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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Tage b u es.



i.
lies v"ur"ore".
Ein patriotisches Gespräch in der Fremde.

Ausländer. Bitte, kennen Sie vielleicht die geheime Gesellschaft, welche
man bei Ihnen die Tournvres nennt?

Deutscher. Tournvres? Eine solche Gesellschaft kenn' ich nicht. Sie mei¬
nen vielleicht die Turner? El, das ist keine geheime Gesellschaft! Die Turner sind
umgekehrt für die vollste Oeffentlichkeit.

Aufl. So! Aber sie müssen doch staatsgefährlich sein. Man sagt, daß sie
mit den Panslavisten zusammenhängen und mit den ven^livres <Zo ^libeuncl.

Deutsch. Warum uicht gar?

Aufl. Oder es sind Communisten, wenigstens Republikaner?

Deutsch. Nicht einmal dieses. Welcher französische Tourist hat Ihnen das
Mährchen aufgebunden?

Aufl. Aber, mein Gott, es kann nicht umsonst sein, daß man die streng¬
sten Maßregeln gegen sie ergreift, wie ich in Pariser Blättern lese.

Deutsch. Die Maßregeln sind bald erklärt, wenn Sie die geringste Ah¬
nung von Deutschland haben. Denken Sie sich einen schwärmerischen Blaustrumpf
unter der Aussicht eiuer hysterischen alten Tante, oder einen Stubengelehrten, der
den Faust spielen will, unter Vormundschaft eines pietistischen Paters. Nicht
wahr, das kann unmöglich gut thun. Eins geht auf Stelzen, das Andere auf
Krücken. Eins ist die deutsche Jugend (die, beiläufig zu bemerken, oft aus alten
Knaben besteht), das Andere ist unsere löbliche Polizei. So nimmt denn das
Duell zwischen Bombast und Pedanterie kein Ende. Einen Doctor gäbe es
für diese Manie: den lustigen Eulenspiegel, eine Art Naturdoctor, allein er hat
alles Ansehen verloren, seit man erfahren, daß er nicht einmal Philosophie absol-
virt hat. Ueberdies sprechen wir jetzt Alle hochdeutsch.

Aufl. Sie spotten über einen Theil Ihrer Landsleute, so viel merke ich,
aber erlauben Sie mir zu sagen, daß sie es selbst in teutonischer Weise thun
und sich in Bildern voll unverständlicher Mystik ausdrücken. Was verstehen Sie
unter Hochdeutsch?

Deutsch. Sie wollen wissen, was Hochdeutsch ist? Ein Beispiel. Die
Studenten von I. riefen in einer Bittschrift an die Negierung: Hätten wir nur


Tage b u es.



i.
lies v«ur»ore«.
Ein patriotisches Gespräch in der Fremde.

Ausländer. Bitte, kennen Sie vielleicht die geheime Gesellschaft, welche
man bei Ihnen die Tournvres nennt?

Deutscher. Tournvres? Eine solche Gesellschaft kenn' ich nicht. Sie mei¬
nen vielleicht die Turner? El, das ist keine geheime Gesellschaft! Die Turner sind
umgekehrt für die vollste Oeffentlichkeit.

Aufl. So! Aber sie müssen doch staatsgefährlich sein. Man sagt, daß sie
mit den Panslavisten zusammenhängen und mit den ven^livres <Zo ^libeuncl.

Deutsch. Warum uicht gar?

Aufl. Oder es sind Communisten, wenigstens Republikaner?

Deutsch. Nicht einmal dieses. Welcher französische Tourist hat Ihnen das
Mährchen aufgebunden?

Aufl. Aber, mein Gott, es kann nicht umsonst sein, daß man die streng¬
sten Maßregeln gegen sie ergreift, wie ich in Pariser Blättern lese.

