Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.Die neuen deutschen Regierungen und die Revolution. In einer der letzten Sitzungen der preußischen Constituante wurde der Mini¬ Wir können von der einen Seite mit dieser Erklärung vollkommen zufrieden Denn der Zustand, der dnrch die Barrikaden aufgehoben wurde, war ein Die neuen deutschen Regierungen und die Revolution. In einer der letzten Sitzungen der preußischen Constituante wurde der Mini¬ Wir können von der einen Seite mit dieser Erklärung vollkommen zufrieden Denn der Zustand, der dnrch die Barrikaden aufgehoben wurde, war ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276589"/> </div> <div n="1"> <head> Die neuen deutschen Regierungen und die Revolution.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1321"> In einer der letzten Sitzungen der preußischen Constituante wurde der Mini¬<lb/> sterpräsident, wenn auch nnr indirect, darüber interpellirt, ob er die Revolution<lb/> (natürlich die vom l!>. März) anerkenne oder nicht. Er antwortete darauf, die<lb/> Ereignisse jener Tage seien ein tut .-rocmnpli, dem man sich nicht entziehen könne;<lb/> aber die Regierung sei in keiner Weise gemeint, es so aufzufassen, als ob n»n<lb/> jede Brücke zur Vergangenheit — zum Rechtsboden, wie der technische Ausdruck<lb/> lautet — abgebrochen sei; im Gegentheil habe sie es für ihre Pflicht gehalten,<lb/> wenigstens durch rechtliche Formen den Uebergang in die neue Staatsverfassung,<lb/> der ans unregelmäßige Weise geschehen sei, gleichsam nachträglich zu legalisiren.<lb/> Zu diesem Zweck habe sie, im Auftrage der Krone und mit dem verfassungsmäßi¬<lb/> gen Beirath des vereinigten Landtags, ein gesetzliches Organ creirt, in welchem<lb/> der Volkswille sich geltend machen und im Verein mit der Krone die neue Staats¬<lb/> form Preußens bestimmen könne. > .</p><lb/> <p xml:id="ID_1322"> Wir können von der einen Seite mit dieser Erklärung vollkommen zufrieden<lb/> sein. Es mußte den Radikalen, namentlich den guten Berlinern, unumwunden<lb/> erklärt werden, daß der preußische Staat trotz der furchtbaren Stürme, die ihn<lb/> erschüttert, noch bestehe, daß der Heroismus der Barrikadenmänner das „Volk"<lb/> noch nicht berechtige, nach augenblicklichem Gutdünken über politische Fragen von<lb/> der höchsten Wichtigkeit zu verfügen, daß manch' braver Commis, wenn er auch<lb/> auf dem Transport nach Spandau von den pommerschen Gardisten geprügelt wor¬<lb/> den, darum noch nicht befähigt sei, das Ruder des Staats in seine Hände zu<lb/> nehmen. Mau kann ein Märtyrer sein für die gute Sache der Freiheit und darum<lb/> doch die Fähigkeit nicht besitzen, sie in einem politischen Organismus zu realisiren.<lb/> Allein jene Erklärung befriedigt doch nnr halb. Sie wendet sich nur gegen die<lb/> abstracten Emeutiers und vergißt die Reaction. Sie hebt nur die formale Seite<lb/> der Revolution, ihre Rechtlosigkeit, hervor und vergißt den wesentlichen Inhalt der¬<lb/> selben, der ihr eine rechtliche Begründung gibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1323" next="#ID_1324"> Denn der Zustand, der dnrch die Barrikaden aufgehoben wurde, war ein<lb/> Zustand des Unrechts. Es war das System der sinnlosen Willkür, welches sich<lb/> gegen den conservativen Widerstand der Stände, der Gerichte, eines Theils der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
Die neuen deutschen Regierungen und die Revolution.
In einer der letzten Sitzungen der preußischen Constituante wurde der Mini¬
sterpräsident, wenn auch nnr indirect, darüber interpellirt, ob er die Revolution
(natürlich die vom l!>. März) anerkenne oder nicht. Er antwortete darauf, die
Ereignisse jener Tage seien ein tut .-rocmnpli, dem man sich nicht entziehen könne;
aber die Regierung sei in keiner Weise gemeint, es so aufzufassen, als ob n»n
jede Brücke zur Vergangenheit — zum Rechtsboden, wie der technische Ausdruck
lautet — abgebrochen sei; im Gegentheil habe sie es für ihre Pflicht gehalten,
wenigstens durch rechtliche Formen den Uebergang in die neue Staatsverfassung,
der ans unregelmäßige Weise geschehen sei, gleichsam nachträglich zu legalisiren.
Zu diesem Zweck habe sie, im Auftrage der Krone und mit dem verfassungsmäßi¬
gen Beirath des vereinigten Landtags, ein gesetzliches Organ creirt, in welchem
der Volkswille sich geltend machen und im Verein mit der Krone die neue Staats¬
form Preußens bestimmen könne. > .
Wir können von der einen Seite mit dieser Erklärung vollkommen zufrieden
sein. Es mußte den Radikalen, namentlich den guten Berlinern, unumwunden
erklärt werden, daß der preußische Staat trotz der furchtbaren Stürme, die ihn
erschüttert, noch bestehe, daß der Heroismus der Barrikadenmänner das „Volk"
noch nicht berechtige, nach augenblicklichem Gutdünken über politische Fragen von
der höchsten Wichtigkeit zu verfügen, daß manch' braver Commis, wenn er auch
auf dem Transport nach Spandau von den pommerschen Gardisten geprügelt wor¬
den, darum noch nicht befähigt sei, das Ruder des Staats in seine Hände zu
nehmen. Mau kann ein Märtyrer sein für die gute Sache der Freiheit und darum
doch die Fähigkeit nicht besitzen, sie in einem politischen Organismus zu realisiren.
Allein jene Erklärung befriedigt doch nnr halb. Sie wendet sich nur gegen die
abstracten Emeutiers und vergißt die Reaction. Sie hebt nur die formale Seite
der Revolution, ihre Rechtlosigkeit, hervor und vergißt den wesentlichen Inhalt der¬
selben, der ihr eine rechtliche Begründung gibt.
Denn der Zustand, der dnrch die Barrikaden aufgehoben wurde, war ein
Zustand des Unrechts. Es war das System der sinnlosen Willkür, welches sich
gegen den conservativen Widerstand der Stände, der Gerichte, eines Theils der
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