Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Wunsche und Hoffnungen gewechselt. Namentlich hatte es schon lange Komorn Doch genug und übergenug des Geredes; wenn Sie mir sagen, daß ich un¬ Vom Ministerium hört mau gegenwärtig Nichts; nur dann und wann erschallt ?. 8. Eben höre ich die Schauergeschichten aus Brcfeia. Wie soll das enden? 2. Sicher hat Wien, so lange es steht, noch kein so seltsames Frühjahr erlebt, Wrcnzl'oder II. l"j->.
Wunsche und Hoffnungen gewechselt. Namentlich hatte es schon lange Komorn Doch genug und übergenug des Geredes; wenn Sie mir sagen, daß ich un¬ Vom Ministerium hört mau gegenwärtig Nichts; nur dann und wann erschallt ?. 8. Eben höre ich die Schauergeschichten aus Brcfeia. Wie soll das enden? 2. Sicher hat Wien, so lange es steht, noch kein so seltsames Frühjahr erlebt, Wrcnzl'oder II. l»j->.
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Wunsche und Hoffnungen gewechselt. Namentlich hatte es schon lange Komorn
gegolten, das seit einiger Zeit heftig beschossen ward. „Der Melden wird hin,
und wird es stürmen, hörte man von vielen Seiten, die Kerle fechten ja ohnedies
nur noch für ihr Leben." Natürlich hatte Mancher, der da wußte, daß Komorn
gar nicht zu stürmen sei, und daß Leute sich in der Regel für ihr Leben besser
schlagen, als sür fünf Kreuzer Münz und gelegentliche Fünfundzwanzig, noch einige
bescheidene Zweifel an dem glücklichen Erfolg der Welden'schen Mission; indessen
that man wohl, sie nicht zu äußern. Wie vorauszusehen war, kehrte er den fol¬
genden Tag bereits zurück; er hatte gefunden, was er suchte: den Stoff zu eiuer
prächtigen Proklamation, der ihm hier nach Erschöpfung der Attentate ausgegangen
war. „Der Fink hat wieder Samen, dem Herrn sei Lob und Preis!" wie Eber¬
hard der Greiner in Uhlandö Liedern ruft. Wir bekäme» denn auch sogleich das
neueste Erzeugniß seiner Muse zu lesen, in welchem er erklärt, daß er auf Comorn
schießen werde, so lauge er noch Pulver und Soldaten habe, und daß Gott ihm
dabei helfen werde. Unsere gemüthlichen Sanguiniker wußten indessen auch hier
wieder Nath. „Laß die Schufte in dem ungesunden Loch filzen, bis sie aussterben"
hieß es jetzt, ein Argument, gegen das sich allerdings um so weniger einwenden
läßt, da keine Frauen in der Festung sind, mithin an eine Fortpflanzung der Be¬
satzung nicht zu denken ist.
Doch genug und übergenug des Geredes; wenn Sie mir sagen, daß ich un¬
gerecht gegen die Wiener bin, so werde ich nichts Erhebliches dagegen einwenden
können; es ist eben nur ein Beleg für meine Behauptung, daß gegenwärtig Jeder¬
mann hier gegen Andersdenkende in einer bissigen und gereizten Stimmung ist;
hoffentlich kommen wieder einmal Zeiten, in denen man lachen kann, ohne sich
zu ärgern.
Vom Ministerium hört mau gegenwärtig Nichts; nur dann und wann erschallt
ein vereinzelter Wehruf aus der Provinz, wo es zuweilen im Wege der Verord¬
nung in einen journalistischen Schafstall einbrii^ und einen oder den andern Zei¬
tungsschreiber, am liebsten einen verheiratheten assentirt, d. h. unter die Soldaten
steckt; im Uebrigen läßt es die Damoklcsbande des Belagerungszustandes — ge¬
statten Sie mir die zeitgemäße Variante im Bilde vom Damoklesschwert, das nun
einmal in einem ächten Wiener Aufsatz nicht fehlen darf — über den Häuptern
aller derjenigen Städte schweben, die sich nicht selber genug belagern.
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?. 8. Eben höre ich die Schauergeschichten aus Brcfeia. Wie soll das enden?
2.
Sicher hat Wien, so lange es steht, noch kein so seltsames Frühjahr erlebt,
als heuer. Alles fühlt sich schauderhaft unbehaglich, der Prater sieht ans wie
gerupft, auf dem Glacis ist's unheimlich, unheimlich sogar in den Trinkstuben,
Man spricht schon wieder leise zu einander, so mit einem gewissen Flüstern und>
Wrcnzl'oder II. l»j->.
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