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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Petition
der Zigeuner an das k. k. Gesammtministerium.

Ihr seid große Herre", wir sind die kleinen Zigeuner. Wie ein glänzender
Komet steht Ihr über unsern Häuptern, wir sehen zu Euch aus und erflehen von
Euch Gnade, weil wir Euren Zorn fürchten. Ihr fährt in goldenen Wagen,
wir sind die armen Wiesel, welche in der Dämmerung nach Mäuselöchern suchen
in der Steppe. Wir laufen über das Haideland, wir haben kein Nest, keine
Scheuer, keinen hübschen viereckigen Hof mit Hühner" und runden Schweinche",
deren Ihr viele habt. Wir siud sehr klein und sehr arm und deshalb bücken wir
uns tief vor Eurer Macht, denn wären wir größer und dicker, dann thäten wir's
nicht. So aber flehen wir Euch an, wir die gefertigten Zigeuner als Depu¬
tate der Goldwäscher an der Czerna, aller Hufschmiede, sowie auch der Musikan¬
ten, auch der Löffelschnitzer und Ziegelbrenner, dann auch der Kesselflicker und
Drahtbinder und als Deputirte auch von den Andern unseres Geschlechts, deren
Amt wir Euch nicht nennen dürfen, Ihr würdet uns sonst böse und thätet ihnen
ein Leid, obgleich ihnen Niemand beweisen kann, daß sie gemaust haben.

Wir haben gehört: Ihr macht Völker; wir möchten gern auch ein Volk
werden, wir mochten souverän sein und eine Nation haben; den Serben habt
Ihr das Alles geschenkt, Ihr habt die Nuthenen gemacht, auch die Gorallen und
Slovaken erzählen uns, Ihr werdet sie zu Etwas machen, Ihr werdet ihnen
einen Namen geben, eine neue Freiheit, neue Mützen und Rocke und Alles was
dazu hilft, daß sie stattlich sitzen können in der Schenke, sich auf ihre Schenkel
schlagen und rufen: "Seht uns an, die blanken Slovaken, wer hat Etwas gegen
uns? wir sind eine große Nation, wenn wir sprechen, versteht uns Niemand, als
wir selber; wenn wir die Faust ballen, so thun wir's auf unsre eigene Art, keiner
hat uns was zu sagen, wir haben viele Väter und Großväter und unbeschreiblich
viel Ruhm in der Welt; wir sind ein wunderbares Volk! -- So möchten wir
gern auch werden, und möchten das Alles haben, was Ihr den Raizen und den
Nuthenen und den Gorallen gebt; wir flehen Euch an, gebt uus auch eine Wvi-
wodina wie den Serben und rothe Mäntel wie den Nussinen und einen neue"
Namen und zwingt die Herren Stuhlrichter und die großen Vicegespanne, daß sie


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Petition
der Zigeuner an das k. k. Gesammtministerium.

Ihr seid große Herre», wir sind die kleinen Zigeuner. Wie ein glänzender
Komet steht Ihr über unsern Häuptern, wir sehen zu Euch aus und erflehen von
Euch Gnade, weil wir Euren Zorn fürchten. Ihr fährt in goldenen Wagen,
wir sind die armen Wiesel, welche in der Dämmerung nach Mäuselöchern suchen
in der Steppe. Wir laufen über das Haideland, wir haben kein Nest, keine
Scheuer, keinen hübschen viereckigen Hof mit Hühner» und runden Schweinche»,
deren Ihr viele habt. Wir siud sehr klein und sehr arm und deshalb bücken wir
uns tief vor Eurer Macht, denn wären wir größer und dicker, dann thäten wir's
nicht. So aber flehen wir Euch an, wir die gefertigten Zigeuner als Depu¬
tate der Goldwäscher an der Czerna, aller Hufschmiede, sowie auch der Musikan¬
ten, auch der Löffelschnitzer und Ziegelbrenner, dann auch der Kesselflicker und
Drahtbinder und als Deputirte auch von den Andern unseres Geschlechts, deren
Amt wir Euch nicht nennen dürfen, Ihr würdet uns sonst böse und thätet ihnen
ein Leid, obgleich ihnen Niemand beweisen kann, daß sie gemaust haben.

