Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.kalter, welche auf der Höhe standen, nicht Erfahrung genug besaßen, zu wissen, daß I. L. III. Äus 'Halle Bourgeoisie und Pöbel. -- Der constitutionelle Club und die Reaction. -- Der Volksvcrci" und Wisli¬ cenus, -- Theologie und Politik. So interessant Halle in religiöser Hinsicht ist, da hier alle Richtungen vom Pie¬ Der constitutionelle Club hat durch seine Zahl und Einheit den größten So arbeitet dieser Club dem demokratischen Volks vereine kräftig in die Hände' Wenn man aber fragt, warum in Halle, dieser Universitätsstadt, diesem Tummel¬ kalter, welche auf der Höhe standen, nicht Erfahrung genug besaßen, zu wissen, daß I. L. III. Äus 'Halle Bourgeoisie und Pöbel. — Der constitutionelle Club und die Reaction. — Der Volksvcrci» und Wisli¬ cenus, — Theologie und Politik. So interessant Halle in religiöser Hinsicht ist, da hier alle Richtungen vom Pie¬ Der constitutionelle Club hat durch seine Zahl und Einheit den größten So arbeitet dieser Club dem demokratischen Volks vereine kräftig in die Hände' Wenn man aber fragt, warum in Halle, dieser Universitätsstadt, diesem Tummel¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276624"/> <p xml:id="ID_1442" prev="#ID_1441"> kalter, welche auf der Höhe standen, nicht Erfahrung genug besaßen, zu wissen, daß<lb/> alle ihre Schüsse zu hoch gehen würden.</p><lb/> <note type="byline"> I. L.</note><lb/> </div> <div n="2"> <head> III.<lb/> Äus 'Halle</head><lb/> <note type="argument"> Bourgeoisie und Pöbel. — Der constitutionelle Club und die Reaction. — Der Volksvcrci» und Wisli¬<lb/> cenus, — Theologie und Politik.</note><lb/> <p xml:id="ID_1443"> So interessant Halle in religiöser Hinsicht ist, da hier alle Richtungen vom Pie¬<lb/> tismus bis zum Atheismus in allen Schattirungen vertreten find, so ist es auch eine<lb/> Stadt der politischen Gegensätze geworden, da sich hier alle Meinungen vom Ab-<lb/> solutisten bis zum exaltirten Republikaner geltend machen und sich schroff gegenüber¬<lb/> stehen. Hier kann man ein Muster von Bourgeoisie kennen lernen, um einen gründ¬<lb/> lichen Abscheu vor deren Gemeinheit zu empfinden. Nichts führt sie zusammen, als<lb/> Furcht vor den brodlosen Arbeitern, ihre Waffe ist Verleumdung und Gewalt, ihr<lb/> Ziel Bevormundung und Unterdrückung. Tausendmal lieber wäre mir das abgeschüt¬<lb/> telte Joch des immerhin noblen Geburtsadcls, als das Joch so gemeiner Geldsäcke.<lb/> Aber auch den Charakter eines niederen Pöbels kann man hier beobachten, der sich vor<lb/> seinem Herren beugt, und doch den Augenblick erwartet, wo er mit Gewalt seine Fes¬<lb/> seln zerreißen kann. Indeß ist uuter Reich und Arm ein guter Kern vorhanden, der<lb/> sich im constitutionellen Club und im Vvlksvcreiue zusammengefunden hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1444"> Der constitutionelle Club hat durch seine Zahl und Einheit den größten<lb/> Einfluß auf die Stadt und die Umgegend ausgeübt, und mehrere Deputirte aus seiner<lb/> Mitte nach Berlin und Frankfurt (Niemeyer, Dunker, Schwartz, Schwetschke) entsendet.<lb/> Indeß wird es immer klarer, daß seine Zeit vorüber ist, weil er sich in der Mehrzahl<lb/> seiner Mitglieder mehr der Reaktion als der Demokratie zuneigt. Man muß wissen,<lb/> daß er nicht nur für's Zweikammersystem und das erbliche Kaiserthum (natürlich für<lb/> den König von Preußen), sondern sür indirekte Wahlen u. s. w. stimmt, daß er nach<lb/> der Berufung des Prinzen vo» Preußen dem Staatsministerium sein unbedingtes Ver¬<lb/> trauen zu erkennen gibt; man muß sehen, mit welchem Wohlgefallen Reden für Census<lb/> und gegen Volksbewaffnung gehört werden, um überzeugt zu sein, daß er die Macht<lb/> und die Bedürfnisse der Masse nicht begriffen hat und daß sein Einfluß sinken muß, da<lb/> auch seine Verjüngung unmöglich scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1445"> So arbeitet dieser Club dem demokratischen Volks vereine kräftig in die Hände'<lb/> der durch das Vertrauen auf seine Sache und seine ganze Thätigkeit bekundet, daß ihm<lb/> die nächste Zukunft gehört. Bei den Wahlen hat derselbe eine entschiedene Niederlage<lb/> erlitten, da sein Kandidat Wislicenus nicht gewählt wurde. Im Vvlksvcreine sind<lb/> besonders Mitglieder der freien Gemeinde thätig, die schon längst sich weniger um den<lb/> Himmel als um die politischen und socialen Fragen bekümmern und ein Herz für das<lb/> Volk haben, wozu vor Allem der von der Bourgeoisie gefürchtete, von den Arbeitern<lb/> geliebte Weinhändler Nawald gehört. In Wislicenus, der den Vorsitz führt im Volks-<lb/> vercinc, verehren die Arbeiter ihren treuesten Beschützer, und so sehr die Bourgeoisie<lb/> seinen ruhigen Charakter und sein reines Streben verdächtigt, so dürste er doch in<lb/> Zeiten der Noth der Einzige sein, der die Masse im Zaume halten kaun.</p><lb/> <p xml:id="ID_1446" next="#ID_1447"> Wenn man aber fragt, warum in Halle, dieser Universitätsstadt, diesem Tummel¬<lb/> platze der religiösen Parteien die Demokratie noch zu keiner größern Kraft gelangt ist,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
kalter, welche auf der Höhe standen, nicht Erfahrung genug besaßen, zu wissen, daß
alle ihre Schüsse zu hoch gehen würden.
