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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Aus dem Lager der Föderalisten.



Soll Oestreichs Politik deutsch oder slavisch sein? Soll es sich auf Grundlage
des Centralistrungs- oder Föderationssystems constituücn? Dies sind die Fragen,
die das Jahr 1848 mit revolutionärem Ungestüm gestellt hat, und das Jahr 4V
mit Besonnenheit und Ueberlegung beantworten soll. Die Grenzboten haben wohl
zu wiederholten Malen ihr Votum über diese Lebensfragen Oestreichs abgegeben
und dargethan, daß dieses categvrische Entweder-Oder mir von dem beiderseitigen
nationalen Egoismus mit so schneidender Schärfe hingestellt worden sei, und da¬
her durch das sogenannte schwarzgelbe Princip, oder durch ein liberales Oestreicher-
thum nothwendig vermittelt werden müsse. Nun sind die Gegensätze in den Fluß
der Dialektik gekommen, und wir haben nur zu beobachten, in welchen Formen
sie noch auftauchen, ehe sie in die feste Gestalt des zukünftigen Oestreichs als
Momente eingehen und so zur Ruhe gesetzt werden.

In den Juni- und Octvbertagen ist viel Blut für jene beiden Fragen ge¬
flossen, indem man mit wilder Hast von der Barrikade herab, Rede und Antwort
verlangte; die roth-blau-weiße Fahne ist eben so gut, wie die schwarz-roth-goldne,
die Fahne des Aufruhrs gewesen, beide enthalten das blutige Mes, als in-
tegnrenden Bestandtheil. Als noch die Deutsch-Oestreicher und Magyaren die
Errungenschaften ihrer Revolution monopolisirten, und indem sie zwei feste Cen-
tralpunkte in Oestreich anstrebten, die Slaven zu einer gewissen politischen Anony¬
mität verurtheilen wollten, da stellten diese den "Ervbernngsgclüsten von Frank¬
furt und Budapest" den Slavencongrcß entgegen, der gleichsam der mythische
Vortranm vou ihren realen Kämpfen am Reichstage und ans den südslavischen
Schlachtfeldern war, und die politischen Mottos für die Prosa ihrer künftigen
Thätigkeit feststellen sollte. Wir haben gesehen, wie diese Erscheinung durch ihre
eigene monströse Natur zu Grunde ging; und wollen übrigens hier keine alten
Geschichten auffrischen. Bei der Vergleichung der Windischgrätz'sehen Kund¬
machungen mit Bakunin's "Ausruf an die Slave"" fällt es uus aber sogleich auf,
wie damals die Gespensterfurcht des k. k. Bewußtseins und die visionäre Phantasie
des politischen Schwärmers sonderbarer Weise ein und dasselbe Bild erzeugte, und
der russische Republikaner dieselbe falsche Bedeutung in den Slavencougreß hin¬
einlegte, wie Fürst Windischgrätz und der Verein für Ruhe und Ordnung. Nach¬
dem aber die czechischen Volksmänner, zum Theil unmittelbar ans der Hradschiner
Untersuchungshaft in den Reichstag gewählt wurden, bemühten sie sich sogleich,
nach einigen unbedeutenden Interpellationen Clandis und Riegers wegen des Vom-


Aus dem Lager der Föderalisten.



Soll Oestreichs Politik deutsch oder slavisch sein? Soll es sich auf Grundlage
des Centralistrungs- oder Föderationssystems constituücn? Dies sind die Fragen,
die das Jahr 1848 mit revolutionärem Ungestüm gestellt hat, und das Jahr 4V
mit Besonnenheit und Ueberlegung beantworten soll. Die Grenzboten haben wohl
zu wiederholten Malen ihr Votum über diese Lebensfragen Oestreichs abgegeben
und dargethan, daß dieses categvrische Entweder-Oder mir von dem beiderseitigen
nationalen Egoismus mit so schneidender Schärfe hingestellt worden sei, und da¬
her durch das sogenannte schwarzgelbe Princip, oder durch ein liberales Oestreicher-
thum nothwendig vermittelt werden müsse. Nun sind die Gegensätze in den Fluß
der Dialektik gekommen, und wir haben nur zu beobachten, in welchen Formen
sie noch auftauchen, ehe sie in die feste Gestalt des zukünftigen Oestreichs als
Momente eingehen und so zur Ruhe gesetzt werden.

