Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.Duclerc sich den Einflüssen des Banquiers Fould entzogen hatte und gestürzt worden V. I!. Die böhmischen wirren und der wiener Ficherheitsaiisschns). Nun ist der Belagerungszustand aufgehoben, aber schwerlich die Gefahr eines Auf dem Hradschin sitzen etwa 180 Personen in kriegsgerichtlicher Untersuchung, Duclerc sich den Einflüssen des Banquiers Fould entzogen hatte und gestürzt worden V. I!. Die böhmischen wirren und der wiener Ficherheitsaiisschns). Nun ist der Belagerungszustand aufgehoben, aber schwerlich die Gefahr eines Auf dem Hradschin sitzen etwa 180 Personen in kriegsgerichtlicher Untersuchung, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0177" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277607"/> <p xml:id="ID_546" prev="#ID_545"> Duclerc sich den Einflüssen des Banquiers Fould entzogen hatte und gestürzt worden<lb/> war, fiel die Wahl auf einen ehemaligen Banquier, der das erste Finanzministerium<lb/> der provisorischen Regierung aufgegeben hatte, weil er die damals erheischten revolutio¬<lb/> nären Maßregeln nicht aus sich nehmen wollte. Jetzt ist Herr Gondchaux an seinem<lb/> Platz, die Börsenleute wissen, was sie seinen weisen Finanzmaßregeln schuldig sind. Um<lb/> nun den Socialismus, den man praktisch abgewiesen hatte, auch theoretisch anzugreifen,<lb/> brachte man Proudhon in den Bureaus der Kammer mit Thiers, als ihrer bedeutend¬<lb/> sten politischen Kapacität, zusammen. Proudhon vertheidigte das Recht auf Arbeit,<lb/> das in der Constitution versprochen werden sollte und war naiv genug, einzugestehen,<lb/> daß die Abschaffung des Eigenthums eine natürliche Folge dieses Rechte« sein würde.<lb/> Dies hieß so viel als seinen Feinden die Mühe ersparen, sich die rothe Fahne von der<lb/> Barrikade des Socialismus zu erobern, Proudhon gab sie ihnen freiwillig in die Hände<lb/> und Thiers verfehlte nicht, sie ans den Colonnen seines wackern „Constitutionel" in<lb/> aller Welt Enden tragen zu lassen. 8i rien«««« s>!>it<»8»n!uis in»»«»«««!«. Wenn<lb/> Proudhon sich hier unvorsichtig und sophistisch gezeigt hat, so war er desto ent¬<lb/> schlossener in seinem vor acht Tagen erschienenen, höchst merkwürdigen Briefe an die<lb/> „Union." Er ist der erste, der sich nicht scheute, die versuchte Juuirevolutivn zu ent¬<lb/> schuldigen und die Zustände schonungslos zu kritisiren, durch welche ein Aufstand der Art<lb/> möglich war. Man hat Ursache ans die Stimmen neugierig zu sein, die sich nach der<lb/> Aufhebung des Kriegszustandes werden vernehmen lassen.</p><lb/> <note type="byline"> V.</note><lb/> </div> <div n="2"> <head> I!.<lb/> Die böhmischen wirren und der wiener Ficherheitsaiisschns).</head><lb/> <p xml:id="ID_547"> Nun ist der Belagerungszustand aufgehoben, aber schwerlich die Gefahr eines<lb/> neuen Straßenkampses, vor dem »us immer noch ein Paar hundert Schock Bayonette<lb/> schützen müssen. Und mit dem Ansehn der deutschen Sache steht es beinahe schlimmer,<lb/> als vor den Junitagen, theils durch die moralische Schwäche der deutsche» Bevölke¬<lb/> rung von Prag, theils durch die Schuld der abgetretenen Regierung. Es ist schwer,<lb/> in her verhängnißvollen östreichischen Verwirrung immer richtig zu handeln, und der<lb/> unbefangenste Beobachter wird oft in Verlegenheit gerathen, wenn er Schuld oder Ver¬<lb/> dienst der Hauptpersonen gerecht abwägen soll, doch gibt es AusnahmsMe, wo z. B.<lb/> Windischgrätz und der Sicherheitsausschuß, beide abwechselnd, das klarste Recht und<lb/> das schreiendste Unrecht auf ihrer Seite haben. Erlauben Sie, daß ich, statt zu rai-<lb/> sonniren, vorerst die Dinge selbst reden lasse.</p><lb/> <p xml:id="ID_548" next="#ID_549"> Auf dem Hradschin sitzen etwa 180 Personen in kriegsgerichtlicher Untersuchung,<lb/> welche bereits große Fortschritte gemacht hat, und in dem Maße, als der Schleier sich<lb/> i" ,lüften anfängt, verliert die Verschwörung von ihrer phantastischen Gestalt, um desto<lb/> gefährlichere, weil minder bodenlose, Plane blicken zu lassen. Von der gefädelten Bar-<lb/> ^'lomäusnacht bleibt die Aechtung von ein paar Dutzend „Verräthern" wahr, die man<lb/> festnehmen wollte. Vielleicht hätte mau sie nachher vor der Pöbclwnth nicht retten<lb/> können! Ferner war es vor der Hand auf keine Absetzung des Kaisers Ferdinand<lb/> und keine Krönung Peter Faster's abgesehen: die wirkliche Absicht der Verschworenen<lb/> sieht kühn genug aus. Böhmen sollte dieselbe Stellung erhalten, welche Ungarn ein¬<lb/> nimmt: eigenes Kriegs- und Finanzministerium; das Czechische als Staats- und Schul-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0177]
