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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Belgrad und die türkische Grenze.



Skizzen von Serbien.

Als wir in Semlin, der durch Huniady und Johann Kapistran berühmt ge¬
wordenen Stadt den schwanken Ueberfuhrskahn bestiegen, nahmen wir Abschied
von der "deutschen" Erde. Semlin ist zwar nichts weniger als deutsch, eine
echt serbische Stadt, aber die Serben der Türkei nennen Alles, was jenseits der
save und Donau liegt, "deutsch" -- swubske! Wir passirten zwei Cardake,
hölzerne, thurmartige auf Piloten ruhende Wachthäuser der Grenzsoldaten, doch
kein Anrufen von da hielt uns auf. Beide Cardake standen leer: ihre ehemalige
Besatzung ist ausgezogen zum Kampfe für Vaterland und Freiheit. Wie hat doch
der Kriegszustand das Reisen auf serbischen Gebiete erleichtert! Die lästige Grenz¬
sperre hat aufgehört, man braucht sich weder um Konsulat, noch um Polizei mehr
zu kümmern, erspart all die langen Verhöre, Protokolle und Contrasignaturen:
man setzt sich ohne Weiteres in den Kahn, zahlt seinen halben Zwanziger Fähr¬
geld und rasch gehts und ohne Aufenthalt durch die gelben Wogen des Jsther
gen türkisch Belgrad. H t-U-ihl, one i^to!

An der Savcspitze, wo sich die beiden Hauptflüsse des slavischen Südens ver¬
einigen, fällt die Verschiedenheit der Stromfärbung sehr auf. Die Wogen der
Donau gelblich und düster, die save dagegen silberfarbig, hell und klar. Einer
der Fährmänner machte uns darauf aufmerksam: "Seht wie die Donan traurig
ist und die save frisch und munter. Wißt Ihr warum? Die Schwaben oben
trüben uns das Donauwasser!"

Belgrad*), die blanke Stadt der weißen Adler, bietet, von der Savespitze
aus gesehen, einen imposanten, hinreißend schönen Anblick. Die Stadt mit ihrer
bunten Häusermenge, mit ihren vielen Moscheen und halbverfallenen Thorthürmen
erhebt sich amphitheatralisch und zu oberst thront die alte berühmte Festung, etwa
wie der Wysehrad ob den Prager Städten. Die hohen, riesenstarken Mauer¬
gürtel und Bastionen scheinen unübersteiglich und uneinnehmbar, doch mahnen
einige schlecht ausgebesserte Breschen an den alten Laudon und ein vermauertes



*) LevAract -- veloxrs-i, wörtlich- Weißenburg.
G""zb°t"n. I.56
Belgrad und die türkische Grenze.



Skizzen von Serbien.

Als wir in Semlin, der durch Huniady und Johann Kapistran berühmt ge¬
wordenen Stadt den schwanken Ueberfuhrskahn bestiegen, nahmen wir Abschied
von der „deutschen" Erde. Semlin ist zwar nichts weniger als deutsch, eine
echt serbische Stadt, aber die Serben der Türkei nennen Alles, was jenseits der
save und Donau liegt, „deutsch" — swubske! Wir passirten zwei Cardake,
hölzerne, thurmartige auf Piloten ruhende Wachthäuser der Grenzsoldaten, doch
kein Anrufen von da hielt uns auf. Beide Cardake standen leer: ihre ehemalige
Besatzung ist ausgezogen zum Kampfe für Vaterland und Freiheit. Wie hat doch
der Kriegszustand das Reisen auf serbischen Gebiete erleichtert! Die lästige Grenz¬
sperre hat aufgehört, man braucht sich weder um Konsulat, noch um Polizei mehr
zu kümmern, erspart all die langen Verhöre, Protokolle und Contrasignaturen:
man setzt sich ohne Weiteres in den Kahn, zahlt seinen halben Zwanziger Fähr¬
geld und rasch gehts und ohne Aufenthalt durch die gelben Wogen des Jsther
gen türkisch Belgrad. H t-U-ihl, one i^to!

