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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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mikils, Galiläi, Columbus u. s. 1v. kämpften gegen das, was man (zu ihrer Zeit) den
Menschenverstand nannte, und doch hatten sie recht. Seht ihr also? deshalb seid
hübsch artig -- und zahlt eure Zehnten n. s. w.

Auch Taafe und Pillcrsdorf sollten Katzenmusiken gebracht werden; die Herren
mußten sich herablassen, in später Stunde noch in höchst eigener Person das Volk zu
haranguiren. Es ist schrecklich, was aus unsern Staatsmännern und unsern Wienern
geworden ist. Ein Taafe muß einen Hausen Studenten oder andere gewöhnliche Leute
haranguiren, um ruhig schlafen zu können, haranguiren auf offener Straße, ein Staats¬
minister, Graf, Aristocrat und---- die Wiener aber wollen keine italienische

Oper dies Jahr hören, verschmähen ihren göttlichen Fraschini, und wollen keine andere
Musik als -- Katzenmusiken. Sie glauben gar nicht, was wir jetzt an Katzenmusiken
consnmmircn.

Heute geht eine Deputation der Studenten mit einer Dankadresse nach Preßburg.
In den Straßen flattern überall schwarz-roth-goldene Fahnen und furchtbare Droh¬
worte gegen (!) die Russen schweben auf allen Lippen. Die Nationalgarde exercirt sehr
fleißig und übt sich im Polizei dienst -- wahrscheinlich wegen des russischen Feldzugs.


So


Der zweite vereinigte Landtag in Preußen.

Es find im Ganzen vier Sitzungen gewesen und drei Vorlagen zu berathen, von
denen jede in einer Sitzung erledigt wurde.

Nach der ersten Sitzung schien es, als werde der Landtag die ungetheilte Aner¬
kennung, die er während seiner ersten Periode von ganz Deutschland geerndtet, in vollem
Maße wieder in Anspruch nehmen. In den beiden folgenden Sitzungen aber war es
deutlich zu erkennen, wie die Schwierigkeit der Verhältnisse, vermehrt durch die halben
Maßregeln und die unsichere Haltung der Minister, den Geist der Versammlung nieder¬
drückte. In der Schlußsitzung dagegen hat der Landtag nochmals eine Haltung gezeigt,
die nicht nur seiner ruhmreichen Vergangenheit würdig, sondern auch geeignet ist" die
Frage zu erregen, ob die nächste Versammlung so viel Männer von sicherer und dabei
edler Haltung und so viel practischer Bildung vereinigen werde.

Das Volk ist dem Landtag diese Anerkennung schuldig. Berühmt auf einem durch¬
aus verwerflichen Wahlprincip, auf die Abwehr aller Freiheitsbestrebungen berechnet,
hat er sich vom Geist der Zeit durchdrungen gezeigt. Er hat in einem Augenblicke,
wo die literarische Opposition, so wie die practische Agitation der Vereine, Volksver¬
sammlungen u. s. w. durch die Gewalt der Polizei gelähmt war und die Hoffnung
eines endlichen Sieges der Freiheit auf lange Zeit verschwunden schien, den Kampf nicht
nur wieder aufgenommen, sondern den Umschwung der öffentlichen Meinung entschieden.
Die allgemeine Ueberzeugung, daß Preußen eine Constitution ertragen könne, daß
der Uebergang zur constitutionellen Verfassung für Preußen eine unausbleibliche Noth¬
wendigkeit geworden, schreibt sich vom ersten vereinigten Landtage her. Die Wir¬
kung dieses Landtages ist eine der einflußreichsten Boraussetzungen
der gegenwärtigen Revolution.


mikils, Galiläi, Columbus u. s. 1v. kämpften gegen das, was man (zu ihrer Zeit) den
Menschenverstand nannte, und doch hatten sie recht. Seht ihr also? deshalb seid
hübsch artig — und zahlt eure Zehnten n. s. w.

Auch Taafe und Pillcrsdorf sollten Katzenmusiken gebracht werden; die Herren
mußten sich herablassen, in später Stunde noch in höchst eigener Person das Volk zu
haranguiren. Es ist schrecklich, was aus unsern Staatsmännern und unsern Wienern
geworden ist. Ein Taafe muß einen Hausen Studenten oder andere gewöhnliche Leute
haranguiren, um ruhig schlafen zu können, haranguiren auf offener Straße, ein Staats¬
minister, Graf, Aristocrat und--— die Wiener aber wollen keine italienische

Oper dies Jahr hören, verschmähen ihren göttlichen Fraschini, und wollen keine andere
Musik als — Katzenmusiken. Sie glauben gar nicht, was wir jetzt an Katzenmusiken
consnmmircn.

Heute geht eine Deputation der Studenten mit einer Dankadresse nach Preßburg.
In den Straßen flattern überall schwarz-roth-goldene Fahnen und furchtbare Droh¬
worte gegen (!) die Russen schweben auf allen Lippen. Die Nationalgarde exercirt sehr
fleißig und übt sich im Polizei dienst — wahrscheinlich wegen des russischen Feldzugs.


So


Der zweite vereinigte Landtag in Preußen.

Es find im Ganzen vier Sitzungen gewesen und drei Vorlagen zu berathen, von
denen jede in einer Sitzung erledigt wurde.

Nach der ersten Sitzung schien es, als werde der Landtag die ungetheilte Aner¬
kennung, die er während seiner ersten Periode von ganz Deutschland geerndtet, in vollem
Maße wieder in Anspruch nehmen. In den beiden folgenden Sitzungen aber war es
deutlich zu erkennen, wie die Schwierigkeit der Verhältnisse, vermehrt durch die halben
Maßregeln und die unsichere Haltung der Minister, den Geist der Versammlung nieder¬
drückte. In der Schlußsitzung dagegen hat der Landtag nochmals eine Haltung gezeigt,
die nicht nur seiner ruhmreichen Vergangenheit würdig, sondern auch geeignet ist» die
Frage zu erregen, ob die nächste Versammlung so viel Männer von sicherer und dabei
edler Haltung und so viel practischer Bildung vereinigen werde.

Das Volk ist dem Landtag diese Anerkennung schuldig. Berühmt auf einem durch¬
aus verwerflichen Wahlprincip, auf die Abwehr aller Freiheitsbestrebungen berechnet,
hat er sich vom Geist der Zeit durchdrungen gezeigt. Er hat in einem Augenblicke,
wo die literarische Opposition, so wie die practische Agitation der Vereine, Volksver¬
sammlungen u. s. w. durch die Gewalt der Polizei gelähmt war und die Hoffnung
eines endlichen Sieges der Freiheit auf lange Zeit verschwunden schien, den Kampf nicht
nur wieder aufgenommen, sondern den Umschwung der öffentlichen Meinung entschieden.
Die allgemeine Ueberzeugung, daß Preußen eine Constitution ertragen könne, daß
der Uebergang zur constitutionellen Verfassung für Preußen eine unausbleibliche Noth¬
wendigkeit geworden, schreibt sich vom ersten vereinigten Landtage her. Die Wir¬
kung dieses Landtages ist eine der einflußreichsten Boraussetzungen
der gegenwärtigen Revolution.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/87>, abgerufen am 28.09.2024.