I. L.
III.
Äus 'Halle
Bourgeoisie und Pöbel. — Der constitutionelle Club und die Reaction. — Der Volksvcrci» und Wisli¬
cenus, — Theologie und Politik.
So interessant Halle in religiöser Hinsicht ist, da hier alle Richtungen vom Pie¬
tismus bis zum Atheismus in allen Schattirungen vertreten find, so ist es auch eine
Stadt der politischen Gegensätze geworden, da sich hier alle Meinungen vom Ab-
solutisten bis zum exaltirten Republikaner geltend machen und sich schroff gegenüber¬
stehen. Hier kann man ein Muster von Bourgeoisie kennen lernen, um einen gründ¬
lichen Abscheu vor deren Gemeinheit zu empfinden. Nichts führt sie zusammen, als
Furcht vor den brodlosen Arbeitern, ihre Waffe ist Verleumdung und Gewalt, ihr
Ziel Bevormundung und Unterdrückung. Tausendmal lieber wäre mir das abgeschüt¬
telte Joch des immerhin noblen Geburtsadcls, als das Joch so gemeiner Geldsäcke.
Aber auch den Charakter eines niederen Pöbels kann man hier beobachten, der sich vor
seinem Herren beugt, und doch den Augenblick erwartet, wo er mit Gewalt seine Fes¬
seln zerreißen kann. Indeß ist uuter Reich und Arm ein guter Kern vorhanden, der
sich im constitutionellen Club und im Vvlksvcreiue zusammengefunden hat.
Der constitutionelle Club hat durch seine Zahl und Einheit den größten
Einfluß auf die Stadt und die Umgegend ausgeübt, und mehrere Deputirte aus seiner
Mitte nach Berlin und Frankfurt (Niemeyer, Dunker, Schwartz, Schwetschke) entsendet.
Indeß wird es immer klarer, daß seine Zeit vorüber ist, weil er sich in der Mehrzahl
seiner Mitglieder mehr der Reaktion als der Demokratie zuneigt. Man muß wissen,
daß er nicht nur für's Zweikammersystem und das erbliche Kaiserthum (natürlich für
den König von Preußen), sondern sür indirekte Wahlen u. s. w. stimmt, daß er nach
der Berufung des Prinzen vo» Preußen dem Staatsministerium sein unbedingtes Ver¬
trauen zu erkennen gibt; man muß sehen, mit welchem Wohlgefallen Reden für Census
und gegen Volksbewaffnung gehört werden, um überzeugt zu sein, daß er die Macht
und die Bedürfnisse der Masse nicht begriffen hat und daß sein Einfluß sinken muß, da
auch seine Verjüngung unmöglich scheint.
So arbeitet dieser Club dem demokratischen Volks vereine kräftig in die Hände'
der durch das Vertrauen auf seine Sache und seine ganze Thätigkeit bekundet, daß ihm
die nächste Zukunft gehört. Bei den Wahlen hat derselbe eine entschiedene Niederlage
erlitten, da sein Kandidat Wislicenus nicht gewählt wurde. Im Vvlksvcreine sind
besonders Mitglieder der freien Gemeinde thätig, die schon längst sich weniger um den
Himmel als um die politischen und socialen Fragen bekümmern und ein Herz für das
Volk haben, wozu vor Allem der von der Bourgeoisie gefürchtete, von den Arbeitern
geliebte Weinhändler Nawald gehört. In Wislicenus, der den Vorsitz führt im Volks-
vercinc, verehren die Arbeiter ihren treuesten Beschützer, und so sehr die Bourgeoisie
seinen ruhigen Charakter und sein reines Streben verdächtigt, so dürste er doch in
Zeiten der Noth der Einzige sein, der die Masse im Zaume halten kaun.
Wenn man aber fragt, warum in Halle, dieser Universitätsstadt, diesem Tummel¬
platze der religiösen Parteien die Demokratie noch zu keiner größern Kraft gelangt ist,
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