Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Ans Prag. 1. Eine Studentenverschwörung. Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe. DaS Standrecht hat nicht nur Dieses Volk hört aber nicht auf, zu freveln wider Gott und jetzt noch, "wo Zwei Studentenverbindungen in Prag, die "Markomanuia" und die "böh¬ Ans Prag. 1. Eine Studentenverschwörung. Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe. DaS Standrecht hat nicht nur Dieses Volk hört aber nicht auf, zu freveln wider Gott und jetzt noch, „wo Zwei Studentenverbindungen in Prag, die „Markomanuia" und die „böh¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279152"/> </div> <div n="1"> <head> Ans Prag.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> 1. Eine Studentenverschwörung.</head><lb/> <p xml:id="ID_390"> Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe. DaS Standrecht hat nicht nur<lb/> das Seitenpförtchen, sondern auch das große Thor des Himmels weit aufgerissen;<lb/> die Welt ist grau angestrichen, als sollte es ewig Aschermittwoch bleiben, in den<lb/> öffentlichen Caffeh sitzen die Zeitungsleser, wie die schweigsamen Mönche von<lb/> la Trappe nebeneinander, und halten sich an das geschriebene, offizielle Wort,<lb/> ohne weiter nach der mündlichen Ueberlieferung in verwegener Neugier zu fragen.<lb/> Die Zeiten sind vorüber, wo es hieß: „in Ermangelung eines Freimannes wurde<lb/> das Urtheil durch Pulver und Blei vollzogen;" wir haben keine Executionen aus<lb/> dem Stegreif mehr, sondern sind wieder bei den solennen formgerechten Hinrich¬<lb/> tungen angelangt. Der Galgen ist nur der Grenzpfahl zwischen dem Absolutis-<lb/> mus und der Demokratie; er zeigt an, daß das Reich der Freiheit nicht von die¬<lb/> ser Welt sei. Diese „Säule der Vergeltung," die fatalistisch aus Ungarn herüber-<lb/> drobt, hat uns wieder den Glauben an die göttliche Vorsehung zurückgegeben;<lb/> ihr Anblick hat unser Herz in jene zerknirschte Stimmung gebracht, die durchaus<lb/> erforderlich ist, damit der Hirtenbrief der bischöflichen Synode von Wien auf uns<lb/> wohlthätig einwirken könne. Was die letztere betrifft, so wäre ich sehr dafür,<lb/> daß sie noch nicht auseinandergehen solle; denn ihre Sendung ist nicht früher er¬<lb/> füllt, als bis sie das Debreczin'er Parlament, welches Haynau in seiner letzten<lb/> Proclamation den Göttern der Unterwelt weihte, zum Tode vorbereitet hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_391"> Dieses Volk hört aber nicht auf, zu freveln wider Gott und jetzt noch, „wo<lb/> sich der Zorn Gottes so sichtbarlich über die Erde ergießt," hat man eine republi¬<lb/> kanisch-socialistische Verschwörung entdeckt. Hören Sie die schreckliche Geschichte.</p><lb/> <p xml:id="ID_392" next="#ID_393"> Zwei Studentenverbindungen in Prag, die „Markomanuia" und die „böh¬<lb/> misch-mährische Brüderschaft," die eine urdeutsch und die andere urslavisch, rauch¬<lb/> ten die Friedenspfeife miteinander und einigten sich in dem gemeinsamen, demokra¬<lb/> tischen Glaube«. Sie gössen Freikugeln in der Wolfsschlucht, und eine jede<lb/> war bestimmt für ein fürstliches Haupt. Sie gruben geheime Minen, welche<lb/> aber zum Glück die k. k. Untersuchungscommission entdeckte, um die Throne Euro¬<lb/> pas in die Luft zu sprengen. Sie standen in Verbindung mit der Umsturzpartei<lb/> von Dresden, mit der pfälzisch-baden'schen Jnsurrection, mit den Montagnards</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
Ans Prag.
1. Eine Studentenverschwörung.
Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe. DaS Standrecht hat nicht nur
das Seitenpförtchen, sondern auch das große Thor des Himmels weit aufgerissen;
die Welt ist grau angestrichen, als sollte es ewig Aschermittwoch bleiben, in den
öffentlichen Caffeh sitzen die Zeitungsleser, wie die schweigsamen Mönche von
la Trappe nebeneinander, und halten sich an das geschriebene, offizielle Wort,
ohne weiter nach der mündlichen Ueberlieferung in verwegener Neugier zu fragen.
Die Zeiten sind vorüber, wo es hieß: „in Ermangelung eines Freimannes wurde
das Urtheil durch Pulver und Blei vollzogen;" wir haben keine Executionen aus
dem Stegreif mehr, sondern sind wieder bei den solennen formgerechten Hinrich¬
tungen angelangt. Der Galgen ist nur der Grenzpfahl zwischen dem Absolutis-
mus und der Demokratie; er zeigt an, daß das Reich der Freiheit nicht von die¬
ser Welt sei. Diese „Säule der Vergeltung," die fatalistisch aus Ungarn herüber-
drobt, hat uns wieder den Glauben an die göttliche Vorsehung zurückgegeben;
ihr Anblick hat unser Herz in jene zerknirschte Stimmung gebracht, die durchaus
erforderlich ist, damit der Hirtenbrief der bischöflichen Synode von Wien auf uns
wohlthätig einwirken könne. Was die letztere betrifft, so wäre ich sehr dafür,
daß sie noch nicht auseinandergehen solle; denn ihre Sendung ist nicht früher er¬
füllt, als bis sie das Debreczin'er Parlament, welches Haynau in seiner letzten
Proclamation den Göttern der Unterwelt weihte, zum Tode vorbereitet hat.
Dieses Volk hört aber nicht auf, zu freveln wider Gott und jetzt noch, „wo
sich der Zorn Gottes so sichtbarlich über die Erde ergießt," hat man eine republi¬
kanisch-socialistische Verschwörung entdeckt. Hören Sie die schreckliche Geschichte.
Zwei Studentenverbindungen in Prag, die „Markomanuia" und die „böh¬
misch-mährische Brüderschaft," die eine urdeutsch und die andere urslavisch, rauch¬
ten die Friedenspfeife miteinander und einigten sich in dem gemeinsamen, demokra¬
tischen Glaube«. Sie gössen Freikugeln in der Wolfsschlucht, und eine jede
war bestimmt für ein fürstliches Haupt. Sie gruben geheime Minen, welche
aber zum Glück die k. k. Untersuchungscommission entdeckte, um die Throne Euro¬
pas in die Luft zu sprengen. Sie standen in Verbindung mit der Umsturzpartei
von Dresden, mit der pfälzisch-baden'schen Jnsurrection, mit den Montagnards
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