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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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gegen jede größere Gesammtbeweguug, wenn auch Sporn und Peitsche für die
wildesten Einzclubestrebungen.

Doch wie gesagt: Für heute steht mir so viel fest, daß die Weiber der Ar¬
beiter in der Faul'ourg Se. Antoin den Gästen des Prinzen höhnend nachriefen:
d " ___ em annLl.it! --


II.

Die Eiscnbahnfrage. -- Richard Cobden und die krse-ti-ü.lui'rs. -- Die Bildergallerie
Barbarigo, -- Jüdische Reformen. -- Die Juden in der Armee.

In den nächsten Tagen schon, am 6. Juli, soll in Mailand die General¬
versammlung der Actionäre der Eisenbahn zwischen Mailand und Como zusam¬
mentreten, um über die Frage zu entscheiden, ob die Eisenstraße von Como bis
Chiasso an der Grenze der Schweiz fortgeführt werden solle. Diese Frage ist
von hoher Wichtigkeit, weil damit den Plänen der sardinischen Regierung be¬
gegnet werden soll, deren Bestrebungen für Belebung des Verkehrs neuerdings
in der Ernennung des !. Lcgationsraths Kavaliere Federico ti Montiglio zum
Geschäftsträger in Nordamerika erhellt, wo Sardinien bisher gar nicht vertreten
war. Schließt sich die Zweigbahn von Mailand nach Como wirklich bei Ehiasso
an die große helvetische Eisenbahn an, so wird Süddeutschland direct mit dem
Hafen Von Venedig verbunden, und die Versuche Genua's, sich gleich Antwerpen
zu einem Exporthafen des deutschen Zollvereins zu gestalten, mindestens zum
Theil vereitelt, vorausgesetzt, daß dann der projectirte Mctallweg über den Buk-
manier noch zu Stande kommen sollte. Die Bahn von Mailand bis Como ist
zwar noch nicht fertig, aber gewiß bis zum Sommer 1848 fahrbar und schon
jetzt sind 50 Waggons bestellt.

Bei den unter den hiesigen Kaufleuten vorherrschenden Ansichten mußte die
Aufnahme des jetzt hier verweilenden Richard Cobden, dieses Apostels des Frei¬
handels, eine höchst ausgezeichnete sein, denn der ganze Verkehr, der ganze Wohl¬
stand der Jnselstadt wurzelt in ihrer Eigenthümlichkeit als Freihafen, welche ein
wahres Interesse im Gedeihen der binnenländischen Industrie kaum aufkommen
lassen kann. Achtzig der angesehensten Personen haben dem gefeierten Brüten
jüngst in dem schönen Garten der Gindecca ein großes Festmahl veranstaltet, bei
dem es überaus lebhaft hergegangen sein soll. Alle Geladene erschienen mit
einer Kornähre im Knopfloch des schwarzen Fracks, als Orden der National-
öconomie. Zuerst sprach der Graf Priuti, indem er sogleich einen Toast auf
den Gast ausbrachte, der enthusiastischen Anklang fand. Die Rede des or. Loca-
telli, des Redacteurs der Oa/cela <Il Vinc/i", suchte die Bedeutung des freien
Austausches unter allen Völkern der Erde in der Theorie zu veranschaulichen
und weissagte dieser Theorie einen nahen praktischen Sieg. Hierauf nahm Ri¬
chard Cobden das Wort und enthüllte in einem längern Vortrage in französischer
Sprache, da er des Italienischen nicht mächtig ist, das Bild eines gesunden
kommerziellen Zustandes, den er mit allen Farben schmückte, welche die Psen-


gegen jede größere Gesammtbeweguug, wenn auch Sporn und Peitsche für die
wildesten Einzclubestrebungen.

Doch wie gesagt: Für heute steht mir so viel fest, daß die Weiber der Ar¬
beiter in der Faul'ourg Se. Antoin den Gästen des Prinzen höhnend nachriefen:
d » ___ em annLl.it! —


II.

Die Eiscnbahnfrage. — Richard Cobden und die krse-ti-ü.lui'rs. — Die Bildergallerie
Barbarigo, — Jüdische Reformen. — Die Juden in der Armee.

In den nächsten Tagen schon, am 6. Juli, soll in Mailand die General¬
versammlung der Actionäre der Eisenbahn zwischen Mailand und Como zusam¬
mentreten, um über die Frage zu entscheiden, ob die Eisenstraße von Como bis
Chiasso an der Grenze der Schweiz fortgeführt werden solle. Diese Frage ist
von hoher Wichtigkeit, weil damit den Plänen der sardinischen Regierung be¬
gegnet werden soll, deren Bestrebungen für Belebung des Verkehrs neuerdings
in der Ernennung des !. Lcgationsraths Kavaliere Federico ti Montiglio zum
Geschäftsträger in Nordamerika erhellt, wo Sardinien bisher gar nicht vertreten
war. Schließt sich die Zweigbahn von Mailand nach Como wirklich bei Ehiasso
an die große helvetische Eisenbahn an, so wird Süddeutschland direct mit dem
Hafen Von Venedig verbunden, und die Versuche Genua's, sich gleich Antwerpen
zu einem Exporthafen des deutschen Zollvereins zu gestalten, mindestens zum
Theil vereitelt, vorausgesetzt, daß dann der projectirte Mctallweg über den Buk-
manier noch zu Stande kommen sollte. Die Bahn von Mailand bis Como ist
zwar noch nicht fertig, aber gewiß bis zum Sommer 1848 fahrbar und schon
jetzt sind 50 Waggons bestellt.

Bei den unter den hiesigen Kaufleuten vorherrschenden Ansichten mußte die
Aufnahme des jetzt hier verweilenden Richard Cobden, dieses Apostels des Frei¬
handels, eine höchst ausgezeichnete sein, denn der ganze Verkehr, der ganze Wohl¬
stand der Jnselstadt wurzelt in ihrer Eigenthümlichkeit als Freihafen, welche ein
wahres Interesse im Gedeihen der binnenländischen Industrie kaum aufkommen
lassen kann. Achtzig der angesehensten Personen haben dem gefeierten Brüten
jüngst in dem schönen Garten der Gindecca ein großes Festmahl veranstaltet, bei
dem es überaus lebhaft hergegangen sein soll. Alle Geladene erschienen mit
einer Kornähre im Knopfloch des schwarzen Fracks, als Orden der National-
öconomie. Zuerst sprach der Graf Priuti, indem er sogleich einen Toast auf
den Gast ausbrachte, der enthusiastischen Anklang fand. Die Rede des or. Loca-
telli, des Redacteurs der Oa/cela <Il Vinc/i», suchte die Bedeutung des freien
Austausches unter allen Völkern der Erde in der Theorie zu veranschaulichen
und weissagte dieser Theorie einen nahen praktischen Sieg. Hierauf nahm Ri¬
chard Cobden das Wort und enthüllte in einem längern Vortrage in französischer
Sprache, da er des Italienischen nicht mächtig ist, das Bild eines gesunden
kommerziellen Zustandes, den er mit allen Farben schmückte, welche die Psen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/126>, abgerufen am 01.09.2024.