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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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höchsten Bedeutung für Deutschland, Frankreich so wenig "Is möglich zu erlau¬
ben, sich in den deutschen Vor- und Nachbarländern auf irgend eine Weise fest¬
zusetzen. Belgien und die Schweiz sind die natürlichen Vorposten Deutschlands,
nicht zum Angriffe, sondern zur Abwehrung; und diese Abweh¬
rung im Interesse Deutschlands muß damit beginnen, daß sie
vorerst im Interesse der Schweiz und Belgiens sich bethätigt.
ES war ein Fehler, daß man Frankreich erlaubte, Antwerpen für Belgien zu
erobern; und wenn dies auch am Ende wenig zum Nachtheile des deutschen Ein¬
flusses in Belgien ausschlug, so sind daran andere Ursachen schuld, die ohne die
Antwerpens Geschichte noch thätiger gewirkt haben würden. Die Einmischung
der Franzosen in die Schwcizerangelegcnheiten kann und sollte
zum Besten Deutschlands aus schlagen, und wird dies sicher, wenn die
deutschen Mächte zuerst die Pflicht gegen die Schweiz übernehmen, die sie
hoffen, daß die Schweiz selbst in Zeiten der Noth für Deutschland übernehmen
_,. werde.


II.

Eine Urteiles cor<1la?s. -- Standcserhöhungen. -- Akademie. -- Jüdische Antiquitä¬
ten. -- Arsenik als Medicament.

Die Ablösung des in Mainz garnisonircndcn k. k. Infanterieregiments Graf
Khevenhüller ist seit längerer Zeit beschlossen gewesen, denn es hat sich heraus¬
gestellt, daß die bekannten Kampssccnen zwischen den österreichischen und preußischen
Soldaten in den Straßen der BnndeSsestuug mehr als ein vorübergehender Con¬
flict war und der Riß des waffenbrüderlichen Einvernehmens nicht wiederherzu¬
stellen sein dürfte. Anfangs wollte man das in Linz garnisonirende ungarische
Jnfanterie-Regiment Prinz Hessen-Homburg nach Mainz verlegen, als sich mit
einem Male Schwierigkeiten zu erheben schienen; vielleicht hat die Bnndescom-
mission gegen die Verlegung eines ungarischen Regiments in eine deutsche Bundcs-
sestung, Einsprüche gethan. Jetzt vernimmt man, daß das böhmische Regiment
Erzherzog Rainer nach Mainz marschiren werde.

Die Hofzeitung berichtet dieser Tage ganz unerwartet die Ernennung des
Staatsrathes Philipp von Kraus zum zweiten Präsidenten des Gonverniums in
Lemberg, indeß der bisherige Vizepräsident Graf Lazansky in derselben Eigen¬
schaft nach Brünn versetzt wurde. Graf Lazansky sollte nach Prag kommen mit
der Bestimmung, das Präsidium der ständischen Versammlung zu übernehmen, hat
jedoch diesen Posten abgelehnt und begnügt sich lieber in der bescheidenen Sxbäre
des mährischen Gvuvcrninms. Die überaus schnelle Carriere des jetzigen Regie-
rungspräsidenten von Kraus, die bei einem Nichtaristokraten in Oesterreich fast
beispiellos zu nennen ist, erhitzt manche Phantasie, und man belmuptet, Herr v.
Kraus stehe zu dem verstorbenen Kaiser Franz in demselben Verhältnisse, wie der
kommandirende General in Schlesien, Graf Brandenburg Zum verstorbenen König
Von Preußen, oder wie Graf Walewskv in Paris zu Napoleon. -- Schon fru-


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höchsten Bedeutung für Deutschland, Frankreich so wenig »Is möglich zu erlau¬
ben, sich in den deutschen Vor- und Nachbarländern auf irgend eine Weise fest¬
zusetzen. Belgien und die Schweiz sind die natürlichen Vorposten Deutschlands,
nicht zum Angriffe, sondern zur Abwehrung; und diese Abweh¬
rung im Interesse Deutschlands muß damit beginnen, daß sie
vorerst im Interesse der Schweiz und Belgiens sich bethätigt.
ES war ein Fehler, daß man Frankreich erlaubte, Antwerpen für Belgien zu
erobern; und wenn dies auch am Ende wenig zum Nachtheile des deutschen Ein¬
flusses in Belgien ausschlug, so sind daran andere Ursachen schuld, die ohne die
Antwerpens Geschichte noch thätiger gewirkt haben würden. Die Einmischung
der Franzosen in die Schwcizerangelegcnheiten kann und sollte
zum Besten Deutschlands aus schlagen, und wird dies sicher, wenn die
deutschen Mächte zuerst die Pflicht gegen die Schweiz übernehmen, die sie
hoffen, daß die Schweiz selbst in Zeiten der Noth für Deutschland übernehmen
_,. werde.


II.

Eine Urteiles cor<1la?s. — Standcserhöhungen. — Akademie. — Jüdische Antiquitä¬
ten. — Arsenik als Medicament.

