Geheiß ihrer Fürsten verschiedene Heeresabtheilungen im Auftrag des
Bundestags, und außerdem betheiligte sich ganz Deutschland durch Spenden und
Unterstützung aller Art an einer Sache, welche längst zur ullgemcin deutschen
geworden war. Unter den Fürsten interessirte sich besonders Ludwig von Baiern
für dieselbe. Außer wesentlichen Gaben an Geld und Kricgsbcdarf sandte
er nach Schleswig - Holstein das, was dessen junges Heer vor Allem und am
Meisten bedürfte, tüchtige, kriegserfahrene Offiziere, welche er mit einer wirklich
höchst anerkennenswerther Freigebigkeit ausrüstete. Es waren deren sieben, und
sie werden in Schleswig-Holstein unvergessen bleiben, so lange im Volksmund


ftituante im November, durch die eigenmächtige Veränderung des Wahlgesetzes im
Mai), hat dadurch dem Anschein des augenblicklichen Erfolgs die Garantie
einer gesetzlich fortschreitenden Entwicklung geopfert. Und auf der andern Seite
scheinen nun die Demokraten in denselben Fehler zu verfallen, in dem sie sich von
der Wahl ausschließen, weil sie dadurch deu einzigen Kampfplatz aufgeben, in
welchem mit Bewußtsein operirt werden kann. Freilich ist es sehr möglich, daß
wir in nicht langer Zeit eine zweite Revolution erleben, aber die Demokraten
täuschen sich sehr, wenn sie als das Ziel derselben die Reichsverfassung vom 28.
März, oder die Republik, oder meinetwegen den Communismus annehmen, viel
wahrscheinlicher ist es vielmehr, daß wir dem Schicksal Spaniens verfallen, wel¬
ches, nachdem das Fieber der Anarchie und. des Bürgerkriegs 15 Jahre hindurch
das Mark des Landes verzehrt hat, nun mit dem ersten besten Soldatenregiment
zufrieden ist, weil es doch wenigstens Ordnung schafft.




Kleine Porträts.



Von der Tann.

Als das Volk von Schleswig-Holstein sich erhob, seine Rechte gegen die
Eingriffe des dänischen Herrschers mit gewaffneter Hand geltend zu machen, da
erwachte die Sympathie, welche schon lange in ganz Deutschland für den nordi¬
schen Bruderstamm glühte, zu Heller Flamme. Nicht bei Worten allein blieb die
Begeisterung stehen, sie riß auch zu thätiger Hilfe hin. Zum ersten Male orga-
nistrten sich in großartigem Maaße Freischaaren, eine Erscheinung, welche in dieser
Weise im Vaterland noch niemals aufgetreten war und welche seither eine ganz
eigenthümliche welthistorische Bedeutung gewonnen hat; sie zogen mit mehr und
minder gutem Willen und Muth den Bedrängten zu Hilfe. Das Gleiche thaten
ans das Geheiß ihrer Fürsten verschiedene Heeresabtheilungen im Auftrag des
Bundestags, und außerdem betheiligte sich ganz Deutschland durch Spenden und
Unterstützung aller Art an einer Sache, welche längst zur ullgemcin deutschen
geworden war. Unter den Fürsten interessirte sich besonders Ludwig von Baiern
für dieselbe. Außer wesentlichen Gaben an Geld und Kricgsbcdarf sandte
er nach Schleswig - Holstein das, was dessen junges Heer vor Allem und am
Meisten bedürfte, tüchtige, kriegserfahrene Offiziere, welche er mit einer wirklich
höchst anerkennenswerther Freigebigkeit ausrüstete. Es waren deren sieben, und
sie werden in Schleswig-Holstein unvergessen bleiben, so lange im Volksmund


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/141>, abgerufen am 05.02.2025.