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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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rückgewiesen wird. Wir hörten es daher mit Freude, daß Trendelenburg den
Muth hatte, sich in den Kampf der Parteien hineinzubegcbcn, um so mehr, da
ihm die Gewandtheit, sich ans allen möglichen Gebieten zu orientiren, nicht ab¬
zusprechen ist. Seine Bemühungen sind ihm aber nicht sonderlich geglückt. Schon
in seinem kleinen Wahlbezirke erregte er Mißfallen, man will in Berlin mit aller
Gewalt extrem sein. Im December wurde er von der Harkvrt'schen Partei als
Kandidat für die zweite Kammer aufgestellt; was aus dieser Kandidatur geworden
ist, ist uns unbekannt. -- Man hat ein gewisses Mißtrauen gegen die politische
Befähigung der Philosophen, und es ist auch unleugbar, daß strenge Systematiker,
wenn sie ein falsches Princip aufstellen, damit mehr Unheil anrichten, als andere
gewöhnliche Menschen. Die kleine Abhandlung, die Trendelenburg im Mai des
vorigen Jahres über das Zweikammersystem herausgab und die jedenfalls mehr
Beachtung verdient, als sie gefunden hat, ist ein Beweis der hohem Einsicht, die
über die Stichworte des Augenblicks sich erhebt, ohne sie zu verkennen. Es ist-
der ruhige, nüchterne Denker, der nach allen Seiten sieht, und das, was er ge¬
sehen hat, in einen höhern, umfassenden Gesichtspunkt zu vereinigen weiß. Er
gehört zu den Ersten, die neben einer Volkskammer eine nach Klassen gewählte
erste Kammer verlangten. Diese Ansicht wird ans eine eigenthümliche und scharf¬
sinnige Weise motivirt. "Wo alle ohne Unterschied wählen, werden sie nur im
Allgemeinen übereinkommen; die Wahl wird nur nach dem Maßstab allgemeiner
Ideen geschehen; und es ist mehr dem Zufall überlassen, wie dabei das Beson¬
dere vertreten wird." "Die Idee ist leicht, wenn sie für sich im Allgemeinen ihr
Spiel treibt; da leuchtet sie ein, da will sie unaufgehalten ins Leben. Aber es
hilft nichts sie in die Luft zu zeichnen. An der Ausführung stößt sie Kuf den
Widerstand der Verhältnisse; wer die Reibung nicht kennt, in die sie geräth, ar¬
beitet entweder vergeblich, oder zerstört, indem er sie durchsetzt." "Ist nun die
eine Kammrr aus der Gleichheit des Volkes hervorgegangen, so gehn die andern
ans den Unterschieden der Lebensrichtungen hervor, damit jede besondere Richtung
sich mit dem Allgemeinen ausgleiche und die Erfahrung aller vertreten sei." "Ms!
man eine solche Kammer der Volkskammer gegenüber die Ständekammer nennen,
-- sie wird es in einem andern Sinne sein, als der ist, den man gewöhnlich
mit dem Namen der Stände verknüpft. Ohne Privilegium wäre sie nur eine
Aristokratie der besondern Einsicht, während in der Volkskammer die Demokratie
G. E. der allgemeinen Gesinnung zum Rechte käme."




Die Töchter Lucifer's.

Dieses blödsinnige Machwerk, das in dem Königstädter Theater einige 70 Mi
das Publikum der Spandauer Straße entzückt hat, ist nun auch in Leipzig über
die Bretter gegangen. Man nehme eine Masse zusammenhangloser, verrückter Re-


rückgewiesen wird. Wir hörten es daher mit Freude, daß Trendelenburg den
Muth hatte, sich in den Kampf der Parteien hineinzubegcbcn, um so mehr, da
ihm die Gewandtheit, sich ans allen möglichen Gebieten zu orientiren, nicht ab¬
zusprechen ist. Seine Bemühungen sind ihm aber nicht sonderlich geglückt. Schon
in seinem kleinen Wahlbezirke erregte er Mißfallen, man will in Berlin mit aller
Gewalt extrem sein. Im December wurde er von der Harkvrt'schen Partei als
Kandidat für die zweite Kammer aufgestellt; was aus dieser Kandidatur geworden
ist, ist uns unbekannt. — Man hat ein gewisses Mißtrauen gegen die politische
Befähigung der Philosophen, und es ist auch unleugbar, daß strenge Systematiker,
wenn sie ein falsches Princip aufstellen, damit mehr Unheil anrichten, als andere
gewöhnliche Menschen. Die kleine Abhandlung, die Trendelenburg im Mai des
vorigen Jahres über das Zweikammersystem herausgab und die jedenfalls mehr
Beachtung verdient, als sie gefunden hat, ist ein Beweis der hohem Einsicht, die
über die Stichworte des Augenblicks sich erhebt, ohne sie zu verkennen. Es ist-
der ruhige, nüchterne Denker, der nach allen Seiten sieht, und das, was er ge¬
sehen hat, in einen höhern, umfassenden Gesichtspunkt zu vereinigen weiß. Er
gehört zu den Ersten, die neben einer Volkskammer eine nach Klassen gewählte
erste Kammer verlangten. Diese Ansicht wird ans eine eigenthümliche und scharf¬
sinnige Weise motivirt. „Wo alle ohne Unterschied wählen, werden sie nur im
Allgemeinen übereinkommen; die Wahl wird nur nach dem Maßstab allgemeiner
Ideen geschehen; und es ist mehr dem Zufall überlassen, wie dabei das Beson¬
dere vertreten wird." „Die Idee ist leicht, wenn sie für sich im Allgemeinen ihr
Spiel treibt; da leuchtet sie ein, da will sie unaufgehalten ins Leben. Aber es
hilft nichts sie in die Luft zu zeichnen. An der Ausführung stößt sie Kuf den
Widerstand der Verhältnisse; wer die Reibung nicht kennt, in die sie geräth, ar¬
beitet entweder vergeblich, oder zerstört, indem er sie durchsetzt." „Ist nun die
eine Kammrr aus der Gleichheit des Volkes hervorgegangen, so gehn die andern
ans den Unterschieden der Lebensrichtungen hervor, damit jede besondere Richtung
sich mit dem Allgemeinen ausgleiche und die Erfahrung aller vertreten sei." „Ms!
man eine solche Kammer der Volkskammer gegenüber die Ständekammer nennen,
— sie wird es in einem andern Sinne sein, als der ist, den man gewöhnlich
mit dem Namen der Stände verknüpft. Ohne Privilegium wäre sie nur eine
Aristokratie der besondern Einsicht, während in der Volkskammer die Demokratie
G. E. der allgemeinen Gesinnung zum Rechte käme."




