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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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gcuSburg übernahm es auf gut Glück, damit ein Geschäft zu machen. Unsere
schlichten tiroler Buchhändler konnten nicht daran denken, daß ein so zartes Ge¬
wissen das k. k. Damnatur mit voller Namcnsaufschrist zu verhören im Stande
sei, sie kündeten daher wohlgemut!) das neugesuudeue Schatzkästlein frommen
Seelen in der Landeszcitung an und stellten es unter andern Erbauungsbüchern
in ihren AuSlageschräukcu zur Schau aus. Allein die Polizei, die dessen gewahr
wurde, leitete eine Untersuchung gegen den Verfasser ein, und die Censur-Hof-
stelle begnadigte ihn mit dem Verweise, daß sie sich solcher Mißachtung des Ge¬
setzes von einem Lehrer der Jugend (Beda Weber vertritt nämlich die Stelle
eines Professors am k. k. Gymnasium zu Meran) am allerwenigsten versehen hätte.
Nach diesen Vorgängen glauben wir uns mit Recht wundern zu können, daß
man in die nen errichtete Gclehrtenakadcmic zu Wien, die als ein dem Fort¬
schritt gewidmetes Institut gelten soll, solchen Helden der reactionären Jcsnitcn-
partci Zutritt gewährt. Wir denken auch dem jungen Verein, der seine Bestand¬
theile erst kennen lernen muß, einen Dienst zu erweisen, indem wir ihn ans ein
Mitglied aufmerksam machen, das ihm, wie er sich aus den erst jüngst davon
herausgegebenen Liedern des mittelhochdeutschen Dichters Oswald von Wolkenstein
überzeugen mag, nur mitleidiges Lächeln aller Kundigen einbringen wird.


O.
V.
Notiz.

G. Forster's Ansichten über die französische Revolution 1792.'

Die Revolution ist anzusehen als ein Werk der Gerechtig¬
keit der Natur. Die Nationalversammlung hat nicht daran gedacht, so weit
zu gehen, wie sie. gegangen ist; aber die eiserne Nothwendigkeit der Zeit und
der Umstände hat sie gezwungen. Der Stolz der Vernunft mit seiner Gleichheit,
seinen Rechten der Menschheit, seinen metaphysischen Theorien ist jetzt an die
Reihe gekommen. Nicht die Weisheit oder die Thorheit der Nationalversammlung
hat den in Lüsten erschlafften hohen Clerus und den mark- und hirnlosen Adel
vernichtet, sondern die gänzliche Unfähigkeit dieser beiden Gesammtheiten hat sie
gestürzt. Wenn es Sterblichen vergönnt ist, sich Wege des Schicksals, der Vor¬
sehung, der Gottheit zu denken, so sind es gewiß nicht die armseligen Combi¬
nationen, die eine menschliche Klugheit dasür ausgibt, sondern die Geschichte
kann sie lehren, wo sie uns Revolutionen aufbewahrt, die den allzu sichern
Frevler überraschen. Das verächtlichste Werkzeug kann oft diese unergründlichen
Gerichte vollstrecken; ein Athcistenclnb kann ein Rächer der beleidigten Mensch¬
heit sein.

Vielleicht ist es im Ganzen noch zu früh, die Geschichte einer Begebenheit
zu schreiben, nach welcher sich künftighin das laufende Jahrhundert nennen wird.
Nach zwanzig oder auch schou nach zehn Jahren, wenn der neue Freistaat im
ruhigen Genusse seiner so theuer errungenen Freiheit blühen wird, dürste es wohl
Niemand einfallen, das Thema dieser Geschichte so sehr aus den Augen zu ver-


Grcnzbotc". til, 1847. 23

gcuSburg übernahm es auf gut Glück, damit ein Geschäft zu machen. Unsere
schlichten tiroler Buchhändler konnten nicht daran denken, daß ein so zartes Ge¬
wissen das k. k. Damnatur mit voller Namcnsaufschrist zu verhören im Stande
sei, sie kündeten daher wohlgemut!) das neugesuudeue Schatzkästlein frommen
Seelen in der Landeszcitung an und stellten es unter andern Erbauungsbüchern
in ihren AuSlageschräukcu zur Schau aus. Allein die Polizei, die dessen gewahr
wurde, leitete eine Untersuchung gegen den Verfasser ein, und die Censur-Hof-
stelle begnadigte ihn mit dem Verweise, daß sie sich solcher Mißachtung des Ge¬
setzes von einem Lehrer der Jugend (Beda Weber vertritt nämlich die Stelle
eines Professors am k. k. Gymnasium zu Meran) am allerwenigsten versehen hätte.
Nach diesen Vorgängen glauben wir uns mit Recht wundern zu können, daß
man in die nen errichtete Gclehrtenakadcmic zu Wien, die als ein dem Fort¬
schritt gewidmetes Institut gelten soll, solchen Helden der reactionären Jcsnitcn-
partci Zutritt gewährt. Wir denken auch dem jungen Verein, der seine Bestand¬
theile erst kennen lernen muß, einen Dienst zu erweisen, indem wir ihn ans ein
Mitglied aufmerksam machen, das ihm, wie er sich aus den erst jüngst davon
herausgegebenen Liedern des mittelhochdeutschen Dichters Oswald von Wolkenstein
überzeugen mag, nur mitleidiges Lächeln aller Kundigen einbringen wird.


O.
V.
Notiz.

G. Forster's Ansichten über die französische Revolution 1792.'

Die Revolution ist anzusehen als ein Werk der Gerechtig¬
keit der Natur. Die Nationalversammlung hat nicht daran gedacht, so weit
zu gehen, wie sie. gegangen ist; aber die eiserne Nothwendigkeit der Zeit und
der Umstände hat sie gezwungen. Der Stolz der Vernunft mit seiner Gleichheit,
seinen Rechten der Menschheit, seinen metaphysischen Theorien ist jetzt an die
Reihe gekommen. Nicht die Weisheit oder die Thorheit der Nationalversammlung
hat den in Lüsten erschlafften hohen Clerus und den mark- und hirnlosen Adel
vernichtet, sondern die gänzliche Unfähigkeit dieser beiden Gesammtheiten hat sie
gestürzt. Wenn es Sterblichen vergönnt ist, sich Wege des Schicksals, der Vor¬
sehung, der Gottheit zu denken, so sind es gewiß nicht die armseligen Combi¬
nationen, die eine menschliche Klugheit dasür ausgibt, sondern die Geschichte
kann sie lehren, wo sie uns Revolutionen aufbewahrt, die den allzu sichern
Frevler überraschen. Das verächtlichste Werkzeug kann oft diese unergründlichen
Gerichte vollstrecken; ein Athcistenclnb kann ein Rächer der beleidigten Mensch¬
heit sein.

Vielleicht ist es im Ganzen noch zu früh, die Geschichte einer Begebenheit
zu schreiben, nach welcher sich künftighin das laufende Jahrhundert nennen wird.
Nach zwanzig oder auch schou nach zehn Jahren, wenn der neue Freistaat im
ruhigen Genusse seiner so theuer errungenen Freiheit blühen wird, dürste es wohl
Niemand einfallen, das Thema dieser Geschichte so sehr aus den Augen zu ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/179>, abgerufen am 01.09.2024.