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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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i.
Berlins wissenschaftliche Bildung.

Da sich aus der Tagesgeschichte nichts Bedeutendes mittheilen läßt, so wird es
Ihnen vielleicht von Interesse sein, in der Zwischenzeit einmal eine Uebersicht unserer
Zustände zu erhalten. Da sich Berlin namentlich darauf etwas zu Gute thut, als die
Metropole der deutschen Intelligenz zu glänzen, so will ich zunächst die wissenschaft¬
lichen Verhältnisse berühren, und zwar so, daß ich für diesmal die exacten Wissenschaften
ganz aus dem Spiel lasse, und mich auf diejenigen beschränke, die den menschlichen
Geist zum Gegenstand haben.

Die Stiftung der Universität Berlins fiel in eine Zeit, wo das abstract wissen¬
schaftliche Interesse anfing, sich mit dem eigentlich humanen zu versöhnen; die Zeit der
Wiedergeburt Deutschlands und namentlich Preußens. Das neue Institut sollte nicht
dem gewöhnlichen Nnivcrsitätsschlcndrian angepaßt werden, es sollte theils dnrch unmit¬
telbare Wirksamkeit, theils als Muster für künftige Einrichtungen ähnlicher Art auf
eine rationelle Weise dem Geist der Zeit entsprechen. Unter Andern wurden Schleier-
wacher, Fichte und Steffens zu Rathe gezogen, und wir haben noch in den Schriften,
in welchen sie ihre Ansichten vom Wesen der Universitäten im deutschen Sinn veröffent¬
lichen, einen denkwürdigen Beitrag wenigstens für die hochstrebenden Tendenzen, die
jene Zeit beseelten.

Abgesehen von der Reihe bedeutender Gelehrten, die in allen Fächern des Wissens
eine bedeutende Stellung, zum Theil die Meisterschaft in Anspruch nehmen konnten,
traten allmälig drei Männer in verschiedenem Sinn an die Spitze der geistigen Bewegung,
Zu deren Pflege Berlin ausersehen zu sein schien.

Der erste war Hegel, der sich bei seiner Berufung nach Berlin noch keineswegs
ans die Abstractionen.des speculativen Gedankens zu beschränken Willens war, sondern
der im Preußischen Staat wenigstens die Anlagen zu erkennen glaubte, ans denen sich
"Ut Hülfe der Denker der absolute Staat, wie er in der Idee war, entwickeln und
Realität gewinnen konnte. Anfangs in einer ziemlich isolirten Stellung wegen der
Unzulänglichkeit seiner Formen, die zwar wie alles Dunkle und Mystische von Weitem
anzogen, aber einen nähern Eingang in das Heiligthum des Gedankens wenigstens der
Masse nicht zu gestatten schienen, gewann er doch allmälig einen zuerst kleinen, dann
immer mehr sich ausbreitenden Kreis von Anhängern, de,r um so wirksamer und ein-


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Berlins wissenschaftliche Bildung.

Da sich aus der Tagesgeschichte nichts Bedeutendes mittheilen läßt, so wird es
Ihnen vielleicht von Interesse sein, in der Zwischenzeit einmal eine Uebersicht unserer
Zustände zu erhalten. Da sich Berlin namentlich darauf etwas zu Gute thut, als die
Metropole der deutschen Intelligenz zu glänzen, so will ich zunächst die wissenschaft¬
lichen Verhältnisse berühren, und zwar so, daß ich für diesmal die exacten Wissenschaften
ganz aus dem Spiel lasse, und mich auf diejenigen beschränke, die den menschlichen
Geist zum Gegenstand haben.

Die Stiftung der Universität Berlins fiel in eine Zeit, wo das abstract wissen¬
schaftliche Interesse anfing, sich mit dem eigentlich humanen zu versöhnen; die Zeit der
Wiedergeburt Deutschlands und namentlich Preußens. Das neue Institut sollte nicht
dem gewöhnlichen Nnivcrsitätsschlcndrian angepaßt werden, es sollte theils dnrch unmit¬
telbare Wirksamkeit, theils als Muster für künftige Einrichtungen ähnlicher Art auf
eine rationelle Weise dem Geist der Zeit entsprechen. Unter Andern wurden Schleier-
wacher, Fichte und Steffens zu Rathe gezogen, und wir haben noch in den Schriften,
in welchen sie ihre Ansichten vom Wesen der Universitäten im deutschen Sinn veröffent¬
lichen, einen denkwürdigen Beitrag wenigstens für die hochstrebenden Tendenzen, die
jene Zeit beseelten.