Duclerc sich den Einflüssen des Banquiers Fould entzogen hatte und gestürzt worden
war, fiel die Wahl auf einen ehemaligen Banquier, der das erste Finanzministerium
der provisorischen Regierung aufgegeben hatte, weil er die damals erheischten revolutio¬
nären Maßregeln nicht aus sich nehmen wollte. Jetzt ist Herr Gondchaux an seinem
Platz, die Börsenleute wissen, was sie seinen weisen Finanzmaßregeln schuldig sind. Um
nun den Socialismus, den man praktisch abgewiesen hatte, auch theoretisch anzugreifen,
brachte man Proudhon in den Bureaus der Kammer mit Thiers, als ihrer bedeutend¬
sten politischen Kapacität, zusammen. Proudhon vertheidigte das Recht auf Arbeit,
das in der Constitution versprochen werden sollte und war naiv genug, einzugestehen,
daß die Abschaffung des Eigenthums eine natürliche Folge dieses Rechte« sein würde.
Dies hieß so viel als seinen Feinden die Mühe ersparen, sich die rothe Fahne von der
Barrikade des Socialismus zu erobern, Proudhon gab sie ihnen freiwillig in die Hände
und Thiers verfehlte nicht, sie ans den Colonnen seines wackern „Constitutionel" in
aller Welt Enden tragen zu lassen. 8i rien«««« s>!>it<»8»n!uis in»»«»«««!«. Wenn
Proudhon sich hier unvorsichtig und sophistisch gezeigt hat, so war er desto ent¬
schlossener in seinem vor acht Tagen erschienenen, höchst merkwürdigen Briefe an die
„Union." Er ist der erste, der sich nicht scheute, die versuchte Juuirevolutivn zu ent¬
schuldigen und die Zustände schonungslos zu kritisiren, durch welche ein Aufstand der Art
möglich war. Man hat Ursache ans die Stimmen neugierig zu sein, die sich nach der
Aufhebung des Kriegszustandes werden vernehmen lassen.
V.
I!.
Die böhmischen wirren und der wiener Ficherheitsaiisschns).
Nun ist der Belagerungszustand aufgehoben, aber schwerlich die Gefahr eines
neuen Straßenkampses, vor dem »us immer noch ein Paar hundert Schock Bayonette
schützen müssen. Und mit dem Ansehn der deutschen Sache steht es beinahe schlimmer,
als vor den Junitagen, theils durch die moralische Schwäche der deutsche» Bevölke¬
rung von Prag, theils durch die Schuld der abgetretenen Regierung. Es ist schwer,
in her verhängnißvollen östreichischen Verwirrung immer richtig zu handeln, und der
unbefangenste Beobachter wird oft in Verlegenheit gerathen, wenn er Schuld oder Ver¬
dienst der Hauptpersonen gerecht abwägen soll, doch gibt es AusnahmsMe, wo z. B.
Windischgrätz und der Sicherheitsausschuß, beide abwechselnd, das klarste Recht und
das schreiendste Unrecht auf ihrer Seite haben. Erlauben Sie, daß ich, statt zu rai-
sonniren, vorerst die Dinge selbst reden lasse.
Auf dem Hradschin sitzen etwa 180 Personen in kriegsgerichtlicher Untersuchung,
welche bereits große Fortschritte gemacht hat, und in dem Maße, als der Schleier sich
i" ,lüften anfängt, verliert die Verschwörung von ihrer phantastischen Gestalt, um desto
gefährlichere, weil minder bodenlose, Plane blicken zu lassen. Von der gefädelten Bar-
^'lomäusnacht bleibt die Aechtung von ein paar Dutzend „Verräthern" wahr, die man
festnehmen wollte. Vielleicht hätte mau sie nachher vor der Pöbclwnth nicht retten
können! Ferner war es vor der Hand auf keine Absetzung des Kaisers Ferdinand
und keine Krönung Peter Faster's abgesehen: die wirkliche Absicht der Verschworenen
sieht kühn genug aus. Böhmen sollte dieselbe Stellung erhalten, welche Ungarn ein¬
nimmt: eigenes Kriegs- und Finanzministerium; das Czechische als Staats- und Schul-
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