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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Maßregel gegen das Slaventhum überhaupt aufgefaßt. So sind die Deutschen, heißt
es, französisch, spanisch, chinesisch, alle möglichen fremden Sprachen müssen auf ihren
Hochschulen gelehrt werden, aber die slavischen Sprachen sind verpönt, verstoßen, ver¬
dammt! Und Jordan ist ein Märtyrer!

Ein Blatt im deutschen Geist und Interesse, mit dessen Gründung sich der hiesige
constitutionelle Verein trägt, scheint mir vor der Hand ein schöner Traum zu sein.
Redacteure, Mitarbeiter, Setzer und Correctoren eines solchen Blattes müßten ein
dickes Fell haben, und nie anders als bis an die Zähne bewaffnet über die Straße
gehen. Der Drucker würde sich vielleicht die nöthige Eonragc anschaffen, wenn ein
Dutzend Grenadiere Tag und Nacht seine Pressen bewachte. Unter den hiesigen Deut¬
schen aber würden Viele schreien, das Journal schade mehr als es nütze, denn es stifte
Unfrieden und könne Ruhestörungen veranlassen!

Es gäbe ein Mittel, um einen bessern und friedlichem Geist im Lande zu er¬
wecken. Ich appellire an die Czechen selbst, Es gibt humane und gebildete
Köpfe unter ihnen, die für das wahrhafte Interesse ihres Volles Herz und Verständ¬
niß haben. Sie müßten das verblendete Volk in populärer czechischer'Sprache zu be¬
lehren, ihm die Augen über das selbstmörderische Treiben der Ultras zu öffnen suchen.
Was der Deutsche nicht kann, das vermag der Czeche, seinen Landsleuten gegenüber.
Man würde sie anfangs Abtrünnige schelten, sie verketzern, aber doch schwerlich stei¬
nigen; besonders wenn ihre Wirksamkeit aus dem Land anfinge.

Ehe die czechische Intelligenz nicht von ihrem großen Götzen Palacku sich lossagt
und die Aufklärung des Volkes ehrlich unternimmt, ist keine Beruhigung Böhmens zu
hoffen. --'


^
III.
'Aerr Oppenheim.

In der ersten Nummer der neuen Grenzboten kam folgender Passus vor:
"Wenn man die jetzigen Radikalen -- deren bester Spiegel vielleicht die Reform
sein möchte -- in ihrem unruhigen Treiben verfolgt, so erkennt man leicht die alte
Schule (der Rande's, Bnffey's u. f. w.) wieder. Es ist ihnen alles nicht gut genug;
sie lösen alle positiven Verhältnisse aus, sie treiben abstrakte Kritik, wie die alten So¬
phisten. Sie sind " Krakehler," wie ihr aufrichtiger und populärer Gesinnungsge¬
nosse sich selber nennt, ohne speziellen Zweck; sie donnern gegen die NationalitätSschnnrre
(ein Lieblingsausdruck von Arnold Rüge) der Deutschen, nehmen aber die polnische,
dänische, französische, czechische und andere Nationalitäten in Schutz; sie donnern gegen
die Pfaffen und ringen gleich darauf über die Schändlichkeit des preußischen Gouverne¬
ments die Hände, die fromme polnische Jugend in seinen atheistischen Schulen zur Gott¬
losigkeit anzuhalten u. s. w."


beeren) erschienen ist, und daß auf dem Titelblatt wieder aus Versehen der Name Jordan steht
statt Klanen Letzterer, dessen Name einen guten Klang in der böhmischen Literatur hat,
schickte das Manuscript allerdings an den Herausgeber der "Slavischen Jahrbücher," als der¬
selbe noch in Leipzig lebte, aber nicht, -um ihm damit ein Geschenk zu machen.

Maßregel gegen das Slaventhum überhaupt aufgefaßt. So sind die Deutschen, heißt
es, französisch, spanisch, chinesisch, alle möglichen fremden Sprachen müssen auf ihren
Hochschulen gelehrt werden, aber die slavischen Sprachen sind verpönt, verstoßen, ver¬
dammt! Und Jordan ist ein Märtyrer!

Ein Blatt im deutschen Geist und Interesse, mit dessen Gründung sich der hiesige
constitutionelle Verein trägt, scheint mir vor der Hand ein schöner Traum zu sein.
Redacteure, Mitarbeiter, Setzer und Correctoren eines solchen Blattes müßten ein
dickes Fell haben, und nie anders als bis an die Zähne bewaffnet über die Straße
gehen. Der Drucker würde sich vielleicht die nöthige Eonragc anschaffen, wenn ein
Dutzend Grenadiere Tag und Nacht seine Pressen bewachte. Unter den hiesigen Deut¬
schen aber würden Viele schreien, das Journal schade mehr als es nütze, denn es stifte
Unfrieden und könne Ruhestörungen veranlassen!

Es gäbe ein Mittel, um einen bessern und friedlichem Geist im Lande zu er¬
wecken. Ich appellire an die Czechen selbst, Es gibt humane und gebildete
Köpfe unter ihnen, die für das wahrhafte Interesse ihres Volles Herz und Verständ¬
niß haben. Sie müßten das verblendete Volk in populärer czechischer'Sprache zu be¬
lehren, ihm die Augen über das selbstmörderische Treiben der Ultras zu öffnen suchen.
Was der Deutsche nicht kann, das vermag der Czeche, seinen Landsleuten gegenüber.
Man würde sie anfangs Abtrünnige schelten, sie verketzern, aber doch schwerlich stei¬
nigen; besonders wenn ihre Wirksamkeit aus dem Land anfinge.

Ehe die czechische Intelligenz nicht von ihrem großen Götzen Palacku sich lossagt
und die Aufklärung des Volkes ehrlich unternimmt, ist keine Beruhigung Böhmens zu
hoffen. —'


^
III.
'Aerr Oppenheim.

In der ersten Nummer der neuen Grenzboten kam folgender Passus vor:
„Wenn man die jetzigen Radikalen — deren bester Spiegel vielleicht die Reform
sein möchte — in ihrem unruhigen Treiben verfolgt, so erkennt man leicht die alte
Schule (der Rande's, Bnffey's u. f. w.) wieder. Es ist ihnen alles nicht gut genug;
sie lösen alle positiven Verhältnisse aus, sie treiben abstrakte Kritik, wie die alten So¬
phisten. Sie sind „ Krakehler," wie ihr aufrichtiger und populärer Gesinnungsge¬
nosse sich selber nennt, ohne speziellen Zweck; sie donnern gegen die NationalitätSschnnrre
(ein Lieblingsausdruck von Arnold Rüge) der Deutschen, nehmen aber die polnische,
dänische, französische, czechische und andere Nationalitäten in Schutz; sie donnern gegen
die Pfaffen und ringen gleich darauf über die Schändlichkeit des preußischen Gouverne¬
ments die Hände, die fromme polnische Jugend in seinen atheistischen Schulen zur Gott¬
losigkeit anzuhalten u. s. w."


beeren) erschienen ist, und daß auf dem Titelblatt wieder aus Versehen der Name Jordan steht
statt Klanen Letzterer, dessen Name einen guten Klang in der böhmischen Literatur hat,
schickte das Manuscript allerdings an den Herausgeber der „Slavischen Jahrbücher," als der¬
selbe noch in Leipzig lebte, aber nicht, -um ihm damit ein Geschenk zu machen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/184>, abgerufen am 03.07.2024.