Die Ablösung des in Mainz garnisonircndcn k. k. Infanterieregiments Graf
Khevenhüller ist seit längerer Zeit beschlossen gewesen, denn es hat sich heraus¬
gestellt, daß die bekannten Kampssccnen zwischen den österreichischen und preußischen
Soldaten in den Straßen der BnndeSsestuug mehr als ein vorübergehender Con¬
flict war und der Riß des waffenbrüderlichen Einvernehmens nicht wiederherzu¬
stellen sein dürfte. Anfangs wollte man das in Linz garnisonirende ungarische
Jnfanterie-Regiment Prinz Hessen-Homburg nach Mainz verlegen, als sich mit
einem Male Schwierigkeiten zu erheben schienen; vielleicht hat die Bnndescom-
mission gegen die Verlegung eines ungarischen Regiments in eine deutsche Bundcs-
sestung, Einsprüche gethan. Jetzt vernimmt man, daß das böhmische Regiment
Erzherzog Rainer nach Mainz marschiren werde.

Die Hofzeitung berichtet dieser Tage ganz unerwartet die Ernennung des
Staatsrathes Philipp von Kraus zum zweiten Präsidenten des Gonverniums in
Lemberg, indeß der bisherige Vizepräsident Graf Lazansky in derselben Eigen¬
schaft nach Brünn versetzt wurde. Graf Lazansky sollte nach Prag kommen mit
der Bestimmung, das Präsidium der ständischen Versammlung zu übernehmen, hat
jedoch diesen Posten abgelehnt und begnügt sich lieber in der bescheidenen Sxbäre
des mährischen Gvuvcrninms. Die überaus schnelle Carriere des jetzigen Regie-
rungspräsidenten von Kraus, die bei einem Nichtaristokraten in Oesterreich fast
beispiellos zu nennen ist, erhitzt manche Phantasie, und man belmuptet, Herr v.
Kraus stehe zu dem verstorbenen Kaiser Franz in demselben Verhältnisse, wie der
kommandirende General in Schlesien, Graf Brandenburg Zum verstorbenen König
Von Preußen, oder wie Graf Walewskv in Paris zu Napoleon. — Schon fru-


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[0173] höchsten Bedeutung für Deutschland, Frankreich so wenig »Is möglich zu erlau¬ ben, sich in den deutschen Vor- und Nachbarländern auf irgend eine Weise fest¬ zusetzen. Belgien und die Schweiz sind die natürlichen Vorposten Deutschlands, nicht zum Angriffe, sondern zur Abwehrung; und diese Abweh¬ rung im Interesse Deutschlands muß damit beginnen, daß sie vorerst im Interesse der Schweiz und Belgiens sich bethätigt. ES war ein Fehler, daß man Frankreich erlaubte, Antwerpen für Belgien zu erobern; und wenn dies auch am Ende wenig zum Nachtheile des deutschen Ein¬ flusses in Belgien ausschlug, so sind daran andere Ursachen schuld, die ohne die Antwerpens Geschichte noch thätiger gewirkt haben würden. Die Einmischung der Franzosen in die Schwcizerangelegcnheiten kann und sollte zum Besten Deutschlands aus schlagen, und wird dies sicher, wenn die deutschen Mächte zuerst die Pflicht gegen die Schweiz übernehmen, die sie hoffen, daß die Schweiz selbst in Zeiten der Noth für Deutschland übernehmen _,. werde. II. Eine Urteiles cor<1la?s. — Standcserhöhungen. — Akademie. — Jüdische Antiquitä¬ ten. — Arsenik als Medicament. Die Ablösung des in Mainz garnisonircndcn k. k. Infanterieregiments Graf Khevenhüller ist seit längerer Zeit beschlossen gewesen, denn es hat sich heraus¬ gestellt, daß die bekannten Kampssccnen zwischen den österreichischen und preußischen Soldaten in den Straßen der BnndeSsestuug mehr als ein vorübergehender Con¬ flict war und der Riß des waffenbrüderlichen Einvernehmens nicht wiederherzu¬ stellen sein dürfte. Anfangs wollte man das in Linz garnisonirende ungarische Jnfanterie-Regiment Prinz Hessen-Homburg nach Mainz verlegen, als sich mit einem Male Schwierigkeiten zu erheben schienen; vielleicht hat die Bnndescom- mission gegen die Verlegung eines ungarischen Regiments in eine deutsche Bundcs- sestung, Einsprüche gethan. Jetzt vernimmt man, daß das böhmische Regiment Erzherzog Rainer nach Mainz marschiren werde. Die Hofzeitung berichtet dieser Tage ganz unerwartet die Ernennung des Staatsrathes Philipp von Kraus zum zweiten Präsidenten des Gonverniums in Lemberg, indeß der bisherige Vizepräsident Graf Lazansky in derselben Eigen¬ schaft nach Brünn versetzt wurde. Graf Lazansky sollte nach Prag kommen mit der Bestimmung, das Präsidium der ständischen Versammlung zu übernehmen, hat jedoch diesen Posten abgelehnt und begnügt sich lieber in der bescheidenen Sxbäre des mährischen Gvuvcrninms. Die überaus schnelle Carriere des jetzigen Regie- rungspräsidenten von Kraus, die bei einem Nichtaristokraten in Oesterreich fast beispiellos zu nennen ist, erhitzt manche Phantasie, und man belmuptet, Herr v. Kraus stehe zu dem verstorbenen Kaiser Franz in demselben Verhältnisse, wie der kommandirende General in Schlesien, Graf Brandenburg Zum verstorbenen König Von Preußen, oder wie Graf Walewskv in Paris zu Napoleon. — Schon fru- 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/173>, abgerufen am 27.07.2024.