Wir haben gehört: Ihr macht Völker; wir möchten gern auch ein Volk
werden, wir mochten souverän sein und eine Nation haben; den Serben habt
Ihr das Alles geschenkt, Ihr habt die Nuthenen gemacht, auch die Gorallen und
Slovaken erzählen uns, Ihr werdet sie zu Etwas machen, Ihr werdet ihnen
einen Namen geben, eine neue Freiheit, neue Mützen und Rocke und Alles was
dazu hilft, daß sie stattlich sitzen können in der Schenke, sich auf ihre Schenkel
schlagen und rufen: „Seht uns an, die blanken Slovaken, wer hat Etwas gegen
uns? wir sind eine große Nation, wenn wir sprechen, versteht uns Niemand, als
wir selber; wenn wir die Faust ballen, so thun wir's auf unsre eigene Art, keiner
hat uns was zu sagen, wir haben viele Väter und Großväter und unbeschreiblich
viel Ruhm in der Welt; wir sind ein wunderbares Volk! — So möchten wir
gern auch werden, und möchten das Alles haben, was Ihr den Raizen und den
Nuthenen und den Gorallen gebt; wir flehen Euch an, gebt uus auch eine Wvi-
wodina wie den Serben und rothe Mäntel wie den Nussinen und einen neue»
Namen und zwingt die Herren Stuhlrichter und die großen Vicegespanne, daß sie


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[0409] Petition der Zigeuner an das k. k. Gesammtministerium. Ihr seid große Herre», wir sind die kleinen Zigeuner. Wie ein glänzender Komet steht Ihr über unsern Häuptern, wir sehen zu Euch aus und erflehen von Euch Gnade, weil wir Euren Zorn fürchten. Ihr fährt in goldenen Wagen, wir sind die armen Wiesel, welche in der Dämmerung nach Mäuselöchern suchen in der Steppe. Wir laufen über das Haideland, wir haben kein Nest, keine Scheuer, keinen hübschen viereckigen Hof mit Hühner» und runden Schweinche», deren Ihr viele habt. Wir siud sehr klein und sehr arm und deshalb bücken wir uns tief vor Eurer Macht, denn wären wir größer und dicker, dann thäten wir's nicht. So aber flehen wir Euch an, wir die gefertigten Zigeuner als Depu¬ tate der Goldwäscher an der Czerna, aller Hufschmiede, sowie auch der Musikan¬ ten, auch der Löffelschnitzer und Ziegelbrenner, dann auch der Kesselflicker und Drahtbinder und als Deputirte auch von den Andern unseres Geschlechts, deren Amt wir Euch nicht nennen dürfen, Ihr würdet uns sonst böse und thätet ihnen ein Leid, obgleich ihnen Niemand beweisen kann, daß sie gemaust haben. Wir haben gehört: Ihr macht Völker; wir möchten gern auch ein Volk werden, wir mochten souverän sein und eine Nation haben; den Serben habt Ihr das Alles geschenkt, Ihr habt die Nuthenen gemacht, auch die Gorallen und Slovaken erzählen uns, Ihr werdet sie zu Etwas machen, Ihr werdet ihnen einen Namen geben, eine neue Freiheit, neue Mützen und Rocke und Alles was dazu hilft, daß sie stattlich sitzen können in der Schenke, sich auf ihre Schenkel schlagen und rufen: „Seht uns an, die blanken Slovaken, wer hat Etwas gegen uns? wir sind eine große Nation, wenn wir sprechen, versteht uns Niemand, als wir selber; wenn wir die Faust ballen, so thun wir's auf unsre eigene Art, keiner hat uns was zu sagen, wir haben viele Väter und Großväter und unbeschreiblich viel Ruhm in der Welt; wir sind ein wunderbares Volk! — So möchten wir gern auch werden, und möchten das Alles haben, was Ihr den Raizen und den Nuthenen und den Gorallen gebt; wir flehen Euch an, gebt uus auch eine Wvi- wodina wie den Serben und rothe Mäntel wie den Nussinen und einen neue» Namen und zwingt die Herren Stuhlrichter und die großen Vicegespanne, daß sie Grenzboten. I. 1»<!>. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/409>, abgerufen am 22.12.2024.