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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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der siegreichen revolutionären Partei zum Erstaunen ihrer besiegten Gegner selbst
hervortreten -- sollen wir ihr begegnen, so ist Eines noth: Vergessen des
Vergangenen. Das Blut Lichnowskr/s ist ausgewischt durch das, was in Wien
geschieht. Weil von unsern bloßem Schwärmen das morsche Gebäude des alten
Staats wankte, wurden wir übermüthig, und legten in unsere Kraft, was nur
Ohnmacht unsers Gegensatzes war; wir spielten mit der Geschichte und warfen
unsere wechselnden Capricen nach Gutdünken rechts und links in die Wagschale
der Entscheidung. Die vorzeitigen Früchte erlagen dem harten Frost, aber die
leichte Decke von Reif, welche die Säuren der schöpferischen Natur verdarb, hat
keine Macht über die lebendige, gesetzliche Zeugungskraft der Mutter Erde.


I, 5.


Die politischen Parteien in München.



Der 24. Februar dieses vvrhängnißvollen Jahres war entscheidend für die
europäischen Zustände, entscheidender noch für die Misere der einzelnen
Staaten Deutschlands. Das unsittlichste und in seiner Art umfassendste aller
Corruvtionssysteme, welches allein noch den Jnlithrou getragen, hatte mit sei¬
nem zuletzt unvermeidlichen Eclat die Würde und die Glorie des Thrones ver¬
nichtet. In Baiern hatte die Krone sich selbst blosgestellt und zwar in einer
Weise, die das sittliche Gefühl eines ganzen Volkes, das in seiner Reinheit und
Unverwüstlichkeit keine Transactivnen kennt, zur äußersten Selbsthilfe herausfordern
mußte. Wie sehr die Aergernisse des Lota-Regiments nach außen hin gewirkt,
das hat die gesammte deutsche Presse, wie auch die von England und Frankreich
erwiesen; von den besondern Einflüssen mag wohl Fürst Wallerstein aus den
Tagen seiner Gesandtschaft um Hofe der Tuilerien Interessantes genug zu erzählen
wissen. Die Vorgänge in Folge der Ereignisse an den Höfen von Paris und
München stehen in einer Art Wechselwirkung. Beide haben das Außerordentlichste
beigetragen, das Königthum, das längst schon in einer Krise begriffen lag, in
seinem eigensten Wesen zu discreditiren; die öffentliche Meinung in ihrer Uner-
bittlichkeit hat auch darin ihre Rechnung gemacht; allein sie kann, indem sie vor¬
zugsweise das verständige Element vertritt, die Wucht geschichtlicher Verhältnisse
und die ganze süße Macht der Gewohnheit im Leben der Völker nicht hiuwegrai^
formiren, und so kommt es, daß von uns ganz abgesehen, wo das Königthum
in den Gemüthern der naturwüchsigen Bevölkerung noch eine tieflangende Stätte
hat, auch in Frankreich sein Boden noch nicht ganz verwüste werden konnte. Die


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der siegreichen revolutionären Partei zum Erstaunen ihrer besiegten Gegner selbst
hervortreten — sollen wir ihr begegnen, so ist Eines noth: Vergessen des
Vergangenen. Das Blut Lichnowskr/s ist ausgewischt durch das, was in Wien
geschieht. Weil von unsern bloßem Schwärmen das morsche Gebäude des alten
Staats wankte, wurden wir übermüthig, und legten in unsere Kraft, was nur
Ohnmacht unsers Gegensatzes war; wir spielten mit der Geschichte und warfen
unsere wechselnden Capricen nach Gutdünken rechts und links in die Wagschale
der Entscheidung. Die vorzeitigen Früchte erlagen dem harten Frost, aber die
leichte Decke von Reif, welche die Säuren der schöpferischen Natur verdarb, hat
keine Macht über die lebendige, gesetzliche Zeugungskraft der Mutter Erde.


I, 5.


Die politischen Parteien in München.



Der 24. Februar dieses vvrhängnißvollen Jahres war entscheidend für die
europäischen Zustände, entscheidender noch für die Misere der einzelnen
Staaten Deutschlands. Das unsittlichste und in seiner Art umfassendste aller
Corruvtionssysteme, welches allein noch den Jnlithrou getragen, hatte mit sei¬
nem zuletzt unvermeidlichen Eclat die Würde und die Glorie des Thrones ver¬
nichtet. In Baiern hatte die Krone sich selbst blosgestellt und zwar in einer
Weise, die das sittliche Gefühl eines ganzen Volkes, das in seiner Reinheit und
Unverwüstlichkeit keine Transactivnen kennt, zur äußersten Selbsthilfe herausfordern
mußte. Wie sehr die Aergernisse des Lota-Regiments nach außen hin gewirkt,
das hat die gesammte deutsche Presse, wie auch die von England und Frankreich
erwiesen; von den besondern Einflüssen mag wohl Fürst Wallerstein aus den
Tagen seiner Gesandtschaft um Hofe der Tuilerien Interessantes genug zu erzählen
wissen. Die Vorgänge in Folge der Ereignisse an den Höfen von Paris und
München stehen in einer Art Wechselwirkung. Beide haben das Außerordentlichste
beigetragen, das Königthum, das längst schon in einer Krise begriffen lag, in
seinem eigensten Wesen zu discreditiren; die öffentliche Meinung in ihrer Uner-
bittlichkeit hat auch darin ihre Rechnung gemacht; allein sie kann, indem sie vor¬
zugsweise das verständige Element vertritt, die Wucht geschichtlicher Verhältnisse
und die ganze süße Macht der Gewohnheit im Leben der Völker nicht hiuwegrai^
formiren, und so kommt es, daß von uns ganz abgesehen, wo das Königthum
in den Gemüthern der naturwüchsigen Bevölkerung noch eine tieflangende Stätte
hat, auch in Frankreich sein Boden noch nicht ganz verwüste werden konnte. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/265>, abgerufen am 24.12.2024.