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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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unterstützen und fördern werden. Anders beim Krelsdirector. Er ist vor seiner
Wahl dem größern Kreis weniger genau bekannt, er wird bei seiner Amtsthätig¬
keit nicht gestützt und in dem rechten Weg erhalten durch die Mitwirkung der
Gemeindebeamten, sondern er steht allein, muß repräsentiren, bald hier bald da
energisch eingreifen, bald die Rechte der Gemeinden gegenüber dem Staat, bald
das Ganze gegen die Separatforderungen vertreten. Deshalb ist die Wahl einer
solchen Persönlichkeit der erste Punkt, wo das selbstständige Leben der Communen
und Kreise in Verbindung tritt mit der Regierung des demokratischen Staats.


Bezirke.

Die staatliche Verbindung mehrerer Kreise zu einer Einheit soll hier Bezirk
heißen. Sie besteht in den verschiedenen Staaten unter dem Titel Kreis, Guber-
nium, Distrikt u. s. w. Auch ihre Thätigkeit hat sich sehr verschieden entwickelt,
und man kann die Beobachtung machen, daß eine kräftige Gliederung der kleinen
Kreise das Bezirksleben nicht fördert, daß aber da, wo die größeren Bezirke eine
wirksame Vereinigung für die Interessen ihres Landstrichs sind, das Leben der
kleinen Kreise nicht sonderlich entwickelt ist. Jedenfalls ist der erstere Fall der
bessere, weil die Betheiligung der Einzelnen in der kleinen Sphäre am zahl¬
reichsten und größten sein kann und dadurch Gemeinsinn und verständiges Urtheil
am meisten gefördert werden. Bei Abgrenzung der Bezirke werden die Boden¬
bildung, Sprachgrenze, Kultur und Gewohnheiten des Volks zu beachten sein,
sechs bis zwölf Kreise, je nach ihrer Größe, werden die beste Ausdehnung des
Bezirks sein. Die Zertheilung eines Staates oder einer Provinz in Bezirke hat
aber da, wo eine gute Organisation der Kreise besteht, nicht mehr den Vortheil
neue Sphären eines selbstthätigen Volkslebens zu entwickeln und durch ihr Selbst¬
regiment die freie Bildung der Nation zu fördern ; Bezirke sind nichts und können
bei uns nichts anderes werden, als verständige Eintheilungen des Landes für die
Staatsregierung zu möglichst bequemer und energischer Administration. Das läßt
sich nicht aus der bisherigen Erfahrung schließen, es liegt in der Sache selbst.
Allerdings gleiten die Interessen der Communen vielfach über die engen Grenzen
ihrer Kreise heraus und überall zeigt sich die Nothwendigkeit größerer Verbindun¬
gen, aber alle diese ferneren Verbindungen für gemeinsame Interessen sind nichts,
als freie und wechselnde Associationen der Gemeinden und Kreise zu bestimmten
Zwecken. Mustern wir die Interessen des Volks, für welche man Selbstregiment
und volksmäßige Organisation der Bezirke nöthig erachtet hat. Eine Chaussee
soll gebaut, ein Kanal soll gegraben werden. Aber dergleichen wird ja jetzt durch
Aktiengesellschaften ausgeführt und es bedarf Gottlob! keiner Bezirksverwaltung
mehr, um die Berechnung über Vortheile und Schwierigkeiten eines solchen Baus
anzustellen. Und ein Bezirk hat überhaupt kein Geschick, oft keine Veranlassung
zu dergleichen Unternehmungen. Chausseen und Kanäle sind Linien, welche einzelne


unterstützen und fördern werden. Anders beim Krelsdirector. Er ist vor seiner
Wahl dem größern Kreis weniger genau bekannt, er wird bei seiner Amtsthätig¬
keit nicht gestützt und in dem rechten Weg erhalten durch die Mitwirkung der
Gemeindebeamten, sondern er steht allein, muß repräsentiren, bald hier bald da
energisch eingreifen, bald die Rechte der Gemeinden gegenüber dem Staat, bald
das Ganze gegen die Separatforderungen vertreten. Deshalb ist die Wahl einer
solchen Persönlichkeit der erste Punkt, wo das selbstständige Leben der Communen
und Kreise in Verbindung tritt mit der Regierung des demokratischen Staats.


Bezirke.

Die staatliche Verbindung mehrerer Kreise zu einer Einheit soll hier Bezirk
heißen. Sie besteht in den verschiedenen Staaten unter dem Titel Kreis, Guber-
nium, Distrikt u. s. w. Auch ihre Thätigkeit hat sich sehr verschieden entwickelt,
und man kann die Beobachtung machen, daß eine kräftige Gliederung der kleinen
Kreise das Bezirksleben nicht fördert, daß aber da, wo die größeren Bezirke eine
wirksame Vereinigung für die Interessen ihres Landstrichs sind, das Leben der
kleinen Kreise nicht sonderlich entwickelt ist. Jedenfalls ist der erstere Fall der
bessere, weil die Betheiligung der Einzelnen in der kleinen Sphäre am zahl¬
reichsten und größten sein kann und dadurch Gemeinsinn und verständiges Urtheil
am meisten gefördert werden. Bei Abgrenzung der Bezirke werden die Boden¬
bildung, Sprachgrenze, Kultur und Gewohnheiten des Volks zu beachten sein,
sechs bis zwölf Kreise, je nach ihrer Größe, werden die beste Ausdehnung des
Bezirks sein. Die Zertheilung eines Staates oder einer Provinz in Bezirke hat
aber da, wo eine gute Organisation der Kreise besteht, nicht mehr den Vortheil
neue Sphären eines selbstthätigen Volkslebens zu entwickeln und durch ihr Selbst¬
regiment die freie Bildung der Nation zu fördern ; Bezirke sind nichts und können
bei uns nichts anderes werden, als verständige Eintheilungen des Landes für die
Staatsregierung zu möglichst bequemer und energischer Administration. Das läßt
sich nicht aus der bisherigen Erfahrung schließen, es liegt in der Sache selbst.
Allerdings gleiten die Interessen der Communen vielfach über die engen Grenzen
ihrer Kreise heraus und überall zeigt sich die Nothwendigkeit größerer Verbindun¬
gen, aber alle diese ferneren Verbindungen für gemeinsame Interessen sind nichts,
als freie und wechselnde Associationen der Gemeinden und Kreise zu bestimmten
Zwecken. Mustern wir die Interessen des Volks, für welche man Selbstregiment
und volksmäßige Organisation der Bezirke nöthig erachtet hat. Eine Chaussee
soll gebaut, ein Kanal soll gegraben werden. Aber dergleichen wird ja jetzt durch
Aktiengesellschaften ausgeführt und es bedarf Gottlob! keiner Bezirksverwaltung
mehr, um die Berechnung über Vortheile und Schwierigkeiten eines solchen Baus
anzustellen. Und ein Bezirk hat überhaupt kein Geschick, oft keine Veranlassung
zu dergleichen Unternehmungen. Chausseen und Kanäle sind Linien, welche einzelne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/98>, abgerufen am 22.07.2024.