Abgesehen von der Reihe bedeutender Gelehrten, die in allen Fächern des Wissens
eine bedeutende Stellung, zum Theil die Meisterschaft in Anspruch nehmen konnten,
traten allmälig drei Männer in verschiedenem Sinn an die Spitze der geistigen Bewegung,
Zu deren Pflege Berlin ausersehen zu sein schien.

Der erste war Hegel, der sich bei seiner Berufung nach Berlin noch keineswegs
ans die Abstractionen.des speculativen Gedankens zu beschränken Willens war, sondern
der im Preußischen Staat wenigstens die Anlagen zu erkennen glaubte, ans denen sich
"Ut Hülfe der Denker der absolute Staat, wie er in der Idee war, entwickeln und
Realität gewinnen konnte. Anfangs in einer ziemlich isolirten Stellung wegen der
Unzulänglichkeit seiner Formen, die zwar wie alles Dunkle und Mystische von Weitem
anzogen, aber einen nähern Eingang in das Heiligthum des Gedankens wenigstens der
Masse nicht zu gestatten schienen, gewann er doch allmälig einen zuerst kleinen, dann
immer mehr sich ausbreitenden Kreis von Anhängern, de,r um so wirksamer und ein-


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[0529] T a g e b u et>. i. Berlins wissenschaftliche Bildung. Da sich aus der Tagesgeschichte nichts Bedeutendes mittheilen läßt, so wird es Ihnen vielleicht von Interesse sein, in der Zwischenzeit einmal eine Uebersicht unserer Zustände zu erhalten. Da sich Berlin namentlich darauf etwas zu Gute thut, als die Metropole der deutschen Intelligenz zu glänzen, so will ich zunächst die wissenschaft¬ lichen Verhältnisse berühren, und zwar so, daß ich für diesmal die exacten Wissenschaften ganz aus dem Spiel lasse, und mich auf diejenigen beschränke, die den menschlichen Geist zum Gegenstand haben. Die Stiftung der Universität Berlins fiel in eine Zeit, wo das abstract wissen¬ schaftliche Interesse anfing, sich mit dem eigentlich humanen zu versöhnen; die Zeit der Wiedergeburt Deutschlands und namentlich Preußens. Das neue Institut sollte nicht dem gewöhnlichen Nnivcrsitätsschlcndrian angepaßt werden, es sollte theils dnrch unmit¬ telbare Wirksamkeit, theils als Muster für künftige Einrichtungen ähnlicher Art auf eine rationelle Weise dem Geist der Zeit entsprechen. Unter Andern wurden Schleier- wacher, Fichte und Steffens zu Rathe gezogen, und wir haben noch in den Schriften, in welchen sie ihre Ansichten vom Wesen der Universitäten im deutschen Sinn veröffent¬ lichen, einen denkwürdigen Beitrag wenigstens für die hochstrebenden Tendenzen, die jene Zeit beseelten. Abgesehen von der Reihe bedeutender Gelehrten, die in allen Fächern des Wissens eine bedeutende Stellung, zum Theil die Meisterschaft in Anspruch nehmen konnten, traten allmälig drei Männer in verschiedenem Sinn an die Spitze der geistigen Bewegung, Zu deren Pflege Berlin ausersehen zu sein schien. Der erste war Hegel, der sich bei seiner Berufung nach Berlin noch keineswegs ans die Abstractionen.des speculativen Gedankens zu beschränken Willens war, sondern der im Preußischen Staat wenigstens die Anlagen zu erkennen glaubte, ans denen sich "Ut Hülfe der Denker der absolute Staat, wie er in der Idee war, entwickeln und Realität gewinnen konnte. Anfangs in einer ziemlich isolirten Stellung wegen der Unzulänglichkeit seiner Formen, die zwar wie alles Dunkle und Mystische von Weitem anzogen, aber einen nähern Eingang in das Heiligthum des Gedankens wenigstens der Masse nicht zu gestatten schienen, gewann er doch allmälig einen zuerst kleinen, dann immer mehr sich ausbreitenden Kreis von Anhängern, de,r um so wirksamer und ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/529>, abgerufen am 27.07.2024.