Deutsch. Die Maßregeln sind bald erklärt, wenn Sie die geringste Ah¬
nung von Deutschland haben. Denken Sie sich einen schwärmerischen Blaustrumpf
unter der Aussicht eiuer hysterischen alten Tante, oder einen Stubengelehrten, der
den Faust spielen will, unter Vormundschaft eines pietistischen Paters. Nicht
wahr, das kann unmöglich gut thun. Eins geht auf Stelzen, das Andere auf
Krücken. Eins ist die deutsche Jugend (die, beiläufig zu bemerken, oft aus alten
Knaben besteht), das Andere ist unsere löbliche Polizei. So nimmt denn das
Duell zwischen Bombast und Pedanterie kein Ende. Einen Doctor gäbe es
für diese Manie: den lustigen Eulenspiegel, eine Art Naturdoctor, allein er hat
alles Ansehen verloren, seit man erfahren, daß er nicht einmal Philosophie absol-
virt hat. Ueberdies sprechen wir jetzt Alle hochdeutsch.

Aufl. Sie spotten über einen Theil Ihrer Landsleute, so viel merke ich,
aber erlauben Sie mir zu sagen, daß sie es selbst in teutonischer Weise thun
und sich in Bildern voll unverständlicher Mystik ausdrücken. Was verstehen Sie
unter Hochdeutsch?

Deutsch. Sie wollen wissen, was Hochdeutsch ist? Ein Beispiel. Die
Studenten von I. riefen in einer Bittschrift an die Negierung: Hätten wir nur


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[0254] Tage b u es. i. lies v«ur»ore«. Ein patriotisches Gespräch in der Fremde. Ausländer. Bitte, kennen Sie vielleicht die geheime Gesellschaft, welche man bei Ihnen die Tournvres nennt? Deutscher. Tournvres? Eine solche Gesellschaft kenn' ich nicht. Sie mei¬ nen vielleicht die Turner? El, das ist keine geheime Gesellschaft! Die Turner sind umgekehrt für die vollste Oeffentlichkeit. Aufl. So! Aber sie müssen doch staatsgefährlich sein. Man sagt, daß sie mit den Panslavisten zusammenhängen und mit den ven^livres <Zo ^libeuncl. Deutsch. Warum uicht gar? Aufl. Oder es sind Communisten, wenigstens Republikaner? Deutsch. Nicht einmal dieses. Welcher französische Tourist hat Ihnen das Mährchen aufgebunden? Aufl. Aber, mein Gott, es kann nicht umsonst sein, daß man die streng¬ sten Maßregeln gegen sie ergreift, wie ich in Pariser Blättern lese. Deutsch. Die Maßregeln sind bald erklärt, wenn Sie die geringste Ah¬ nung von Deutschland haben. Denken Sie sich einen schwärmerischen Blaustrumpf unter der Aussicht eiuer hysterischen alten Tante, oder einen Stubengelehrten, der den Faust spielen will, unter Vormundschaft eines pietistischen Paters. Nicht wahr, das kann unmöglich gut thun. Eins geht auf Stelzen, das Andere auf Krücken. Eins ist die deutsche Jugend (die, beiläufig zu bemerken, oft aus alten Knaben besteht), das Andere ist unsere löbliche Polizei. So nimmt denn das Duell zwischen Bombast und Pedanterie kein Ende. Einen Doctor gäbe es für diese Manie: den lustigen Eulenspiegel, eine Art Naturdoctor, allein er hat alles Ansehen verloren, seit man erfahren, daß er nicht einmal Philosophie absol- virt hat. Ueberdies sprechen wir jetzt Alle hochdeutsch. Aufl. Sie spotten über einen Theil Ihrer Landsleute, so viel merke ich, aber erlauben Sie mir zu sagen, daß sie es selbst in teutonischer Weise thun und sich in Bildern voll unverständlicher Mystik ausdrücken. Was verstehen Sie unter Hochdeutsch? Deutsch. Sie wollen wissen, was Hochdeutsch ist? Ein Beispiel. Die Studenten von I. riefen in einer Bittschrift an die Negierung: Hätten wir nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/254>, abgerufen am 27.07.2024.