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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Unsere Partei.



Die Barrikaden sind gefallen, auf das wüste Träumen unserer jungen Re¬
publikaner ist ein nüchternes Erwachen gefolgt, die Souveräne haben -- mit
unserer Hilfe -- deu Versuch einer Partei vereitelt, den Staat zu vernichten.
Ueber den Barrikaden aber schwebt ein anderer Kampf, nicht mit Büchsen und
Spitzkugeln, sondern mit den Waffen des Gesetzes. In diesem Kampf stehen wir,
konservative Männer, gegen die Kronen. Wir kämpfen für die deutsche Ver¬
fassung gegen die Souveränitätsträume und gegen die ungesetzliche Willkür der
Fürsten.

Die Partei, welche dieses Blatt stolz mit "wir" bezeichnet, hat verschiedene
Namen, ja sie hat oft in entgegengesetzten Lagern gekämpst, die rechte, wie die
linke Seite hat ihre besten Häupter daraus genommen. Es ist die große Anzahl
deutschgestnnter Männer, welche das Parlament von Frankfurt während seiner
Thätigkeit mit Liebe und Theilnahme begleitet haben, weil sie in ihm eine Ver¬
söhnung der alten mit der neuen Zeit sahen, die Heiligung leidenschaftlicher Volts-
wüusche durch Recht und Gesetz; weil sie in ihm fanden, was weder die Könige,
noch die rothen Demagogen haben, productive Gestaltungskraft; weil sie unter
seinen Mitgliedern fast ausschließlich die Männer zählten, auf deren Schultern
das Vertrauen der deutschen Völker unsere Zukunft legen wird; die Frucht der
Parlamentarischen Thätigkeit war die deutsche Verfassung, ihre Anerkennung ist ein
Rechtsprozeß geworden zwischen den Kronen und den Völkern, "unsere" Partei
ist die Volkspartei, welche diesen Prozeß auf gesetzlichem Wege durchführen wird
gegen die Krone.

Wir haben in diesem Rechtsstreit keinen Obmann und Richter. Die parla¬
mentarischen Kämpfe zwischen Fürst und Volk schweben in Deutschland noch ohne
Reichsgericht, sie sind demungeachtet an bestimmte gesetzliche Bestimmungen ge¬
bunden, von denen nur der Frevler abgehen darf. Der nächste Ort für den
Kampf sind die neuen Kammern in Preußen, Sachsen, Hannover und Baiern.

Nicht die Centralgewalt mehr und nicht die Nationalversammlung zu Frank¬
furt. Als die vier großen Regierungen die Anerkennung der Verfassung verwei¬
gerten, gingen sie noch einen Schritt weiter und versagten der Centralgewalt auch
in anderen Dingen den Gehorsam. War es doch schon im letzten halben Jahr
Wir dem Gehorsam nicht Ernst gemeint, nur widerwillig, nach langem Verhandeln
und Zögern fügten sich die Regierungen, oder nahmen wenigstens den Schein an,
^s thaten sie's. Offen gegen die Centralgewalt aufzutreten, wagten sie erst jetzt,
seit Preußen sich an die Spitze der Regierungen gestellt hat, um unabhängig von


Unsere Partei.



Die Barrikaden sind gefallen, auf das wüste Träumen unserer jungen Re¬
publikaner ist ein nüchternes Erwachen gefolgt, die Souveräne haben — mit
unserer Hilfe — deu Versuch einer Partei vereitelt, den Staat zu vernichten.
Ueber den Barrikaden aber schwebt ein anderer Kampf, nicht mit Büchsen und
Spitzkugeln, sondern mit den Waffen des Gesetzes. In diesem Kampf stehen wir,
konservative Männer, gegen die Kronen. Wir kämpfen für die deutsche Ver¬
fassung gegen die Souveränitätsträume und gegen die ungesetzliche Willkür der
Fürsten.

Die Partei, welche dieses Blatt stolz mit „wir" bezeichnet, hat verschiedene
Namen, ja sie hat oft in entgegengesetzten Lagern gekämpst, die rechte, wie die
linke Seite hat ihre besten Häupter daraus genommen. Es ist die große Anzahl
deutschgestnnter Männer, welche das Parlament von Frankfurt während seiner
Thätigkeit mit Liebe und Theilnahme begleitet haben, weil sie in ihm eine Ver¬
söhnung der alten mit der neuen Zeit sahen, die Heiligung leidenschaftlicher Volts-
wüusche durch Recht und Gesetz; weil sie in ihm fanden, was weder die Könige,
noch die rothen Demagogen haben, productive Gestaltungskraft; weil sie unter
seinen Mitgliedern fast ausschließlich die Männer zählten, auf deren Schultern
das Vertrauen der deutschen Völker unsere Zukunft legen wird; die Frucht der
Parlamentarischen Thätigkeit war die deutsche Verfassung, ihre Anerkennung ist ein
Rechtsprozeß geworden zwischen den Kronen und den Völkern, „unsere" Partei
ist die Volkspartei, welche diesen Prozeß auf gesetzlichem Wege durchführen wird
gegen die Krone.

