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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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stocken in ein höchst willkürliches Ceremoniell des Dienstes. Große geistige Kapa¬
cität in vielen Fällen und Mangel an wahrer geistiger Größe.

Ich habe gesagt, wir können den Juden in seinem specifischen Unterschied von
der übrigen Menschheit bald als blos historisches Bild mit ästhetischer Freiheit
betrachten, mit dem unbefangenen Genuß, den jede Erscheinung gewährt, die ein¬
mal geschichtliches Recht an sich trug. Ich wage die Hoffnung auszusprechen daß
,
I. S. der specifische Christ sich ihm bald anschließen wird.




Mus Berlin.



Wahrscheinlich wird das Ministerium P fu el in Kurzem seine Sendung erfüllt
haben, aber das Vaterland wird ihm nichts desto weniger Dank schulden für die
Uebernahme schwerer Pflichten in einem kritischen Augenblicke, für die momentane
Herstellung der Ruhe -- dafür daß es seinen Nachfolgern durch Ausführung des
mißlichen Kammerbeschlusses freie Hand geschaffen und gleichzeitig durch sein Auf¬
treten gegen die Cölner wie gegen einige Berliner Radikalen die ersten Anfänge
von Energie gezeigt hat. Unsere Lage während der Ministerkrisis war in der
That so bedenklich, am letzten Montage stand namentlich so viel auf dem Spiele,
daß ich es in meinem vorigen Berichte allerdings für gerathen hielt, von den
Antecedentien, besonders Eichmann's, abzusehen und dem Cabinet, das doch nun
einmal da war, in keiner Weise das Vertrauen zu verkümmern, das es sich dnrch
seine offenen Erklärungen in den ersten beiden Sitzungen mit Mühe erworben.
Nie war es gefährlicher, als an jenem Tage, mit unsern sogenannten Demokraten
aus einem Horne zu blasen.

Alles war für den 25. September zu einer Emente vorbereitet, überall sprach
man offen und frei davon - die Plakate und radikalen Blätter forderten mit
größter Frechheit dazu auf und die Emigration begann auf's Neue. Dank der
Unentschlossenheit in Potsdam, so wie der Rivalität zwischen den Parteihäuptern
der Kammer, wir standen nach Verlauf von drei Wochen noch auf demselben
Punkte wie am 4. und 7. September. Die geringste Zweideutigkeit des Mini¬
steriums in der Erklärung des Wrangel'schen Armeebefehls, der mindeste Rückhalt
bei der Ausführung des Stein'schen Antrags wäre das Signal zum Austritte der
Linken und zum Losschlagen gewesen. Die Stellung des Ministeriums war un-,
endlich schwierig, wenn es nicht auf die Seite der Camarilla treten wollte, es
sollte dem Volke genügen und zu gleicher Zeit das Heer und den Hof menagiren;
in Potsdam ließen sich Stimmen genng vernehmen, die den Kampf eben so sehn-


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stocken in ein höchst willkürliches Ceremoniell des Dienstes. Große geistige Kapa¬
cität in vielen Fällen und Mangel an wahrer geistiger Größe.

Ich habe gesagt, wir können den Juden in seinem specifischen Unterschied von
der übrigen Menschheit bald als blos historisches Bild mit ästhetischer Freiheit
betrachten, mit dem unbefangenen Genuß, den jede Erscheinung gewährt, die ein¬
mal geschichtliches Recht an sich trug. Ich wage die Hoffnung auszusprechen daß
,
I. S. der specifische Christ sich ihm bald anschließen wird.




Mus Berlin.



Wahrscheinlich wird das Ministerium P fu el in Kurzem seine Sendung erfüllt
haben, aber das Vaterland wird ihm nichts desto weniger Dank schulden für die
Uebernahme schwerer Pflichten in einem kritischen Augenblicke, für die momentane
Herstellung der Ruhe — dafür daß es seinen Nachfolgern durch Ausführung des
mißlichen Kammerbeschlusses freie Hand geschaffen und gleichzeitig durch sein Auf¬
treten gegen die Cölner wie gegen einige Berliner Radikalen die ersten Anfänge
von Energie gezeigt hat. Unsere Lage während der Ministerkrisis war in der
That so bedenklich, am letzten Montage stand namentlich so viel auf dem Spiele,
daß ich es in meinem vorigen Berichte allerdings für gerathen hielt, von den
Antecedentien, besonders Eichmann's, abzusehen und dem Cabinet, das doch nun
einmal da war, in keiner Weise das Vertrauen zu verkümmern, das es sich dnrch
seine offenen Erklärungen in den ersten beiden Sitzungen mit Mühe erworben.
Nie war es gefährlicher, als an jenem Tage, mit unsern sogenannten Demokraten
aus einem Horne zu blasen.

