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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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"öffentliche Charaktere.



in.
Aruno Dauer
Die souveräne Kritik.

WliiU n, Kinne kollov is lui5 Zro^vn to de.
lie v"s lsnivli meUlv ^oren i>o vont i" "eiiool.

Das Epos unserer Revolution ist nicht arm an überraschenden Abenteuern,
man kann fast sagen, daß es sich nach dem ersten heroischen Anlauf ins Anekdo¬
tenhafte verloren hat, eine Intrigue kreuzt die andere in diesem bunten Masken--
spiel, eine Figur nach der andern verschwindet, oder läßt zu früh den Satyr
unter der tragischen Kleidung Hervorscheinen. Für den spätern Historiker sind
Züge genug vorhanden, aus denen sich ein fortlaufender Gang der Handlung
und damit ein bleibendes Interesse zusammensetzen läßt, für uns aber, die der
schalkhafte Genius der Zeit selber in diesem Fasching umhertreibt, dem auch der
Kritiker sich nicht entziehen kann, hat die ewig wechselnde kleine Spannung etwas
Ermüdendes. Es geht wie in einem Lasontaineschen Roman; der beständige Stoff-
Achsel, nur durch die Einheit der Phrase zusammengehalten, wird zuletzt lang-
^nig. In der französischen Revolution war doch wenigstens ein localer Mittel¬
punkt, der Energie genug besaß, auch die geistige Bewegung um sich zu krystalli-
^'en, bei uns zerstreut sie sich in wahrhaft Ariostischen Sprüngen und in nicht
^os scheinbarer Gesetzlosigkeit über ein Terrain, das wir nur mit Schwierigkeit
übersehen; ein rother Faden blickt überall hervor, aber er hat zu wenig Reiz,
daß man sich abmühen sollte, ihn zu verfolgen. Dieser Mangel einer natür¬
lichen, objectiven Einheit ist nur durch eine subjective zu ersetzen.

Vielleicht erinnert sich noch mancher unserer Leser an einen frühern Versuch,
Bewegung der Zeit in ihren Trägern zu charakterisiren. Ich meine die Por-



*) Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfang der deutschkatholisch
-
G. Hempel. ewegung bis zur Gegenwart. Bon Bruno Bauer. Berlin 1849.
H
rinzboten. II. ,""9. 4g
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Die souveräne Kritik.

WliiU n, Kinne kollov is lui5 Zro^vn to de.
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Das Epos unserer Revolution ist nicht arm an überraschenden Abenteuern,
man kann fast sagen, daß es sich nach dem ersten heroischen Anlauf ins Anekdo¬
tenhafte verloren hat, eine Intrigue kreuzt die andere in diesem bunten Masken--
spiel, eine Figur nach der andern verschwindet, oder läßt zu früh den Satyr
unter der tragischen Kleidung Hervorscheinen. Für den spätern Historiker sind
Züge genug vorhanden, aus denen sich ein fortlaufender Gang der Handlung
und damit ein bleibendes Interesse zusammensetzen läßt, für uns aber, die der
schalkhafte Genius der Zeit selber in diesem Fasching umhertreibt, dem auch der
Kritiker sich nicht entziehen kann, hat die ewig wechselnde kleine Spannung etwas
Ermüdendes. Es geht wie in einem Lasontaineschen Roman; der beständige Stoff-
Achsel, nur durch die Einheit der Phrase zusammengehalten, wird zuletzt lang-
^nig. In der französischen Revolution war doch wenigstens ein localer Mittel¬
punkt, der Energie genug besaß, auch die geistige Bewegung um sich zu krystalli-
^'en, bei uns zerstreut sie sich in wahrhaft Ariostischen Sprüngen und in nicht
^os scheinbarer Gesetzlosigkeit über ein Terrain, das wir nur mit Schwierigkeit
übersehen; ein rother Faden blickt überall hervor, aber er hat zu wenig Reiz,
daß man sich abmühen sollte, ihn zu verfolgen. Dieser Mangel einer natür¬
lichen, objectiven Einheit ist nur durch eine subjective zu ersetzen.

Vielleicht erinnert sich noch mancher unserer Leser an einen frühern Versuch,
Bewegung der Zeit in ihren Trägern zu charakterisiren. Ich meine die Por-



*) Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfang der deutschkatholisch
-
G. Hempel. ewegung bis zur Gegenwart. Bon Bruno Bauer. Berlin 1849.
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[0313] «öffentliche Charaktere. in. Aruno Dauer Die souveräne Kritik. WliiU n, Kinne kollov is lui5 Zro^vn to de. lie v»s lsnivli meUlv ^oren i>o vont i» »eiiool. Das Epos unserer Revolution ist nicht arm an überraschenden Abenteuern, man kann fast sagen, daß es sich nach dem ersten heroischen Anlauf ins Anekdo¬ tenhafte verloren hat, eine Intrigue kreuzt die andere in diesem bunten Masken-- spiel, eine Figur nach der andern verschwindet, oder läßt zu früh den Satyr unter der tragischen Kleidung Hervorscheinen. Für den spätern Historiker sind Züge genug vorhanden, aus denen sich ein fortlaufender Gang der Handlung und damit ein bleibendes Interesse zusammensetzen läßt, für uns aber, die der schalkhafte Genius der Zeit selber in diesem Fasching umhertreibt, dem auch der Kritiker sich nicht entziehen kann, hat die ewig wechselnde kleine Spannung etwas Ermüdendes. Es geht wie in einem Lasontaineschen Roman; der beständige Stoff- Achsel, nur durch die Einheit der Phrase zusammengehalten, wird zuletzt lang- ^nig. In der französischen Revolution war doch wenigstens ein localer Mittel¬ punkt, der Energie genug besaß, auch die geistige Bewegung um sich zu krystalli- ^'en, bei uns zerstreut sie sich in wahrhaft Ariostischen Sprüngen und in nicht ^os scheinbarer Gesetzlosigkeit über ein Terrain, das wir nur mit Schwierigkeit übersehen; ein rother Faden blickt überall hervor, aber er hat zu wenig Reiz, daß man sich abmühen sollte, ihn zu verfolgen. Dieser Mangel einer natür¬ lichen, objectiven Einheit ist nur durch eine subjective zu ersetzen. Vielleicht erinnert sich noch mancher unserer Leser an einen frühern Versuch, Bewegung der Zeit in ihren Trägern zu charakterisiren. Ich meine die Por- *) Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfang der deutschkatholisch - G. Hempel. ewegung bis zur Gegenwart. Bon Bruno Bauer. Berlin 1849. H rinzboten. II. ,»»9. 4g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/313>, abgerufen am 15.01.2025.