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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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müssen Sie ja auch den Vater kennen, es ist der Tietze, er hat einen grauen
Schnurrbart, den behält er, denn er ist auch Soldat gewesen."

"RoSla", sagte die Alte, "hole Brot und Käse für die Herren, Butter haben
wir nicht, wir sind arme Leute," setzte sie verdrießlich hinzu. Wir dankten und
frugen nach dem Wege zum Tanucubruuuen, wo uns der Baron und das Mit¬
tagessen erwartete. In diesem Augenblick sah Rose unruhig uach dem Fenster, der
Schatten eines Menschen glitt vorüber.

"Wenn Sie herauskommen, gehen Sie rechts bis zur Brücke," erklärte die Alte.
-- "Nein Muhme" fiel Rose schnell ein, "es gibt ja eine" näheren Fußsteig durch die
wilden Birubönila, wo Sie eine halbe Ctuude eher hinkommen, aber da muß ich
die Herren selbst geleiten, sonst konnten sie im Holze herumlaufen bis die Nacht
anbricht." Sie eilte aus der Thür und schlüpfte deu Fußsteig so schnell hinab, daß
wir kaum folgen konnten. Unten war eine Lichtung, an deren Entfernung man
das "Brückla" sehen konnte. "Dort," sagte sie, auf die Brücke zeigend, "gehen
Sie den Fußsteig, Sie können nicht fehlen." "Aber Rose" frugen wir erstaunt,
"Du wolltest uns ja hinbringe", willst Du uns jetzt schon verlassen?"

"Der Brunnen liegt nach Mitternacht und die Herr" sind ja keine Kinder mehr,
sehen Sie nur immer ans die Seite, wo die Bäumla deu Pelz haben: Gott geleil'
Sie," sie drehte um und verschwand in den Zweigen.

"Unsertwegen ist die nicht der Muhme entlaufen," sagte Alfred lachend. -- Am
Brunnen fanden wir.unsern ungeduldiger Wirth. Unter seinen Jägern und cini-
nigen andern bescheidenen Aspiranten für den Mittagstisch zeigte mir Alfred den
Vater des Mädchens, einen kurzen Kerl, rauh und knorrig wie der Ast einer
Steineiche. Er erzählte grade seinem Herrn einen recht raffinirten Waldfrevel und
schloß mit den bedenklichen Worten: "und wo es am verwegensten ist, da ist im¬
mer der Doberwilhelm der Anführer, das ist ein Gottssakermeuter."

"Nehmt euch in Acht, alter Eisbär," sprach Alfred lachend, "daß er nicht in
Euer eignes Gehege kommt, er scheint mir Jagd auf Euer blondes Reh zu machen."

Wir lachten, der Alte aber fuhr wie gestochen zurück und blieb während der
Mahlzeit schweigsam.

Aus dem braunen Moose wuchsen die schlanken Flaschen und die grünen Rö¬
mer, wie Wuudcrpflauzen heraus, aber über die Fleischspeisen und Sulzen waren
unterdeß genäschige Ameisen gefallen. Mit Hilfe einer Rebhnhnfeder gelang eS
uns sie fortzuschnellen, die Pasteten verschwanden vor unserem Hunger, und wie
durstige Hummeln versenkten wir uns in die Glockenkelche der Gläser.


III.

Gegen Abend trat der Waldbeläufer in seine Stube, warf die Mütze auf den
Tisch und frug die Alte kurz: "wo ist Rose?"

"Im Keller, Kartoffeln schälen," erwiederte die Alte.


müssen Sie ja auch den Vater kennen, es ist der Tietze, er hat einen grauen
Schnurrbart, den behält er, denn er ist auch Soldat gewesen."

„RoSla", sagte die Alte, „hole Brot und Käse für die Herren, Butter haben
wir nicht, wir sind arme Leute," setzte sie verdrießlich hinzu. Wir dankten und
frugen nach dem Wege zum Tanucubruuuen, wo uns der Baron und das Mit¬
tagessen erwartete. In diesem Augenblick sah Rose unruhig uach dem Fenster, der
Schatten eines Menschen glitt vorüber.

„Wenn Sie herauskommen, gehen Sie rechts bis zur Brücke," erklärte die Alte.
— „Nein Muhme" fiel Rose schnell ein, „es gibt ja eine» näheren Fußsteig durch die
wilden Birubönila, wo Sie eine halbe Ctuude eher hinkommen, aber da muß ich
die Herren selbst geleiten, sonst konnten sie im Holze herumlaufen bis die Nacht
anbricht." Sie eilte aus der Thür und schlüpfte deu Fußsteig so schnell hinab, daß
wir kaum folgen konnten. Unten war eine Lichtung, an deren Entfernung man
das „Brückla" sehen konnte. „Dort," sagte sie, auf die Brücke zeigend, „gehen
Sie den Fußsteig, Sie können nicht fehlen." „Aber Rose" frugen wir erstaunt,
„Du wolltest uns ja hinbringe», willst Du uns jetzt schon verlassen?"

„Der Brunnen liegt nach Mitternacht und die Herr» sind ja keine Kinder mehr,
sehen Sie nur immer ans die Seite, wo die Bäumla deu Pelz haben: Gott geleil'
Sie," sie drehte um und verschwand in den Zweigen.