Alles war für den 25. September zu einer Emente vorbereitet, überall sprach
man offen und frei davon - die Plakate und radikalen Blätter forderten mit
größter Frechheit dazu auf und die Emigration begann auf's Neue. Dank der
Unentschlossenheit in Potsdam, so wie der Rivalität zwischen den Parteihäuptern
der Kammer, wir standen nach Verlauf von drei Wochen noch auf demselben
Punkte wie am 4. und 7. September. Die geringste Zweideutigkeit des Mini¬
steriums in der Erklärung des Wrangel'schen Armeebefehls, der mindeste Rückhalt
bei der Ausführung des Stein'schen Antrags wäre das Signal zum Austritte der
Linken und zum Losschlagen gewesen. Die Stellung des Ministeriums war un-,
endlich schwierig, wenn es nicht auf die Seite der Camarilla treten wollte, es
sollte dem Volke genügen und zu gleicher Zeit das Heer und den Hof menagiren;
in Potsdam ließen sich Stimmen genng vernehmen, die den Kampf eben so sehn-


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[0033] stocken in ein höchst willkürliches Ceremoniell des Dienstes. Große geistige Kapa¬ cität in vielen Fällen und Mangel an wahrer geistiger Größe. Ich habe gesagt, wir können den Juden in seinem specifischen Unterschied von der übrigen Menschheit bald als blos historisches Bild mit ästhetischer Freiheit betrachten, mit dem unbefangenen Genuß, den jede Erscheinung gewährt, die ein¬ mal geschichtliches Recht an sich trug. Ich wage die Hoffnung auszusprechen daß , I. S. der specifische Christ sich ihm bald anschließen wird. Mus Berlin. Wahrscheinlich wird das Ministerium P fu el in Kurzem seine Sendung erfüllt haben, aber das Vaterland wird ihm nichts desto weniger Dank schulden für die Uebernahme schwerer Pflichten in einem kritischen Augenblicke, für die momentane Herstellung der Ruhe — dafür daß es seinen Nachfolgern durch Ausführung des mißlichen Kammerbeschlusses freie Hand geschaffen und gleichzeitig durch sein Auf¬ treten gegen die Cölner wie gegen einige Berliner Radikalen die ersten Anfänge von Energie gezeigt hat. Unsere Lage während der Ministerkrisis war in der That so bedenklich, am letzten Montage stand namentlich so viel auf dem Spiele, daß ich es in meinem vorigen Berichte allerdings für gerathen hielt, von den Antecedentien, besonders Eichmann's, abzusehen und dem Cabinet, das doch nun einmal da war, in keiner Weise das Vertrauen zu verkümmern, das es sich dnrch seine offenen Erklärungen in den ersten beiden Sitzungen mit Mühe erworben. Nie war es gefährlicher, als an jenem Tage, mit unsern sogenannten Demokraten aus einem Horne zu blasen. Alles war für den 25. September zu einer Emente vorbereitet, überall sprach man offen und frei davon - die Plakate und radikalen Blätter forderten mit größter Frechheit dazu auf und die Emigration begann auf's Neue. Dank der Unentschlossenheit in Potsdam, so wie der Rivalität zwischen den Parteihäuptern der Kammer, wir standen nach Verlauf von drei Wochen noch auf demselben Punkte wie am 4. und 7. September. Die geringste Zweideutigkeit des Mini¬ steriums in der Erklärung des Wrangel'schen Armeebefehls, der mindeste Rückhalt bei der Ausführung des Stein'schen Antrags wäre das Signal zum Austritte der Linken und zum Losschlagen gewesen. Die Stellung des Ministeriums war un-, endlich schwierig, wenn es nicht auf die Seite der Camarilla treten wollte, es sollte dem Volke genügen und zu gleicher Zeit das Heer und den Hof menagiren; in Potsdam ließen sich Stimmen genng vernehmen, die den Kampf eben so sehn- Grcnzboten. IV. 1»is. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/33>, abgerufen am 03.07.2024.