Wir haben in diesem Rechtsstreit keinen Obmann und Richter. Die parla¬
mentarischen Kämpfe zwischen Fürst und Volk schweben in Deutschland noch ohne
Reichsgericht, sie sind demungeachtet an bestimmte gesetzliche Bestimmungen ge¬
bunden, von denen nur der Frevler abgehen darf. Der nächste Ort für den
Kampf sind die neuen Kammern in Preußen, Sachsen, Hannover und Baiern.

Nicht die Centralgewalt mehr und nicht die Nationalversammlung zu Frank¬
furt. Als die vier großen Regierungen die Anerkennung der Verfassung verwei¬
gerten, gingen sie noch einen Schritt weiter und versagten der Centralgewalt auch
in anderen Dingen den Gehorsam. War es doch schon im letzten halben Jahr
Wir dem Gehorsam nicht Ernst gemeint, nur widerwillig, nach langem Verhandeln
und Zögern fügten sich die Regierungen, oder nahmen wenigstens den Schein an,
^s thaten sie's. Offen gegen die Centralgewalt aufzutreten, wagten sie erst jetzt,
seit Preußen sich an die Spitze der Regierungen gestellt hat, um unabhängig von


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[0287] Unsere Partei. Die Barrikaden sind gefallen, auf das wüste Träumen unserer jungen Re¬ publikaner ist ein nüchternes Erwachen gefolgt, die Souveräne haben — mit unserer Hilfe — deu Versuch einer Partei vereitelt, den Staat zu vernichten. Ueber den Barrikaden aber schwebt ein anderer Kampf, nicht mit Büchsen und Spitzkugeln, sondern mit den Waffen des Gesetzes. In diesem Kampf stehen wir, konservative Männer, gegen die Kronen. Wir kämpfen für die deutsche Ver¬ fassung gegen die Souveränitätsträume und gegen die ungesetzliche Willkür der Fürsten. Die Partei, welche dieses Blatt stolz mit „wir" bezeichnet, hat verschiedene Namen, ja sie hat oft in entgegengesetzten Lagern gekämpst, die rechte, wie die linke Seite hat ihre besten Häupter daraus genommen. Es ist die große Anzahl deutschgestnnter Männer, welche das Parlament von Frankfurt während seiner Thätigkeit mit Liebe und Theilnahme begleitet haben, weil sie in ihm eine Ver¬ söhnung der alten mit der neuen Zeit sahen, die Heiligung leidenschaftlicher Volts- wüusche durch Recht und Gesetz; weil sie in ihm fanden, was weder die Könige, noch die rothen Demagogen haben, productive Gestaltungskraft; weil sie unter seinen Mitgliedern fast ausschließlich die Männer zählten, auf deren Schultern das Vertrauen der deutschen Völker unsere Zukunft legen wird; die Frucht der Parlamentarischen Thätigkeit war die deutsche Verfassung, ihre Anerkennung ist ein Rechtsprozeß geworden zwischen den Kronen und den Völkern, „unsere" Partei ist die Volkspartei, welche diesen Prozeß auf gesetzlichem Wege durchführen wird gegen die Krone. Wir haben in diesem Rechtsstreit keinen Obmann und Richter. Die parla¬ mentarischen Kämpfe zwischen Fürst und Volk schweben in Deutschland noch ohne Reichsgericht, sie sind demungeachtet an bestimmte gesetzliche Bestimmungen ge¬ bunden, von denen nur der Frevler abgehen darf. Der nächste Ort für den Kampf sind die neuen Kammern in Preußen, Sachsen, Hannover und Baiern. Nicht die Centralgewalt mehr und nicht die Nationalversammlung zu Frank¬ furt. Als die vier großen Regierungen die Anerkennung der Verfassung verwei¬ gerten, gingen sie noch einen Schritt weiter und versagten der Centralgewalt auch in anderen Dingen den Gehorsam. War es doch schon im letzten halben Jahr Wir dem Gehorsam nicht Ernst gemeint, nur widerwillig, nach langem Verhandeln und Zögern fügten sich die Regierungen, oder nahmen wenigstens den Schein an, ^s thaten sie's. Offen gegen die Centralgewalt aufzutreten, wagten sie erst jetzt, seit Preußen sich an die Spitze der Regierungen gestellt hat, um unabhängig von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/287>, abgerufen am 15.01.2025.