In den Juni- und Octvbertagen ist viel Blut für jene beiden Fragen ge¬
flossen, indem man mit wilder Hast von der Barrikade herab, Rede und Antwort
verlangte; die roth-blau-weiße Fahne ist eben so gut, wie die schwarz-roth-goldne,
die Fahne des Aufruhrs gewesen, beide enthalten das blutige Mes, als in-
tegnrenden Bestandtheil. Als noch die Deutsch-Oestreicher und Magyaren die
Errungenschaften ihrer Revolution monopolisirten, und indem sie zwei feste Cen-
tralpunkte in Oestreich anstrebten, die Slaven zu einer gewissen politischen Anony¬
mität verurtheilen wollten, da stellten diese den „Ervbernngsgclüsten von Frank¬
furt und Budapest" den Slavencongrcß entgegen, der gleichsam der mythische
Vortranm vou ihren realen Kämpfen am Reichstage und ans den südslavischen
Schlachtfeldern war, und die politischen Mottos für die Prosa ihrer künftigen
Thätigkeit feststellen sollte. Wir haben gesehen, wie diese Erscheinung durch ihre
eigene monströse Natur zu Grunde ging; und wollen übrigens hier keine alten
Geschichten auffrischen. Bei der Vergleichung der Windischgrätz'sehen Kund¬
machungen mit Bakunin's „Ausruf an die Slave»" fällt es uus aber sogleich auf,
wie damals die Gespensterfurcht des k. k. Bewußtseins und die visionäre Phantasie
des politischen Schwärmers sonderbarer Weise ein und dasselbe Bild erzeugte, und
der russische Republikaner dieselbe falsche Bedeutung in den Slavencougreß hin¬
einlegte, wie Fürst Windischgrätz und der Verein für Ruhe und Ordnung. Nach¬
dem aber die czechischen Volksmänner, zum Theil unmittelbar ans der Hradschiner
Untersuchungshaft in den Reichstag gewählt wurden, bemühten sie sich sogleich,
nach einigen unbedeutenden Interpellationen Clandis und Riegers wegen des Vom-


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[0389] Aus dem Lager der Föderalisten. Soll Oestreichs Politik deutsch oder slavisch sein? Soll es sich auf Grundlage des Centralistrungs- oder Föderationssystems constituücn? Dies sind die Fragen, die das Jahr 1848 mit revolutionärem Ungestüm gestellt hat, und das Jahr 4V mit Besonnenheit und Ueberlegung beantworten soll. Die Grenzboten haben wohl zu wiederholten Malen ihr Votum über diese Lebensfragen Oestreichs abgegeben und dargethan, daß dieses categvrische Entweder-Oder mir von dem beiderseitigen nationalen Egoismus mit so schneidender Schärfe hingestellt worden sei, und da¬ her durch das sogenannte schwarzgelbe Princip, oder durch ein liberales Oestreicher- thum nothwendig vermittelt werden müsse. Nun sind die Gegensätze in den Fluß der Dialektik gekommen, und wir haben nur zu beobachten, in welchen Formen sie noch auftauchen, ehe sie in die feste Gestalt des zukünftigen Oestreichs als Momente eingehen und so zur Ruhe gesetzt werden. In den Juni- und Octvbertagen ist viel Blut für jene beiden Fragen ge¬ flossen, indem man mit wilder Hast von der Barrikade herab, Rede und Antwort verlangte; die roth-blau-weiße Fahne ist eben so gut, wie die schwarz-roth-goldne, die Fahne des Aufruhrs gewesen, beide enthalten das blutige Mes, als in- tegnrenden Bestandtheil. Als noch die Deutsch-Oestreicher und Magyaren die Errungenschaften ihrer Revolution monopolisirten, und indem sie zwei feste Cen- tralpunkte in Oestreich anstrebten, die Slaven zu einer gewissen politischen Anony¬ mität verurtheilen wollten, da stellten diese den „Ervbernngsgclüsten von Frank¬ furt und Budapest" den Slavencongrcß entgegen, der gleichsam der mythische Vortranm vou ihren realen Kämpfen am Reichstage und ans den südslavischen Schlachtfeldern war, und die politischen Mottos für die Prosa ihrer künftigen Thätigkeit feststellen sollte. Wir haben gesehen, wie diese Erscheinung durch ihre eigene monströse Natur zu Grunde ging; und wollen übrigens hier keine alten Geschichten auffrischen. Bei der Vergleichung der Windischgrätz'sehen Kund¬ machungen mit Bakunin's „Ausruf an die Slave»" fällt es uus aber sogleich auf, wie damals die Gespensterfurcht des k. k. Bewußtseins und die visionäre Phantasie des politischen Schwärmers sonderbarer Weise ein und dasselbe Bild erzeugte, und der russische Republikaner dieselbe falsche Bedeutung in den Slavencougreß hin¬ einlegte, wie Fürst Windischgrätz und der Verein für Ruhe und Ordnung. Nach¬ dem aber die czechischen Volksmänner, zum Theil unmittelbar ans der Hradschiner Untersuchungshaft in den Reichstag gewählt wurden, bemühten sie sich sogleich, nach einigen unbedeutenden Interpellationen Clandis und Riegers wegen des Vom-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/389>, abgerufen am 23.07.2024.