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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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dann in Brand geräth und einen Kreuzzug gegen die russischen Hilfsvölker pre¬
digt, und wenn Oestreich um einen Schritt näher am Abgrunde steht, dann wird
der Lloyd wieder fragen: "Warum helft Ihr nicht, sentimentale Politiker?"
Ja wahrhaftig, die ostdeutsche Post hat Recht, wenn sie sagt: "So räsonnirt kein
Oestreicher." Was thut's, wenn Oestreich kosakisch wird! Der Redacteur des Lloyd
wandert mit seinen Mitarbeitern über die Grenze.




Die Fortschritte der Contrerevolution.



1. D meses lan d.

Während der Agitationen für das Erbkaiserthum zerfielen die aus dem Prin¬
cip hergeleiteten Parteien in landsmannschaftliche Fractionen; die unerwartet feste
Haltung, welche das absolutistische Preußen in der seine eigenen Interessen so
nahe berührenden Oberhanptsfrage einnahm, hat sie wieder vereinigt. Die ge¬
säumten Absolutisten Deutschlands, mit Oestreich und Rußland im engsten Ein¬
Verständniß, haben ihren alten Bund wieder erneuert, auf der andern Seite halten
die Rothen, mit polnischen Flüchtlingen zersetzt, mit Sympathien für die ungarische
und italienische Sache sich tragend, gleichfalls zusammen. Kartätschen und Bar¬
rikaden sind wieder die Träger der entgegengesetzten Principien. Und in der Mitte
dieser tvdfeindlichen Gegensätze steht unsere eigne, die constitutionelle, nationale
Partei, im Zustand der völligster Desorganisation -- wir dürfen uns eine That¬
sache nicht verhehlen, die unabweisbar geworden ist.

Die constitutionelle Partei, welche in den einzelnen deutschen Staaten -- in
Oestreich und Preußen -- durch die vereinigten, wenn auch entgegengesetzten An¬
strengungen des Radicalismus und der Reaction gefallen war, hatte in Frankfurt
in der Weidenbuschpartei ihren bestimmten Ausdruck gefunden, und es schien, als
ob der in Preußen siegreiche Absolutismus sich mit ihr verbunden würde. Das
Ministerium Manteuffel vctroyirte eine Verfassung, in welcher dnrch Anerkennung
des Rechts der Urwähler die Demokratie befriedigt wurde, während es den Aus¬
schweifungen der Partei einen festen Damm entgegensetzte; es schlug in seinen
Noten an Frankfurt und die deutscheu Regierungen einen Weg ein, der freilich
die demokratischen Centralisationspläne nicht befriedigen konnte,, der aber wenig¬
stens den ernstlichen Wunsch, mit der Nationalversammlung in ein gedeihliches
Einverständniß zu treten, ausdrückte, und der den altdynastischen Gelüsten Oest¬
reichs scharf genug entgegentrat. Es erfolgte nun der Zusammentritt der preußi¬
schen Kammern, in welche unsere Partei das Uebergewicht zu haben schien, gleich


dann in Brand geräth und einen Kreuzzug gegen die russischen Hilfsvölker pre¬
digt, und wenn Oestreich um einen Schritt näher am Abgrunde steht, dann wird
der Lloyd wieder fragen: „Warum helft Ihr nicht, sentimentale Politiker?"
Ja wahrhaftig, die ostdeutsche Post hat Recht, wenn sie sagt: „So räsonnirt kein
Oestreicher." Was thut's, wenn Oestreich kosakisch wird! Der Redacteur des Lloyd
wandert mit seinen Mitarbeitern über die Grenze.




Die Fortschritte der Contrerevolution.



1. D meses lan d.

Während der Agitationen für das Erbkaiserthum zerfielen die aus dem Prin¬
cip hergeleiteten Parteien in landsmannschaftliche Fractionen; die unerwartet feste
Haltung, welche das absolutistische Preußen in der seine eigenen Interessen so
nahe berührenden Oberhanptsfrage einnahm, hat sie wieder vereinigt. Die ge¬
säumten Absolutisten Deutschlands, mit Oestreich und Rußland im engsten Ein¬
Verständniß, haben ihren alten Bund wieder erneuert, auf der andern Seite halten
die Rothen, mit polnischen Flüchtlingen zersetzt, mit Sympathien für die ungarische
und italienische Sache sich tragend, gleichfalls zusammen. Kartätschen und Bar¬
rikaden sind wieder die Träger der entgegengesetzten Principien. Und in der Mitte
dieser tvdfeindlichen Gegensätze steht unsere eigne, die constitutionelle, nationale
Partei, im Zustand der völligster Desorganisation — wir dürfen uns eine That¬
sache nicht verhehlen, die unabweisbar geworden ist.

Die constitutionelle Partei, welche in den einzelnen deutschen Staaten — in
Oestreich und Preußen — durch die vereinigten, wenn auch entgegengesetzten An¬
strengungen des Radicalismus und der Reaction gefallen war, hatte in Frankfurt
in der Weidenbuschpartei ihren bestimmten Ausdruck gefunden, und es schien, als
ob der in Preußen siegreiche Absolutismus sich mit ihr verbunden würde. Das
Ministerium Manteuffel vctroyirte eine Verfassung, in welcher dnrch Anerkennung
des Rechts der Urwähler die Demokratie befriedigt wurde, während es den Aus¬
schweifungen der Partei einen festen Damm entgegensetzte; es schlug in seinen
Noten an Frankfurt und die deutscheu Regierungen einen Weg ein, der freilich
die demokratischen Centralisationspläne nicht befriedigen konnte,, der aber wenig¬
stens den ernstlichen Wunsch, mit der Nationalversammlung in ein gedeihliches
Einverständniß zu treten, ausdrückte, und der den altdynastischen Gelüsten Oest¬
reichs scharf genug entgegentrat. Es erfolgte nun der Zusammentritt der preußi¬
schen Kammern, in welche unsere Partei das Uebergewicht zu haben schien, gleich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/262>, abgerufen am 15.01.2025.