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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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sorderungcn soll die Alleinberechtigung des Irdischen resultiren. Nebenbei werden
auch die Emanzipationsideen des "jungen Deutschlands" besprochen und aus das
Krankhafte derselben, das in der aristokratischen Ausschließlichkeit liegt aufmerk¬
sam gemacht.

Die Vorwürfe der Sozialsten gegen den politischen Liberalismus werden
in so fern für berechtigt erklärt, als der letztere (z.B. im System des offiziellen
Frankreich) mit Erreichung seiner Zwecke die Bewegung für abgeschlossen aus¬
gibt; für unberechtigt aber, in so fern sie in demselben den nothwendigen Durch¬
gangspunkt für eine vernünftige Organisation der Gesellschaft verkennen.

Das Urtheil des Verfassers ist, wie wir in seinen übrigen Schriften ge¬
wohnt sind, stets ruhig, vernünftig und gemäßigt; seine Darstellung leidet an
einer gewissen parlamentarischen Trockenheit. Ein wesentlich Ursprüngliches und
Neues zu geben, lag nicht in seinem Zweck; das größere Publikum auf die neuen
Ideen wenigstens aufmerksam zu machen, die Gespensterfurcht vor diesen Schreck¬
bildern aufzuheben, diese Aufgabe wird er in hohem Maße erreichen.


II.
Die Borgänge in Ferrara.

Bis jetzt dreht sich der ganze Lärm um ein einziges Wort und obendrein
um ein französisches. Wäre die Wiener Bundesakte deutsch abgefaßt worden, so
wäre alle-Zweideutigkeit unmöglich gewesen. 8ir ni^ofte> im^vrinlv et un^ins
vt 8ö8 "uccesseiir" uuroiir "Iron <Je Aitinisou "ullis les r>1ne<Z8 <1ö I?er-
rar" el Oimmaccliio -- heißt es im Paragraph 103 der Congrcßactc. I^os
Glaces! Deutsch hätte man rund heraus sagen müssen: Se. Majestät ?c. werden
das Bcsatzungsrecht in den Festungen Ferrara haben, oder: Se. Majestät :c.
werden das Besatzungsrecht in den Städten Ferrara und Commachio haben.
Die Sprache Talleyrand's aber läßt trotz ihrer gerühmten Klarheit so viele Zwei¬
deutigkeiten zu, und Deutschland hat es oft theuer bezahlen müssen, daß die
Tractate französisch abgefaßt wurden. Für das jusizu' ->, In wer, welches eine
der Hauptadern deutschen Verkehrs dnrch eine freche Deutelei absperrt, ist es jetzt
gewissermaßen eine Wiedervergeltung, daß eine deutsche Macht das zweideutige
ich jn.'kees zu ihrem Vortheile auslegt!

Wunderbar genug, die einzige Nation, von der man glauben sollte, daß sie
ihr vivtioiniiüro <1o I'^an"lLmiv in der Hand auf eine andere Übersetzung des
Wortes dringen werde, weil es ihre Sprache ist, in der der Paragraph geschrie¬
ben, weil es ihre traditionelle Politik ist, solche Zweideutigkeiten auszubeuten,
weil es ihre Soldaten sind, welche bei viel geringfügigeren Anhaltspunkten zur
Eroberung und Feststellung ihres Übergewichtes in Italien einrückten -- Frank-
reich schweigt und sanktionirt durch sein Schweigen die österreichische Uebersetzung
eines französischen Wortes! Und noch wunderbarer: Deutschland und England,
welche in den ersten Jahren des 18. wie des 19. Jahrhunderts die österreichischen
Waffen zur Aufrechthaltung seiner italienischen Besitzungen unterstützten, Deutsch-


sorderungcn soll die Alleinberechtigung des Irdischen resultiren. Nebenbei werden
auch die Emanzipationsideen des „jungen Deutschlands" besprochen und aus das
Krankhafte derselben, das in der aristokratischen Ausschließlichkeit liegt aufmerk¬
sam gemacht.

Die Vorwürfe der Sozialsten gegen den politischen Liberalismus werden
in so fern für berechtigt erklärt, als der letztere (z.B. im System des offiziellen
Frankreich) mit Erreichung seiner Zwecke die Bewegung für abgeschlossen aus¬
gibt; für unberechtigt aber, in so fern sie in demselben den nothwendigen Durch¬
gangspunkt für eine vernünftige Organisation der Gesellschaft verkennen.

Das Urtheil des Verfassers ist, wie wir in seinen übrigen Schriften ge¬
wohnt sind, stets ruhig, vernünftig und gemäßigt; seine Darstellung leidet an
einer gewissen parlamentarischen Trockenheit. Ein wesentlich Ursprüngliches und
Neues zu geben, lag nicht in seinem Zweck; das größere Publikum auf die neuen
Ideen wenigstens aufmerksam zu machen, die Gespensterfurcht vor diesen Schreck¬
bildern aufzuheben, diese Aufgabe wird er in hohem Maße erreichen.


II.
Die Borgänge in Ferrara.

Bis jetzt dreht sich der ganze Lärm um ein einziges Wort und obendrein
um ein französisches. Wäre die Wiener Bundesakte deutsch abgefaßt worden, so
wäre alle-Zweideutigkeit unmöglich gewesen. 8ir ni^ofte> im^vrinlv et un^ins
vt 8ö8 «uccesseiir« uuroiir «Iron <Je Aitinisou «ullis les r>1ne<Z8 <1ö I?er-
rar« el Oimmaccliio — heißt es im Paragraph 103 der Congrcßactc. I^os
Glaces! Deutsch hätte man rund heraus sagen müssen: Se. Majestät ?c. werden
das Bcsatzungsrecht in den Festungen Ferrara haben, oder: Se. Majestät :c.
werden das Besatzungsrecht in den Städten Ferrara und Commachio haben.
Die Sprache Talleyrand's aber läßt trotz ihrer gerühmten Klarheit so viele Zwei¬
deutigkeiten zu, und Deutschland hat es oft theuer bezahlen müssen, daß die
Tractate französisch abgefaßt wurden. Für das jusizu' ->, In wer, welches eine
der Hauptadern deutschen Verkehrs dnrch eine freche Deutelei absperrt, ist es jetzt
gewissermaßen eine Wiedervergeltung, daß eine deutsche Macht das zweideutige
ich jn.'kees zu ihrem Vortheile auslegt!

Wunderbar genug, die einzige Nation, von der man glauben sollte, daß sie
ihr vivtioiniiüro <1o I'^an«lLmiv in der Hand auf eine andere Übersetzung des
Wortes dringen werde, weil es ihre Sprache ist, in der der Paragraph geschrie¬
ben, weil es ihre traditionelle Politik ist, solche Zweideutigkeiten auszubeuten,
weil es ihre Soldaten sind, welche bei viel geringfügigeren Anhaltspunkten zur
Eroberung und Feststellung ihres Übergewichtes in Italien einrückten — Frank-
reich schweigt und sanktionirt durch sein Schweigen die österreichische Uebersetzung
eines französischen Wortes! Und noch wunderbarer: Deutschland und England,
welche in den ersten Jahren des 18. wie des 19. Jahrhunderts die österreichischen
Waffen zur Aufrechthaltung seiner italienischen Besitzungen unterstützten, Deutsch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/390>, abgerufen am 01.09.2024.