„Unsertwegen ist die nicht der Muhme entlaufen," sagte Alfred lachend. — Am
Brunnen fanden wir.unsern ungeduldiger Wirth. Unter seinen Jägern und cini-
nigen andern bescheidenen Aspiranten für den Mittagstisch zeigte mir Alfred den
Vater des Mädchens, einen kurzen Kerl, rauh und knorrig wie der Ast einer
Steineiche. Er erzählte grade seinem Herrn einen recht raffinirten Waldfrevel und
schloß mit den bedenklichen Worten: „und wo es am verwegensten ist, da ist im¬
mer der Doberwilhelm der Anführer, das ist ein Gottssakermeuter."

„Nehmt euch in Acht, alter Eisbär," sprach Alfred lachend, „daß er nicht in
Euer eignes Gehege kommt, er scheint mir Jagd auf Euer blondes Reh zu machen."

Wir lachten, der Alte aber fuhr wie gestochen zurück und blieb während der
Mahlzeit schweigsam.

Aus dem braunen Moose wuchsen die schlanken Flaschen und die grünen Rö¬
mer, wie Wuudcrpflauzen heraus, aber über die Fleischspeisen und Sulzen waren
unterdeß genäschige Ameisen gefallen. Mit Hilfe einer Rebhnhnfeder gelang eS
uns sie fortzuschnellen, die Pasteten verschwanden vor unserem Hunger, und wie
durstige Hummeln versenkten wir uns in die Glockenkelche der Gläser.


III.

Gegen Abend trat der Waldbeläufer in seine Stube, warf die Mütze auf den
Tisch und frug die Alte kurz: „wo ist Rose?"

„Im Keller, Kartoffeln schälen," erwiederte die Alte.


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[0237] müssen Sie ja auch den Vater kennen, es ist der Tietze, er hat einen grauen Schnurrbart, den behält er, denn er ist auch Soldat gewesen." „RoSla", sagte die Alte, „hole Brot und Käse für die Herren, Butter haben wir nicht, wir sind arme Leute," setzte sie verdrießlich hinzu. Wir dankten und frugen nach dem Wege zum Tanucubruuuen, wo uns der Baron und das Mit¬ tagessen erwartete. In diesem Augenblick sah Rose unruhig uach dem Fenster, der Schatten eines Menschen glitt vorüber. „Wenn Sie herauskommen, gehen Sie rechts bis zur Brücke," erklärte die Alte. — „Nein Muhme" fiel Rose schnell ein, „es gibt ja eine» näheren Fußsteig durch die wilden Birubönila, wo Sie eine halbe Ctuude eher hinkommen, aber da muß ich die Herren selbst geleiten, sonst konnten sie im Holze herumlaufen bis die Nacht anbricht." Sie eilte aus der Thür und schlüpfte deu Fußsteig so schnell hinab, daß wir kaum folgen konnten. Unten war eine Lichtung, an deren Entfernung man das „Brückla" sehen konnte. „Dort," sagte sie, auf die Brücke zeigend, „gehen Sie den Fußsteig, Sie können nicht fehlen." „Aber Rose" frugen wir erstaunt, „Du wolltest uns ja hinbringe», willst Du uns jetzt schon verlassen?" „Der Brunnen liegt nach Mitternacht und die Herr» sind ja keine Kinder mehr, sehen Sie nur immer ans die Seite, wo die Bäumla deu Pelz haben: Gott geleil' Sie," sie drehte um und verschwand in den Zweigen. „Unsertwegen ist die nicht der Muhme entlaufen," sagte Alfred lachend. — Am Brunnen fanden wir.unsern ungeduldiger Wirth. Unter seinen Jägern und cini- nigen andern bescheidenen Aspiranten für den Mittagstisch zeigte mir Alfred den Vater des Mädchens, einen kurzen Kerl, rauh und knorrig wie der Ast einer Steineiche. Er erzählte grade seinem Herrn einen recht raffinirten Waldfrevel und schloß mit den bedenklichen Worten: „und wo es am verwegensten ist, da ist im¬ mer der Doberwilhelm der Anführer, das ist ein Gottssakermeuter." „Nehmt euch in Acht, alter Eisbär," sprach Alfred lachend, „daß er nicht in Euer eignes Gehege kommt, er scheint mir Jagd auf Euer blondes Reh zu machen." Wir lachten, der Alte aber fuhr wie gestochen zurück und blieb während der Mahlzeit schweigsam. Aus dem braunen Moose wuchsen die schlanken Flaschen und die grünen Rö¬ mer, wie Wuudcrpflauzen heraus, aber über die Fleischspeisen und Sulzen waren unterdeß genäschige Ameisen gefallen. Mit Hilfe einer Rebhnhnfeder gelang eS uns sie fortzuschnellen, die Pasteten verschwanden vor unserem Hunger, und wie durstige Hummeln versenkten wir uns in die Glockenkelche der Gläser. III. Gegen Abend trat der Waldbeläufer in seine Stube, warf die Mütze auf den Tisch und frug die Alte kurz: „wo ist Rose?" „Im Keller, Kartoffeln schälen," erwiederte die Alte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/237>, abgerufen am 22.12.2024.