Die Töchter Lucifer's.

Dieses blödsinnige Machwerk, das in dem Königstädter Theater einige 70 Mi
das Publikum der Spandauer Straße entzückt hat, ist nun auch in Leipzig über
die Bretter gegangen. Man nehme eine Masse zusammenhangloser, verrückter Re-


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[0108] rückgewiesen wird. Wir hörten es daher mit Freude, daß Trendelenburg den Muth hatte, sich in den Kampf der Parteien hineinzubegcbcn, um so mehr, da ihm die Gewandtheit, sich ans allen möglichen Gebieten zu orientiren, nicht ab¬ zusprechen ist. Seine Bemühungen sind ihm aber nicht sonderlich geglückt. Schon in seinem kleinen Wahlbezirke erregte er Mißfallen, man will in Berlin mit aller Gewalt extrem sein. Im December wurde er von der Harkvrt'schen Partei als Kandidat für die zweite Kammer aufgestellt; was aus dieser Kandidatur geworden ist, ist uns unbekannt. — Man hat ein gewisses Mißtrauen gegen die politische Befähigung der Philosophen, und es ist auch unleugbar, daß strenge Systematiker, wenn sie ein falsches Princip aufstellen, damit mehr Unheil anrichten, als andere gewöhnliche Menschen. Die kleine Abhandlung, die Trendelenburg im Mai des vorigen Jahres über das Zweikammersystem herausgab und die jedenfalls mehr Beachtung verdient, als sie gefunden hat, ist ein Beweis der hohem Einsicht, die über die Stichworte des Augenblicks sich erhebt, ohne sie zu verkennen. Es ist- der ruhige, nüchterne Denker, der nach allen Seiten sieht, und das, was er ge¬ sehen hat, in einen höhern, umfassenden Gesichtspunkt zu vereinigen weiß. Er gehört zu den Ersten, die neben einer Volkskammer eine nach Klassen gewählte erste Kammer verlangten. Diese Ansicht wird ans eine eigenthümliche und scharf¬ sinnige Weise motivirt. „Wo alle ohne Unterschied wählen, werden sie nur im Allgemeinen übereinkommen; die Wahl wird nur nach dem Maßstab allgemeiner Ideen geschehen; und es ist mehr dem Zufall überlassen, wie dabei das Beson¬ dere vertreten wird." „Die Idee ist leicht, wenn sie für sich im Allgemeinen ihr Spiel treibt; da leuchtet sie ein, da will sie unaufgehalten ins Leben. Aber es hilft nichts sie in die Luft zu zeichnen. An der Ausführung stößt sie Kuf den Widerstand der Verhältnisse; wer die Reibung nicht kennt, in die sie geräth, ar¬ beitet entweder vergeblich, oder zerstört, indem er sie durchsetzt." „Ist nun die eine Kammrr aus der Gleichheit des Volkes hervorgegangen, so gehn die andern ans den Unterschieden der Lebensrichtungen hervor, damit jede besondere Richtung sich mit dem Allgemeinen ausgleiche und die Erfahrung aller vertreten sei." „Ms! man eine solche Kammer der Volkskammer gegenüber die Ständekammer nennen, — sie wird es in einem andern Sinne sein, als der ist, den man gewöhnlich mit dem Namen der Stände verknüpft. Ohne Privilegium wäre sie nur eine Aristokratie der besondern Einsicht, während in der Volkskammer die Demokratie G. E. der allgemeinen Gesinnung zum Rechte käme." Die Töchter Lucifer's. Dieses blödsinnige Machwerk, das in dem Königstädter Theater einige 70 Mi das Publikum der Spandauer Straße entzückt hat, ist nun auch in Leipzig über die Bretter gegangen. Man nehme eine Masse zusammenhangloser, verrückter Re-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/108>, abgerufen am 15.01.2025.