Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.Die Todtenfeier im Friedrichshain zu Berlin Der Minister-Präsident Camphausen nannte in der constituirenden Versamm¬ Nichtachtung dieser Revolution, Verkennung der Rechte, welche das Volk Um nun dem Ministerium zu beweisen, wie das Gedächtniß des Volkes treuer Man sprach in manchen Kreisen nichtacktend davon; man nannte es eine Auch die constituirende Versammlung, welche gleich der Bürgerwehr von den Unselige Halbheit! Hätte das Ministerium das Verständniß der Ereignisse, Die Todtenfeier im Friedrichshain zu Berlin Der Minister-Präsident Camphausen nannte in der constituirenden Versamm¬ Nichtachtung dieser Revolution, Verkennung der Rechte, welche das Volk Um nun dem Ministerium zu beweisen, wie das Gedächtniß des Volkes treuer Man sprach in manchen Kreisen nichtacktend davon; man nannte es eine Auch die constituirende Versammlung, welche gleich der Bürgerwehr von den Unselige Halbheit! Hätte das Ministerium das Verständniß der Ereignisse, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276635"/> </div> <div n="1"> <head> Die Todtenfeier im Friedrichshain zu Berlin</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1481"> Der Minister-Präsident Camphausen nannte in der constituirenden Versamm¬<lb/> lung den blutigen Freiheitskampf des 18. März eine „Begebenheit," um daS Wort<lb/> Revolution zu vermeiden, obschon der Minister-Präsident und seine sämmtlichen<lb/> College« diese Revolution als ihre Mutter zu betrachten haben und vorzugsweise<lb/> an das Gebot denken müßten: „Du sollst Vater und Mutter ehren, damit Dir'S<lb/> wohl gehe und Du lange lebest auf Erden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1482"> Nichtachtung dieser Revolution, Verkennung der Rechte, welche das Volk<lb/> durch sie erworben, würde das Lebensende des Ministeriums sein. Wer aber<lb/> vermöchte zu behaupten, ob nicht in der Todesstunde des Ministeriums das Wort<lb/> „Republik" an das Ohr der Minister tönt, die jetzt schon vor der bloßen Erin¬<lb/> nerung an die Revolution scheu zurückbeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1483"> Um nun dem Ministerium zu beweisen, wie das Gedächtniß des Volkes treuer<lb/> sei, wie man die Revolution als ein ruhmwürdiges Ereigniß betrachte und die<lb/> Freiheitsopfer ehre, welche ihr gefallen sind, hatten die Studenten eine Wallfahrt<lb/> nach dem Grabe der Gebliebenen im Friedrichshaine vorgeschlagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1484"> Man sprach in manchen Kreisen nichtacktend davon; man nannte es eine<lb/> neue, innerlich haltlose Aufregung, eine leere Demonstration des müssigen Pöbels,<lb/> und fürchtete dennoch diese leere Demonstration so sehr, daß man der Bürgerwehr<lb/> verbot, sich als Korps dabei zu betheiligen, um sie gegen die Wallfahrer zusam¬<lb/> mentrommeln zu können, wie man es in unnöthiger Besorgniß bei den geringsten<lb/> Anlässen thut.</p><lb/> <p xml:id="ID_1485"> Auch die constituirende Versammlung, welche gleich der Bürgerwehr von den<lb/> Studenten zum Anschluß an die Wallfahrt aufgefordert worden war, hatte die<lb/> Weisung erhalten, es sei den einzelnen Mitgliedern unbenommen, sich als Bürger<lb/> dem Zuge anzuschließen, als Korporation aber sei es ihnen versagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1486" next="#ID_1487"> Unselige Halbheit! Hätte das Ministerium das Verständniß der Ereignisse,<lb/> welche unter seinen Augen vorgehen, bedächte es, daß es sich hier nicht um eine<lb/> bloße politische Revolution handelt, sondern daß diese nur der Anfang einer so¬<lb/> cialen Umgestaltung ist, so mußte es, den einzigen Weg des Heils einschlagend,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0429]
Die Todtenfeier im Friedrichshain zu Berlin
Der Minister-Präsident Camphausen nannte in der constituirenden Versamm¬
lung den blutigen Freiheitskampf des 18. März eine „Begebenheit," um daS Wort
Revolution zu vermeiden, obschon der Minister-Präsident und seine sämmtlichen
College« diese Revolution als ihre Mutter zu betrachten haben und vorzugsweise
an das Gebot denken müßten: „Du sollst Vater und Mutter ehren, damit Dir'S
wohl gehe und Du lange lebest auf Erden."
Nichtachtung dieser Revolution, Verkennung der Rechte, welche das Volk
durch sie erworben, würde das Lebensende des Ministeriums sein. Wer aber
vermöchte zu behaupten, ob nicht in der Todesstunde des Ministeriums das Wort
„Republik" an das Ohr der Minister tönt, die jetzt schon vor der bloßen Erin¬
nerung an die Revolution scheu zurückbeben.
Um nun dem Ministerium zu beweisen, wie das Gedächtniß des Volkes treuer
sei, wie man die Revolution als ein ruhmwürdiges Ereigniß betrachte und die
Freiheitsopfer ehre, welche ihr gefallen sind, hatten die Studenten eine Wallfahrt
nach dem Grabe der Gebliebenen im Friedrichshaine vorgeschlagen.
Man sprach in manchen Kreisen nichtacktend davon; man nannte es eine
neue, innerlich haltlose Aufregung, eine leere Demonstration des müssigen Pöbels,
und fürchtete dennoch diese leere Demonstration so sehr, daß man der Bürgerwehr
verbot, sich als Korps dabei zu betheiligen, um sie gegen die Wallfahrer zusam¬
mentrommeln zu können, wie man es in unnöthiger Besorgniß bei den geringsten
Anlässen thut.
Auch die constituirende Versammlung, welche gleich der Bürgerwehr von den
Studenten zum Anschluß an die Wallfahrt aufgefordert worden war, hatte die
Weisung erhalten, es sei den einzelnen Mitgliedern unbenommen, sich als Bürger
dem Zuge anzuschließen, als Korporation aber sei es ihnen versagt.
Unselige Halbheit! Hätte das Ministerium das Verständniß der Ereignisse,
welche unter seinen Augen vorgehen, bedächte es, daß es sich hier nicht um eine
bloße politische Revolution handelt, sondern daß diese nur der Anfang einer so¬
cialen Umgestaltung ist, so mußte es, den einzigen Weg des Heils einschlagend,
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