An der Savcspitze, wo sich die beiden Hauptflüsse des slavischen Südens ver¬
einigen, fällt die Verschiedenheit der Stromfärbung sehr auf. Die Wogen der
Donau gelblich und düster, die save dagegen silberfarbig, hell und klar. Einer
der Fährmänner machte uns darauf aufmerksam: „Seht wie die Donan traurig
ist und die save frisch und munter. Wißt Ihr warum? Die Schwaben oben
trüben uns das Donauwasser!"

Belgrad*), die blanke Stadt der weißen Adler, bietet, von der Savespitze
aus gesehen, einen imposanten, hinreißend schönen Anblick. Die Stadt mit ihrer
bunten Häusermenge, mit ihren vielen Moscheen und halbverfallenen Thorthürmen
erhebt sich amphitheatralisch und zu oberst thront die alte berühmte Festung, etwa
wie der Wysehrad ob den Prager Städten. Die hohen, riesenstarken Mauer¬
gürtel und Bastionen scheinen unübersteiglich und uneinnehmbar, doch mahnen
einige schlecht ausgebesserte Breschen an den alten Laudon und ein vermauertes



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[0449] Belgrad und die türkische Grenze. Skizzen von Serbien. Als wir in Semlin, der durch Huniady und Johann Kapistran berühmt ge¬ wordenen Stadt den schwanken Ueberfuhrskahn bestiegen, nahmen wir Abschied von der „deutschen" Erde. Semlin ist zwar nichts weniger als deutsch, eine echt serbische Stadt, aber die Serben der Türkei nennen Alles, was jenseits der save und Donau liegt, „deutsch" — swubske! Wir passirten zwei Cardake, hölzerne, thurmartige auf Piloten ruhende Wachthäuser der Grenzsoldaten, doch kein Anrufen von da hielt uns auf. Beide Cardake standen leer: ihre ehemalige Besatzung ist ausgezogen zum Kampfe für Vaterland und Freiheit. Wie hat doch der Kriegszustand das Reisen auf serbischen Gebiete erleichtert! Die lästige Grenz¬ sperre hat aufgehört, man braucht sich weder um Konsulat, noch um Polizei mehr zu kümmern, erspart all die langen Verhöre, Protokolle und Contrasignaturen: man setzt sich ohne Weiteres in den Kahn, zahlt seinen halben Zwanziger Fähr¬ geld und rasch gehts und ohne Aufenthalt durch die gelben Wogen des Jsther gen türkisch Belgrad. H t-U-ihl, one i^to! An der Savcspitze, wo sich die beiden Hauptflüsse des slavischen Südens ver¬ einigen, fällt die Verschiedenheit der Stromfärbung sehr auf. Die Wogen der Donau gelblich und düster, die save dagegen silberfarbig, hell und klar. Einer der Fährmänner machte uns darauf aufmerksam: „Seht wie die Donan traurig ist und die save frisch und munter. Wißt Ihr warum? Die Schwaben oben trüben uns das Donauwasser!" Belgrad*), die blanke Stadt der weißen Adler, bietet, von der Savespitze aus gesehen, einen imposanten, hinreißend schönen Anblick. Die Stadt mit ihrer bunten Häusermenge, mit ihren vielen Moscheen und halbverfallenen Thorthürmen erhebt sich amphitheatralisch und zu oberst thront die alte berühmte Festung, etwa wie der Wysehrad ob den Prager Städten. Die hohen, riesenstarken Mauer¬ gürtel und Bastionen scheinen unübersteiglich und uneinnehmbar, doch mahnen einige schlecht ausgebesserte Breschen an den alten Laudon und ein vermauertes *) LevAract — veloxrs-i, wörtlich- Weißenburg. G«»zb°t«n. I.56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/449>, abgerufen am 22.12.2024.